Um erfolgreich zu wirtschaften, müssen Unternehmen nicht nur innovative Produkte und Services hervorbringen, sondern auch dafür sorgen, dass die damit verbundenen Geschäftsprozesse besonders effizient ablaufen und keine unnötigen Kosten oder Wartezeiten anfallen. In diesem Zusammenhang nutzen inzwischen viele Unternehmen die Möglichkeiten von Process Mining und Business Intelligence: Process Mining hilft Firmen dabei, die Abläufe anhand der Spuren in IT-Systemen zu dokumentieren und zu visualisieren, um sie anschließend zu optimieren oder - etwa via RPA - zu automatisieren. Business Intelligence wiederum bietet - unter anderem - die Möglichkeit, Daten auf bestimmte Trends oder Entwicklungen hin zu untersuchen, um auf dieser Grundlage bessere Geschäftsentscheidungen treffen zu können.
Häufig zeigt sich jedoch, dass diese Methoden nicht ausreichen - etwa, weil andere Geschäftsprozesse benötigt werden. Hier kommt Process Intelligence ins Spiel. Wir haben Dr. Gero Decker, CEO des Berliner Anbieters von Business-Process-Management-Software Signavio, gebeten, für COMPUTERWOCHE-Leser die wichtigsten Fragen zu Process Intelligence zu beantworten.
Was ist Process Intelligence?
Decker: Process Intelligence liefert auf der Basis von Daten aus Systemen einen Einblick in den tatsächlichen Verlauf von Geschäftsprozessen. Es stellt tiefer gehende Analysen bereit und kann durch den Vergleich von Daten aus verschiedenen Zeiträumen auch zeigen, wie sich Veränderungen an Geschäftsprozessen auswirken. Process Intelligence unterstützt die Anwender dabei, zu erkennen, ob die Prozesse im alltäglichen Betrieb optimal verlaufen, oder wo Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden sollten und wie diese aussehen könnten.
Was unterscheidet Process Intelligence von Process Mining?
Decker: Process Intelligence hebt Process Mining in zweierlei Hinsicht auf die nächste Evolutionsstufe. Zum einen bietet eine moderne Process-Intelligence-Lösung eine Echtzeit-Überwachung von Prozessen; damit können Unternehmen die Ursachen leistungsschwacher Abläufe schnell identifizieren, Compliance-Verletzungen und Engpässe unmittelbar lokalisieren und die Performance von Prozessen kontinuierlich überwachen. Zum anderen macht Process Intelligence nicht beim bloßen Erkennen von Verbesserungsmöglichkeiten Halt, sondern schlägt die Brücke in das Prozess-Redesign und in die tatsächliche Umsetzung von Verbesserungen. So bleibt es nicht nur ein Reporting Tool unter vielen, sondern fördert eine schnelle Veränderungsfähigkeit und ein kundenorientiertes Denken.
Was unterscheidet Process Intelligence von Business Intelligence?
Decker: Business Intelligence und Process Intelligence haben gemeinsam, dass sie auf Daten basieren, diese interaktiv visualisieren und geschäftskritische KPIs bewerten. Business Intelligence zeigt dabei beispielsweise, dass sich die Antwortzeit für Kundenanfragen im letzten Monat auf fünf Tage verschlechtert hat. Allerdings sagt es einem leider nicht, warum etwas oder was nun anders ist als vorher.
Hier setzt Process Intelligence an: Dadurch, dass sämtliche Prozessschritte in die Analyse einfließen, lässt sich erkennen, dass sich zum Beispiel unnötige Doppelarbeiten oder zusätzliche Schritte eingeschlichen haben oder dass die Übergabe zwischen bestimmten Teams besonders schlecht funktioniert. Durch diesen Prozessfokus erkennt man also nicht nur, dass man ein Problem hat, sondern kann sehr genau verstehen, wo man ansetzen muss, um besser zu werden.
Welchen Nutzen bringt Process Intelligence?
Decker: Anwender können mit Process Intelligence die Performance ihres Unternehmens steigern und die Kundenzufriedenheit verbessern. Auch hilft es Unternehmen dabei, Automatisierung an der richtigen Stelle einzusetzen und sicherzustellen, dass an kritischen Punkten tatsächlich das gewünschte Verhalten eingehalten wird.
Wie funktioniert Process Intelligence?
Decker: Process Intelligence extrahiert Daten aus den verschiedenen Systemen, durch die ein Prozess hindurchläuft. Häufig sind dies ERP- und CRM-Systeme. Es handelt sich oft um Gigabytes, manchmal sogar Terabytes an Daten, die für die Analyse zur Verfügung stehen. Unsere Software visualisiert das Geschehen und hilft Verbesserungspotenziale schnell zu identifizieren, Verbesserungsoptionen zu simulieren und schließlich umzusetzen.
Wie führt man Process Intelligence ein?
Decker: Man sucht sich zunächst einen Prozess aus, bei dem man signifikante Verbesserungspotenziale vermutet. Basis für Process Intelligence sind anschließend die Daten aus einem oder mehreren Systemen. Manchmal lässt sich ein Standard-Konnektor wiederverwenden, bei selbstentwickelten Systemen muss die Datenaufbereitung konfiguriert werden. Anschließend erfolgt eine gezielte Auswertung der Prozessdaten und zuletzt die stufenweise Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen. Die besonders erfolgreichen Unternehmen nutzen Process Intelligence dabei nicht nur als Einmalanalyse, sondern nutzen die Möglichkeiten der kontinuierlichen Prozessüberwachung und -verbesserung.
Wofür eignet sich Process Intelligence besonders?
Decker: Die möglichen konkreten Einsatzszenarien für Process Mining und Process Intelligence sind vielfältig. Sie reichen von ERP-Transformationen über die effektive Nutzung von RPA-Lösungen bis hin zu Risk- und Compliance-Analysen. Process Intelligence kann darüber hinaus die Basis für die Umsetzung eines kundenzentrierten Prozessmanagements sein; Kunden-Touchpoints lassen sich so optimieren und Prozesse gezielt neu ausrichten. Und ganz allgemein unterstützt Process Intelligence auf dem Weg zur Operational Excellence, kurz OpEx, also dem harmonischen Zusammenspiel von Menschen, Prozessen und IT-Systemen in einem Unternehmen.