Startups wieder ein Thema

Lindner will die "Gründerrepublik"

28.07.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Bundesregierung will deutsche Startups fördern - wieder einmal. Nun hat Finanzminister Christian Lindner sogar die Gründerrepublik ausgerufen.
Für viele Gründerinnen und Gründer in Deutschland ist der Start ins Firmenleben immer noch sehr beschwerlich.
Für viele Gründerinnen und Gründer in Deutschland ist der Start ins Firmenleben immer noch sehr beschwerlich.
Foto: natthawut ngoensanthia - shutterstock.com

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hat eine Startup-Initiative ins Leben gerufen. Ziel sei es, die Ökosysteme in Deutschland und Europa zu stärken, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundesministeriums der Finanzen. Demzufolge hat die Politik zehn Handlungsfelder identifiziert:

  1. Finanzierung stärken,

  2. Startups das Anheuern von Talenten erleichtern - Mitarbeiterkapital-Beteiligung attraktiver ausgestalten,

  3. Gründergeist entfachen - Gründungen einfach und digital ermöglichen,

  4. Diversität stärken und Gründerinnen fördern,

  5. Spin-offs aus der Wissenschaft erleichtern,

  6. Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Startups verbessern,

  7. Startups bei öffentlichen Aufträgen stärker berücksichtigen,

  8. Besserer Zugang zu Daten,

  9. Reallabore stärken - Zugänge für Neugründungen erleichtern,

  10. Startups ins Zentrum stellen.

"Wirtschaftspolitische Zukunftsprojekte müssen gerade auch in schwierigen Zeiten wie diesen vorangetrieben werden", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Startup-Strategie der Bundesregierung sei daher ein wichtiges Signal. Junge Unternehmen entwickelten neue Ideen und trieben Innovationen voran. "Wenn wir die Bedingungen für Startups in Deutschland und Europa verbessern, stärken wir gleichzeitig unseren Wirtschaftsstandort."

Bessere Bedingungen für Startups stärken den deutschen Wirtschaftsstandort, glaubt Wirtschaftsminster Robert Habeck.
Bessere Bedingungen für Startups stärken den deutschen Wirtschaftsstandort, glaubt Wirtschaftsminster Robert Habeck.
Foto: Alexandros Michailidis - shutterstock.com

Finanzminister Christian Lindner formulierte ambitionierte Ziele mit der jetzt vorgelegten Initiative: "Ich möchte Deutschland zur Gründerrepublik machen." Es mangele nicht an privatem Kapital, oft aber fehle es an günstigen Rahmenbedingungen, damit Investitionen in Startups gelingen könnten. Lindner will die Finanzierungsmöglichkeiten verbessern und in Kürze ein "Zukunftsfinanzierungsgesetz" vorlegen. Es soll Startups den Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtern. Außerdem werden wir die Bürokratie abbauen, verspricht der FDP-Minister. "Denn nur so werden sich Gründerinnen und Gründer auf das konzentrieren können, was sie am besten können: Ihre Ideen in die Tat umzusetzen."

Ich möchte Deutschland zur Gründerrepublik machen, sagte Finanzminister Christian Lindner.
Ich möchte Deutschland zur Gründerrepublik machen, sagte Finanzminister Christian Lindner.
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Viele Maßnahmen sind dem Kabinett zufolge in Vorbereitung und könnten relativ zügig umgesetzt werden. Die Initiative soll von einem Monitoring begleitet werden. Jährlich werde es Zwischenberichte über den Stand der Umsetzung geben, hieß es. Darüber hinaus soll regelmäßig überprüft werden, ob und wie die Strategie weiterentwickelt werden kann.

Es ist nicht die erste Initiative, um Startups zu fördern. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Regierungen diverse Hightech- und Innovationsprogramme aufgesetzt, die auch immer das Ziel verfolgten, Gründungen zu erleichtern und zu fördern. Bewirkt haben diese Programme allerdings eher wenig. Die Kritikpunkte sind seit Jahren dieselben: Eine überbordende Bürokratie macht den Gründerinnen und Gründern das Leben schwer. Außerdem braucht es Zugang zu Risikokapital, um Startups wirklich groß und erfolgreich zu machen. Der Zugang ist hierzulande besonders schwierig.

Absichtserklärungen gab es bereits genug

So hält sich die Begeisterung für den neuerlichen Vorstoß des Bundes in Grenzen. "An Absichtserklärungen und Einzelmaßnahmen, junge Tech-Unternehmen zu unterstützen, hat es auch in der Vergangenheit nicht gefehlt", stellt Achim Berg, Präsident des IT-Verbands Bitkom, fest. Der IT-Lobbyist bemängelt, dass das Papier der Regierung an vielen Stellen zu vage und hinter früheren Entwürfen des Wirtschaftsministeriums zurückbleibe. "Damit die Startup-Strategie ein Erfolg wird, genügt es nicht, sie zu beschließen", mahnt der Bitkom-Präsident. "Erfolgsentscheidend wird ihre Umsetzung." An jenen Stellen, wo es an konkreten Maßnahmen fehle, müsse nachgeschärft werden.

Eine Startup-Strategie zu beschließen, reicht nicht, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Man muss sie auch umsetzen.
Eine Startup-Strategie zu beschließen, reicht nicht, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Man muss sie auch umsetzen.
Foto: Bitkom

Viele Firmengründer sind seit Jahren unzufrieden mit den Rahmenbedingungen in Deutschland. Der Bitkom hat im Frühjahr 2021 rund 200 Tech-Startups befragt. Die Kritik ist deutlich: 86 Prozent der Befragten gaben an, finanzielle Unterstützung zu benötigen. Vor allem an Risikokapital fehle es hierzulande.

Dass Regierungsmaßnahmen die Situation verbessern könnten, glaubt inzwischen kaum ein Gründer mehr. Neun von zehn Startups kritisieren, dass sich die Politik in Detailfragen verzettele und das Land so riskiere, den Anschluss bei großen Zukunftsthemen wie zum Beispiel KI zu verlieren. Die Jungunternehmer monieren, die Politik wolle sich mit ihrer Startup-Förderung nur schmücken, interessiere sich aber in Wirklichkeit kaum für die Sorgen von Gründerinnen und Gründern (80 Prozent). Außerdem würden die angekündigten Maßnahmen für Startups am Ende doch meistens nicht umgesetzt (71 Prozent). Insgesamt gaben die Gründer der deutschen Startup-Politik nur die Durchschnittsnote 4,2.