Die Hauptcharaktere sind zwar allesamt frei erfunden, aber doch so authentisch beschrieben, dass sie in der realen Welt branchenübergreifend überall zu finden sind. Da gibt es beispielsweise den ehrgeizigen Aufsteiger und Überstundenrekordhalter Daniel, (kommt in der Woche mit fünf Stunden Schlaf gut aus) der seinen Kollegen, wenn sie um halb sieben ihre Sachen packen, regelmäßig den Spruch reindrückt: "Na, halben Tag Urlaub genommen?".
"Wir haben in punkto Produkteinführung noch null results"
Unterdessen legt sich die schöne Julia ("Wir sind doch alle in unseren Beruf reingescheitert") gerade mit ihrem Gehalt ein finanzielles Polster für ihr Start-up an, um aus der Konzern-Matrix auszubrechen und Sebastian, der Vorzeige-Papa mit 80-Prozent-Stelle, beschließt, dienstags und freitags grundsätzlich im Home Office zu arbeiten. Denn: Die Ergebnisse zählen, sonst nichts. "Leute werden für ihren Kopf bezahlt, nicht für ihren Arsch."
Und es gibt noch Dr. Meyerbeer, in dessen Eckbüro auch abends um acht noch Licht brennt. Anfang 50, mindestens 1,90 Meter groß, schlank, trägt seine grauen Haare im akkuraten Seitenscheitel und läuft seit 2000 jedes Jahr den New-York-Marathon immer noch deutlich in unter drei Stunden mit. Alle angeführt vom neuen Chef Dr. Jan-Philip Wendenschloss, Ex-McKinsey-Berater, der gerne vom Ending her denkt, die kreative Challenge annimmt und tight getaktet einen neuen Innovationsapproach entwickelt. Schwarzer Anzug, schwarzes Haar, Figur wie mindestens dreimal die Woche Holmes Place.
- Der treue Paladin
Der verlängerte Arm des Chefs - vor allem für kleinere Aufgaben. Kein schlechtes Wort über den Chef kommt über seine Lippen, aber für höhere Aufgaben eignet er sich auch nicht. - Der Vorzeigestar
Das Talent, der Vorzeigestar, dessen Heldentaten die gesamte Firma aufschauen lassen. Der Chef ist stolz auf sein bestes Pferd im Stall, zumindest wenn es keinen Grund zum Zweifel an der Treue gibt. - Die graue Eminenz
Manchmal gibt es Urgesteine in einer Anteilung, die allerdings immer noch hellwach dabei sind und voller Tatkraft stecken. Der "alte Hase" steht dabei nicht im Verdacht, ehrgeizig auf den Chefsessel zu schielen. - Der Oberexperte
Der Oberexperte ist quasi der Staatssekretär des Chefs, der, der die fachlichen Mängel ausgleicht. Er bereitet die Entscheidungen im Hintergrund vor und stärkt nach außen den Rücken. - Das Alpha-Tier
Gefördert werden vom Chef dagegen Mitarbeiter-Typen wie das Alpha-Tier: Er ist ein geborener Führer wie der Rivale, allerdings fordert er den Vorgesetzten nicht zum Kampf auf. So schafft er es, vom Chef als Stellvertreter akzeptiert zu werden - auch ohne offizielle Ernennung. Das Team akzeptiert ihn als Leitwolf. - Die Schlafmütze
Wer tief im Brunnen der Frustration festsitzt und in Sitzungen apathisch aufs Ende wartet - der zieht auch gern die Wut des Chefs auf sich. Die Schlafmütze zeichnet sich dadurch aus, dass sie bei anfallender Arbeit selten zuständig ist und mit den dicken Däumchen der Routine auf die Frühverrentung wartet. - Der Miesmacher
Wenn Mitarbeiter Pessimismus verbreiten und schlechte Laune und nur Probleme sehen, wo andere Herausforderungen vermuten - dann sind sie Miesmacher und ebenfalls im Visier des Chefs. Wer die Seifenblasen der Motivation zerbläst, muss mit Mobbing-Attacken rechnen. - Der Rivale
Wenn ein Mitarbeiter alles hat, was eine Führungsposition braucht und sich zur Opposition aufbauen, muss sich der Chef Gedanken machen. Erstrecht wenn sie natürliche Autorität, Ehrgeiz und Fachwissen mitbringen. Es kann oft nur einen geben - und der Chef sitzt am längeren Hebel. - Der Besserwisser
Besserwisser haben zwei Fehler: Erstens sind sie anderer Meinung als der Chef. Und zweitens sagen sie das auch noch öffentlich. Sie kratzen an der Autorität des Chefs und brauchen sich nicht wundern, wenn dieser sie zum Abschluss freigibt. - Wer kommt ins Fadenkreuz?
Was müssen Sie tun, um auf die Abschussliste zu geraten? Welche Mitarbeiter sind Lieblingsopfer von Mobbing? Martin Wehrle identifiziert die verschiedenen Typen. Die Vorstellung in aller Kürze ...
Immer wieder fallen zwischen den zwei Buchdeckeln herrliche Sätze wie "Wir haben schon KW 13. Aber in punkto Produkteinführung noch null results", "Vielleicht sollten wir uns den Case noch mal genauer anschauen, um aus den Fehlern zu lernen" und "Ist es nicht eine Überlegung wert, dem Vorstand vorzuschlagen, mal einen Testballon steigen zu lassen?", die aus der Lektüre der 25 knackigen Kapitel eine kurzweilige Freude machen. Da muss man selbst auch gar nicht in irgendwelchen Agentur- oder Konzernhamsterrädchen gefangen sein, um Gefallen an den bitterbösen Anekdoten von Thomas Ramge zu finden, die er in den vergangenen 20 Jahren aufgesammelt hat.