Zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie versuchen die Forscher weltweit immer noch zu verstehen, warum manche Menschen eher an COVID-19 sterben als andere. Während einige Risikofaktoren wie Alter und Vorerkrankungen bekannt sind, sind andere weniger offensichtlich. Diese zu ermitteln, könnte dazu beitragen, stärker gefährdete Gruppen besser vor künftigen Epidemien zu schützen und Krankheitsausbrüchen vorzubeugen.
Das Ergebnis einer frisch in der Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentliche US-Studie deutet nun an, dass einige Faktoren - sofern erstmal bekannt - möglicherweise einfach zu bekämpfen sind. Der Untersuchung zufolge ist einer der Faktoren, die in den USA am stärksten mit einem hohen Todesrisiko durch COVID-19 in Verbindung gebracht werden, das Fehlen eines Internetzugangs - unabhängig von anderen demografischen Risikofaktoren wie dem sozioökonomischem Status, Bildung, Alter, Behinderung, Belastung durch Miete, Krankenversicherungsschutz oder Einwanderungsstatus.
Der Untersuchung zufolge gilt dieser Trend außerdem nicht nur für ländliche Gebiete mit schlechter Internetversorgung, sondern auch für städtische Gebiete, in denen die meisten Haushalte einen Breitbandzugang haben könnten. Mit anderen Worten: Auch Städter, die keinen Internetzugang haben wollen oder können, weisen ein erhöhtes Risiko auf, an COVID-19 zu sterben.
Bis zu 6 Todesfälle pro 100.000 Einwohner weniger
Die Forscher der Universität Chicago schätzen, dass für jedes zusätzliche Prozent der Einwohner eines Bezirks, die einen Internet-Zugang haben, zwischen 2,4 und sechs Todesfälle pro 100.000 Menschen verhindert werden könnten, je nach Zusammensetzung der Region. "Wir glauben, dass dieses Ergebnis darauf hindeutet, dass mehr Bewusstsein erforderlich ist", schreiben die Studienautoren in der Veröffentlichung. "Bevölkerungsgruppen mit eingeschränktem Internetzugang sind nach wie vor nicht ausreichend erforscht und werden in der Pandemieforschung häufig nicht berücksichtigt."
Eine klare Antwort auf die Fragen, warum ein Zugang zum Internet schützend wirken kann oder ob eine größere Verfügbarkeit den allgemeinen Gesundheitszustand der (US-)Bevölkerung verbessern kann, haben die Forscher allerdings nicht. Allerdings ist es eine Tatsache, dass in den USA trotz klarer Lücken bei der Internet-Versorgung immer mehr Gesundheitsdienste ins Netz gestellt wurden. Als dann COVID-19 die Routinebesuche bei Gesundheitsdienstleistern in den Bereich der Telemedizin verlagerte, wurde der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Internetzugang - von denen viele bereits medizinisch unterversorgt waren - noch schwieriger. Der Zugang zu Breitband-Internet entschied plötzlich über den Zugang zu Bildungsangeboten, wirtschaftlicher Stabilität, die Anmeldung bei einer Tafel, die Verfügbarkeit von Impfstoffen und Sicherheitsinformationen, menschliche Kontakte und viele andere Ressourcen.
Die Vorgehensweise der Forscher
In der Querschnittsstudie analysierten die Forscher die Daten für alle US-Bezirke in 50 Bundesstaaten und den District of Columbia für das erste volle Jahr der COVID-19-Pandemie (22. Januar 2020 bis 28. Februar 2021). Dabei wurden Daten zu COVID-19-Mortalitätsraten auf Bezirksebene (Todesfälle pro 100 000 Einwohner) analysiert, die von den US Centers for Disease Control and Prevention gemeldet wurden. Vier Indizes wurden verwendet, um mehrere Dimensionen von sozialbedingten Determinanten für Gesundheit (SDOH) zu messen: der Index der sozioökonomischen Vorteile, der Index der eingeschränkten Mobilität, der Index der Chancen im städtischen Kerngebiet und der Index für den Zusammenhalt und die Zugänglichkeit für gemischte Einwanderer. Mithilfe räumlicher Regressionsmodelle wurden die Zusammenhänge zwischen SDOH und der COVID-19-Mortalitätsrate auf Kreisebene untersucht.