Bernaert geht, Saleh kommt

Management-Chaos bei Atos

16.01.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Atos steckt in Schwierigkeiten. Der Verkauf der Tech Foundations an EPEI stockt und es drücken hohe Schulden. Nun soll der ehemalige Finanzchef Paul Saleh als neuer CEO die Probleme lösen.
Auf Atos kommen schwierige Zeiten zu.
Auf Atos kommen schwierige Zeiten zu.
Foto: Atos

Atos hat mit sofortiger Wirkung den bisherigen Finanzchef Paul Saleh zum Chief Executive Officer ernannt. Er löst Yves Bernaert ab, der erst Anfang Oktober 2023 sein Amt angetreten hatte. Offensichtlich gab es zwischen dem Vorstand und dem scheidenden Chef Streit darüber, wie es bei dem angezählten Technologieunternehmen weitergehen sollte. "Ich bin in das Unternehmen eingetreten, um seine Transformation und Entwicklung zu leiten", sagte Bernaert zum Abschied. Mit der Unterstützung des Vorstands habe er auch an der Anpassung der Strategie zum Nutzen des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und Aktionäre gearbeitet. Aber: "Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise, wie die Strategie angepasst und umgesetzt werden soll, habe ich beschlossen, das Unternehmen zu verlassen."

Yves Bernaert, Ex-CEO von Atos, spricht offen von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Vorstand über die weitere Strategie.
Yves Bernaert, Ex-CEO von Atos, spricht offen von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Vorstand über die weitere Strategie.
Foto: Atos

Atos steckt derzeit in massiven Schwierigkeiten. Eigentlich will sich der französische Dienstleister nach dem Vorbild von IBM aufspalten. Eine Sparte soll das klassische Geschäft mit den weniger profitablen Geschäftsbereichen wie Rechenzentren und Hosting, Digital Workplace, Unified Communications und Collaboration (UCC) sowie das Outsourcing von Geschäftsprozessen umfassen. Der andere Bereich modernere Aktivitäten wie digitale Transformation, intelligente digitale Plattformen, Cloud-Technologie, Cybersicherheit, High-Performance Computing und KI weiterführen.

Aufspaltung nach IBM-Vorbild

Nachdem ursprünglich geplant war, Atos in zwei eigenständige börsennotierte Unternehmen aufzuteilen, änderte sich im Sommer 2023 die Strategie. Die Verantwortlichen entschieden sich das klassische Geschäft, intern auch als Tech Foundations bezeichnet, an EP Equity Investment (EPEI) zu verkaufen. Dabei handelt es sich um eine in Luxemburg ansässige Firma, die vom tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky kontrolliert wird. EPEI sollte demzufolge 100 Millionen Euro bezahlen und 1,9 Milliarden Euro Schulden von Atos übernehmen. Insgesamt würde sich die Höhe des Deals damit auf etwa zwei Milliarden Euro belaufen.

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EPEI sollte auch den Markennamen Atos übernehmen, an dem die alte Business Unit exklusive Rechte hält. Die verbleibende Muttergesellschaft wollte den Namen Eviden annehmen, eine Variante der Marke Evidian, die bisher für die IT-Sicherheitsprodukte verwendet wurde.

Doch die Gespräche über den Verkauf der Atos-Teile gerieten zuletzt ins Stocken. Offensichtlich hatte der französische Staat Bedenken angemeldet, ein Unternehmen, das Verteidigungsaufträge abwickelt, an einen ausländischen Investor zu veräußern, berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Beide Parteien seien derzeit dabei, die Bedingungen des Deals neu zu verhandeln, hieß es.

Saleh - Blitzkarriere vom CFO zum CEO

Diese Aufgabe dürfte nun in erster Linie dem neuen CEO Saleh zufallen. Der Manager hatte erst im August als Chief Financial Officer bei Atos angeheuert. Seinen Job als Finanzchef übernimmt Jacques-Francois de Prest, der von Mobivia zu Atos wechselt. Darüber hinaus wurden Sujatha "Suja" Chandrasekaran und Monika Maurer als unabhängige Direktoren neu in den Vorstand berufen. Weitere Berufungen seien möglich und würden derzeit geprüft, hieß es in einer Mitteilung von Atos.

Viel Zeit bleibt dem neuen Management indes nicht, die Schwierigkeiten bei Atos zu bereinigen. Den Anbieter drückt eine hohe Schuldenlast. Es braucht dringend frisches Geld, um Kredite der Banken bedienen zu können. Allein in den kommenden zwei Jahren werden Rückzahlungen in Höhe von zwei Milliarden Euro fällig.

Anfang Januar 2024 teilte Atos mit, die exklusiven Verhandlungen mit EPEI über einen Verkauf von Tech Foundations gingen weiter. Die Diskussionen drehten sich in erster Linie um den Preis und die Struktur der Transaktion, hieß es. Es gebe allerdings keine Sicherheit, dass diese Gespräche auch zu einem konkreten Ergebnis führen.

Atos sucht fürs Überleben nach Alternativen

Angesichts dieser Unwägbarkeiten suchen die Atos-Verantwortlichen auch nach anderen Wegen, die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Vielversprechend sei dabei ein möglicher Verkauf des Bereichs Big Data und Security an Airbus. Im Gespräch ist offenbar ein Preis zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro. Die entsprechenden Verhandlungen steckten allerdings erst in einer frühen Phase, verlautete seitens Atos. Es sei darüber hinaus nicht ausgeschlossen, über den Verkauf weiterer Assets nachzudenken, sollte der Deal mit EPEI nicht wie erhofft zum Abschluss kommen.

Sollten die Verhandlungen über den Verkauf von Unternehmensteilen scheitern und auch die Diskussionen mit den Banken über eine Refinanzierung nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, will Atos nicht ausschließen, gesetzliche Schutzmechanismen in Anspruch zu nehmen, hieß es in einer Mitteilung.

Paul Saleh soll als neuer CEO die anstehenden Probleme von Atos lösen.
Paul Saleh soll als neuer CEO die anstehenden Probleme von Atos lösen.
Foto: Atos

Die Hoffnungen ruhen nun auf Saleh. Der Manager habe viel Erfahrung mit Restrukturierungen, sagte Jean-Pierre Mustier, Chairman von Atos. Salehs Fokus werde sich in erster Linie auf die Refinanzierung der Schulden und die laufenden Verhandlungen konzentrieren, hieß es, insbesondere den Verkauf des Geschäftsbereichs Tech Foundations an EPEI und des Geschäftsbereichs Big Data & Security (BDS) an Airbus. Er werde eng mit Carlo d'Asaro Biondo, dem Generaldirektor der Gruppe, zusammenarbeiten, der für den Geschäftsbetrieb, die kommerzielle Entwicklung, Partnerschaften, Produkte und die Effizienz der Geschäftsabwicklung zuständig ist.