Lösungen für Probleme, die keine sind

Macht Big Data für Banken Sinn?

10.05.2015
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Mathias Walter ist Head of Competence Center Financial Services bei der Trivadis GmbH und Experte für regulatorische Themen. Er betreut seit knapp 20 Jahren Finanzdienstleister aus unterschiedlichen Managementpositionen heraus und war vor seinem Wechsel zu Trivadis Mitglied der Geschäftsleitung einer IT-Tochter der SCHUFA. Seit 2011 leitet Matthias Walter das Competence Center Financial Services von Trivadis, welches eine Dolmetscherfunktion zwischen Fach- und IT-Bereich wahrnimmt und Finanzdienstleistern die Umsetzung von branchenspezifischer Regulatorien erleichtert.

Nicht wenige Anbieter von Big-Data-Lösungen stürzen sich auf Bereiche, die bereits von etablierten und gut funktionierenden Systemen besetzt sind. Kein Wunder also, dass Big Data im Bankenumfeld eher schlechte Karten hat.

Die Erfassung und Verarbeitung großer Datenmengen ist für viele Wirtschaftsunternehmen von großer Bedeutung - vorausgesetzt die gewonnenen Erkenntnisse dienen einem sinnvollen Zweck. Diese Aussage muss jedoch für den Einsatz von Big Data in Banken nicht unbedingt gelten. Hier sößt Big Data bisher noch oft an seine Schranken in Form von gesetzlichen Regelungen oder bereits bestehenden, gut funktionierenden Systemen, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Kreditvergabe

Die Vergabe von Krediten gehört für fast jede Bank zum Kerngeschäft. Um möglichst viel Eigenkapital zu sparen, kommt traditionell der IRB-Ansatz (Internal Ratings-Based Approach) zur Anwendung. Dabei ist vor allem die konkrete Risikoeinschätzung des jeweiligen Kunden der Bank von großer Bedeutung.
Das Finanzhaus muss der Aufsicht jedoch klar darstellen, weshalb interne Risikomodelle besser sind als der "normale" Standardansatz. Ist die jeweilige Bank das allein kontoführende Institut, vereinfacht dies den Prozess erheblich.

Einer der am schwersten auf Big Data umzuwandelnden Wirtschaftszweige ist das Bankgewerbe mit seiner weitreichenden Angebotspalette und großen sensiblen Datenmengen.
Einer der am schwersten auf Big Data umzuwandelnden Wirtschaftszweige ist das Bankgewerbe mit seiner weitreichenden Angebotspalette und großen sensiblen Datenmengen.
Foto: My Life Graphic - shutterstock.com

Dennoch müssen natürlich entsprechende Sicherheiten vorhanden und nachgewiesen werden. Anderenfalls sind externe, verlässliche und rechtlich konforme Bonitätsdaten erforderlich, deren Rahmen im Bundesdatenschutzgesetz § 28a und b klar definiert ist. Das BDSG regelt auch, wer solche Daten erheben und verwenden darf - erweiterte Analysen sind untersagt. Bekannte Anbieter sind zum Beispiel die SCHUFA oder Creditreform. Ergo: Für "Big Data" gibt es im Bereich der Kreditvergabe und des Kreditmanagements schlicht keinen Raum.

Betrugserkennung und Geldwäsche

Befürworter von Big Data sehen in der Möglichkeit von "Echtzeitauswertungen" einen entscheidenden Vorteil gegenüber bestehenden Systemen. Leider läuft dieses Argument bei Banken gleich doppelt ins Leere. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen gibt es bereits "Real Time"-Elemente in entsprechenden Systemen. Und zum anderen muss diesen Fällen ja auch durch Mitarbeiter nachgegangen werden.

Ein System kann zwar in Echtzeit eine Transaktion verhindern oder blockieren, die konkrete Prüfung erfolgt jedoch immer erst im Nachgang. Hier besteht die konkrete Herausforderung, die so genannten "False Positives", also fälschlicherweise als Straftat erkannte Transaktionen, in vertretbarem Rahmen zu halten und alle relevanten Dinge zügig zu klären. Dies scheitert jedoch nicht an Technologie sondern immer noch an der verhältnismäßig knappen Ressource Mensch.

Doch auch "Predictive Analysis"-Ansätze werden durch das deutsche Arbeitsrecht, den Betriebsrat und das Bundesdatenschutzgesetz sehr schnell ausgebremst. Dieses Verfahren bietet Unternehmen die Möglichkeit zur gezielten Auswertung Arbeits- und Online-Aktivitäten - wie zum Beispiel die Zeitdauer bis zum Lesen von E-Mails oder das Nutzerverhalten innerhalb der eingesetzten Business-Software. Mit Hilfe individuelle Analysemodelle sollen verdächtige Aktivitäten zu internen Kontrollen anregen - stellen damit jedoch alle Mitarbeiter im Grunde unter Generalverdacht. Im Bereich Betrugserkennung und Geldwäsche bietet Big Data im gesetzlichen Rahmen also keinen konkreten Vorteil gegenüber etablierten Systemen.

Customer Relationship Management

Die Möglichkeiten, Kunden und ihren vermeintlichen Bedarf mittels Big Data zu analysieren scheinen unbegrenzt. Perfekt für entsprechende Produkte? Mitnichten! Die Schwachstelle sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Banken haben andere AGB als die Betreiber von Webmail-Diensten oder Online-Shops. So dürfen beispielsweise Kundendaten nur zur Abwicklung des betreffenden Geschäftes und nicht zur umfassenden Analyse verwendet, geschweige denn an Dritte weitergegeben werden. Darüber hinaus ist der tatsächliche Bedarf eines Privatkunden an Produkten und Dienstleistungen den jeweiligen Beratern ohnehin seit Langem bekannt. In der Praxis verführt auch der Einsatz modernster Technik niemanden, mehr Geldgeschäfte mit seiner Bank zu tätigen. Es fehlt also schlichtweg der Bedarf - und den kann auch Big Data nicht wecken.
Als letzter Ansatzpunkt bleibt also nur noch der reine Zahlungsverkehr.

Zahlungsverkehr

Die Analyse von Transaktionsdaten hat schon lange vor Big Data Einzug in den Alltag von Finanzhäusern gefunden. Doch die erzielten Ergebnisse blieben bisher meist weit hinter den gesteckten Erwartungen zurück. Gegenwärtig kann noch nicht abschließend beantwortet werden ob und inwiefern hier Big-Data-Technologien einen konkreten Mehrwert für Finanzhäuser schaffen. Entsprechende Prototypen sind in einigen Häusern zwar bereits im Einsatz - bis jedoch konkrete und vor allem verlässliche Ergebnisse vorliegen, wird es noch eine ganze Weile dauern.

Fazit

Big Data hat im Bankensektor noch nicht wirklich überzeugt. Vor allem aber fehlt eines: der Nachweis eines konkreten Nutzens. Möglicherweise ist das Thema aber auch einfach überbewertet und mit völlig überzogenen Erwartungen belegt. In vielen Finanzhäusern spricht man daher längst nicht mehr von Big Data, sondern eher von "Advanced Analytics". Erst wenn Entscheider die neuen Technologien als Mittel zum Zweck verstehen und nicht mühevoll eigene Business Cases konstruieren müssen, tauchen neue Möglichkeiten auf. (bw)