Mitarbeiterbindung heute

Lockere Beziehungskisten

21.05.2013
Von 
ist freie Wirtschaftsjournalistin in London.

Chefs entscheiden nicht mehr allein

Toni Hess, Telefonica: "Inhaltlich spannende Aufgaben sind den Digital Natives wesentlich wichtiger."
Toni Hess, Telefonica: "Inhaltlich spannende Aufgaben sind den Digital Natives wesentlich wichtiger."

Das beobachtet auch Tonio Hess, Senior Business Partner bei Telefónica Germany in München. Mit Hierarchien können die Digital Natives seiner Ansicht nach wenig anfangen. "Inhaltlich spannende Aufgaben sind ihnen wesentlich wichtiger", so der Personaler. Dazu gehöre unter anderem eine hohe Eigenverantwortlichkeit. Um ihnen diese bieten zu können, hat Telefónica seine Arbeitsdoktrin grundlegend umgestellt. Früher bereiteten Teammitglieder für ihre Vorgesetzten verschiedene Entscheidungsszenarien vor, aus denen der Chef dann eine Alternative auswählte. Heute erarbeiten sie die Aufgaben und entscheiden dann selbständig, welche Alternative verfolgt wird.

Damit dieser Paradigmenwechsel klappt, mussten alle Beteiligten umdenken. Mitarbeiter müssen sich ab sofort als inhaltliche Partner ihrer Vorgesetzten verstehen, Führungskräfte als "People-Manager, die den Rahmen für ihre Mitarbeiter vorgeben und Entscheidungskompetenz an sie abgeben", so Hess.

Weiterer wichtiger Loyalitätsmotor ist die Flexibilität. "Die Generation Y will nicht mehr tagtäglich im Büro sitzen, sondern auch mal im Englischen Garten, im Café oder zu Hause arbeiten", sagt Hess. Vertrauensarbeitszeit, Home Office und mobiles Arbeiten gehören daher längst zum Standardrepertoire vieler IT-Firmen. Statt der Anwesenheitskultur gilt eine Ergebniskultur. Egal, wann die Mitarbeiter arbeiten: Hauptsache, sie liefern - pünktlich und zuverlässig.

Auf dieses Prinzip setzt auch Unisys Deutschland in Sulzbach bei Frankfurt. "Die Loyalitätskurve ist heute nicht mehr konstant, sondern variiert je nach persönlicher Arbeits- und Lebenssituation", sagt Rudolf Kühn, Geschäftsführer der Unisys Outsourcing Services. Unisys will seinen Leuten so viele Freiheiten wie möglich geben. Das Home-Office-Konzept etwa ermöglicht ihnen, bei passenden Tätigkeiten alles von zu Hause aus zu erledigen. Die Firma stattet das Arbeitszimmer dafür mit DSL-Anschluss und dem gesamten Equipment aus.

Rudolf Kühn, Unisys Outsourcing Services: "Die Loyalitätskurve ist heute nicht mehr konstant, sondern variiert je nach persönlicher Arbeits- und Lebenssituation."
Rudolf Kühn, Unisys Outsourcing Services: "Die Loyalitätskurve ist heute nicht mehr konstant, sondern variiert je nach persönlicher Arbeits- und Lebenssituation."
Foto: Privat

Ein geschickter Schachzug. Denn wer nach seinem eigenen Bio- (und Familien-)Rhythmus arbeiten kann, dankt es seinem Arbeitgeber. "Home-Office-Mitarbeiter", so Kühn, "spüren das Vertrauen, das das Unternehmen in sie setzt." Im Gegenzug legten die Homeworker eine "deutlich höhere Loyalität" an den Tag als ihre Kollegen in den Unisys-Büros.

Flexibilität erhöht also die Loyalität. Davon ist auch HP überzeugt. Das Talent-Management der Firma etwa bietet jungen Potenzialträgern viele Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten an unterschiedlichsten Arbeitsstellen einzubringen - über Abteilungs- und Landesgrenzen hinaus. Der Gedanke dahinter: Die Talente können sich je nach Fähigkeiten und Interessen einbringen, ihre jeweiligen Teams profitieren.

Fluktuation ist Unternehmensalltag

Doch Vorsicht: Das Modell funktioniert nur, wenn alle mitziehen - und ziehen lassen. Denn damit die Ypsiloner ihre Freiheiten ausleben können, muss auch die Generation der Vorgesetzten ein gerüttelt Maß an Flexibilität beweisen. "Gute Leute innerhalb der Firma ziehen zu lassen gehört zu meinem Job", sagt HP-Managerin Meiborg. Keine Führungskraft könne sich mehr darauf ausruhen, wenn sie ein gutes Team zusammen hat. Die Teamleiterin tröstet sich mit dem Gedanken, dass Förderer junger Talente wieder neue Talente anziehen. "Eine stetige Fluktuation ist heute kein Zeichen von Schwäche", so Meiborg, "sondern schlicht Unternehmensalltag."

"Die Generation Y will Arbeit als persönlichen Gewinn erleben"

Anders Parment, Berater für Employer Branding und Assistant Professor an der Business School der Universität Stockholm, forschte als einer der Ersten über die um 1980 Geborenen. Seine These: Die Generation Y stellt viele Verhältnisse und Vorstellungen, die als selbstverständlich galten, in Frage und zwingt Firmen zum Umdenken.

CW: Ticken die Berufseinsteiger heute anders als frühere Generationen?

PARMENT: Ja. Die Generation Y lebt ihr Leben emotionaler als frühere Jahrgänge. Die jungen Leute versuchen, ihr Leben zu maximieren.

Anders Parment, Universität Stockholm: "Wichtig für Unternehmen ist eine ehrliche Ansprache."
Anders Parment, Universität Stockholm: "Wichtig für Unternehmen ist eine ehrliche Ansprache."
Foto: Privat

CW: Wie soll das gehen?

PARMENT: Wirtschaftlich sind sie recht gut abgesichert. Daher stellen sie höhere Ansprüche an den Job als frühere Generationen. Arbeit wollen sie als persönlichen Gewinn erleben.

CW: Die gute alte Selbstverwirklichung also?

PARMENT: Jein. Selbstverwirklichung bezieht sich für sie nicht nur auf das eigene Ich, sondern auch auf das Netzwerk des Ichs, also auf Umwelt und Gesellschaft, in der sie sich erleben. Daher hinterfragen sie auch Umweltaktivitäten von Arbeitgebern und deren Engagement im Bereich Corporate Social Responsibility kritisch, aber konstruktiv.

CW: Wie können Firmen bei dieser Generation punkten?

PARMENT: Wenn sie sich auf die Ansprüche der jungen Leute einstellen, können sie Wettbewerbsvorteile im Recruiting erringen. Wichtig ist aber vor allem eine transparente und ehrliche Ansprache. Durch ihr breites Netzwerk on- und offline durchschaut die Generation Y schnell, wenn Unternehmen ein Engagement nur vortäuschen.