IBM-Spin-off will wachsen

Kyndryl stellt Weichen für höhere Ziele

07.11.2022
Von  und
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Michael Cooney ist Senior Editor bei der amerikanischen Schwesterpublikation Network World.
Kyndryls Geschäftsergebnisse sind noch durchwachsen, doch eine geschickte Plattformpolitik und umfassende Verträge mit den großen Public-Cloud-Providern könnten das ändern.
Martin Schroeter, CEO von Kyndryl, setzt auf Themen wie Cloud-Migration, Mainframe-Modernisierung und Consulting.
Martin Schroeter, CEO von Kyndryl, setzt auf Themen wie Cloud-Migration, Mainframe-Modernisierung und Consulting.
Foto: Kyndryl

Als IBM im November 2021 den Geschäftsbereich Global Technology Services in die Neugründung Kyndryl ausgliederte, waren die Vorschusslorbeeren für das Spin-off nicht besonders groß. Das Geschäft mit Infrastrukturservices gilt als komplex, auch andere Dienstleister tun sich hier schwer. Der Markt wächst langsam, außerdem muss mit zunehmend knappem, immer teurerem Personal gearbeitet werden. Die Profitmargen sind traditionell nicht besonders üppig.

Immerhin bedient Kyndryl mit seinen rund 90.000 Beschäftigten weltweit 75 Prozent der Fortune-100-Unternehmen mit Services rund um Kern-IT-Systeme, Anwendungen, Cloud, IT-Sicherheit, Daten-Management, Netzwerke und andere IT-Themen. Die Konkurrenz rund um Infrastruktur-Modernisierung ist groß: Unternehmen wie Accenture, DXC Technology, Fujitsu oder die indischen Herausforderer Infosys, Tata Consultancy Services oder Wipro sind mit ihren jeweiligen Angeboten starke Gegner.

Kyndryl präsentiert schwache Quartalsbilanz

Angesichts der noch jungen Geschichte und der Erblasten aus IBM-Zeiten überrascht es nicht, dass Kyndryl auf dem Weg zu Wachstum und Profitabilität bisher nur in kleinen Schritten vorangekommen ist. Im abgelaufenen zweiten Finanzquartal sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal auf 4,2 Milliarden Dollar, wobei ohne Währungsverluste wohl nur ein Minus von einem bis zwei Prozent angefallen wäre. Der Nettoverlust belief sich auf 281 Millionen Dollar. Die durchschnittlichen Erwartungen an der Wallstreet wurden verfehlt.

Dennoch zeigte sich David Wyshner, Finanzchef von Kyndryl, in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten zuversichtlich: "Obwohl das Risiko einer globalen Rezession gestiegen ist, sehen wir aufgrund der digitalen Transformation eine breite Nachfrage nach Infrastrukturservices." Kyndryl leide unter dem starken Dollar und den hohen Energiekosten, beides überlagere die unübersehbaren operativen Fortschritte.

Die Deutsche Bank lässt von Kyndryl ihre Kernbankensysteme und ihre IT-Infrastruktur in Zentraleuropa betreuen.
Die Deutsche Bank lässt von Kyndryl ihre Kernbankensysteme und ihre IT-Infrastruktur in Zentraleuropa betreuen.
Foto: Nataly Reinch - shutterstock.com

Das Unternehmen setzt heute alles daran, seine Geschäfte unabhängiger von der IBM-Welt aufzustellen. So hat Kyndryl in den ersten sechs Monaten seines Geschäftsjahres 2023 Verträge mit den großen Cloud-Hyperscalern im Wert von mehr als 425 Millionen Dollar unterzeichnet. In diesem Jahr sollen weitere Abkommen geschlossen werden. Das diesbezügliche Vertragsvolumen werde zum Jahresende eine Milliarde Dollar erreichen, so das Unternehmen. Die Abkommen sind erfolgskritisch, bedeuten sie doch, dass Kyndryl jenseits des ererbten IBM-Geschäfts neue Märkte erschließen kann.

Kyndryl paktiert mit allen Hyperscalern

"Anfangs konnten wir im Cloud-Bereich nur IBM-Services anbieten, obwohl IBM ein Späteinsteiger ist und hier nur einen Marktanteil von vier Prozent hat. Wir waren praktisch von 96 Prozent des Marktes ausgeschlossen", erklärt Harish Grama, Global Practice Leader für Cloud bei Kyndryl. Schon im ersten Monat nach dem Start als unabhängiges Unternehmen habe man einen Vertrag mit Microsoft abgeschlossen, wenig später dann ähnliche Abkommen mit Google und Amazon Web Services (AWS). "So haben wir uns schnell in die Lage versetzt, mehr als 80 Prozent des Marktes bedienen zu können. Wir haben das Ökosystem, das unsere Kunden jetzt und in Zukunft nutzen können, massiv ausgebaut", freut sich Grama.

Der Erfolg wird auch von unabhängiger Seite gewürdigt. Charles King, Präsident und Hauptanalyst von Pund-IT Inc., konzediert: "Insgesamt glaube ich, dass Kyndryl gute Arbeit leistet, um sich als unabhängiges Unternehmen aufzustellen und die heutigen und zukünftigen Bedürfnisse von Kunden zu befriedigen." Der Ausbau von Partnerschaften sei ein wichtiger Teil der Wachstumsstrategie.

Ein ebenfalls wichtiger Teil ist die Beschäftigung mit neuen Technologien und Diensten. Dabei spielt Kyndryl Bridge eine Schlüsselrolle im Portfolio des Unternehmens. Die im September angekündigte Integrationsplattform soll Kunden das Management ihrer IT-Ressourcen erleichtern, wobei gleichermaßen hauseigene wie auch fremde Tools eingebunden werden können.

"Als das Unternehmen aus den Startlöchern kam, musste das Management zwei Dinge tun", erklärt King. "Es musste mit der Bereitstellung seiner traditionellen Dienste fortfahren, auf die viele Kunden angewiesen sind. Gleichzeitig musste es neue Angebote entwickeln, die der Klientel einen Weg in eine moderne Zukunft weisen." Kyndryl sei zahlreiche strategische Partnerschaften eingegangen, um beiden Aspekten gerecht zu werden. Lösungen wie Bridge zeigten, dass man die eigenen Ressourcen und die von Partnern breit ausschöpfe, um hier voranzukommen.

Ein Börsengang mit Fragezeichen: Als Kyndryl Ende letzten Jahres auf's Parkett drängte, waren sich die Beobachter keineswegs einig über die Perpektiven des IBM-Spin-offs.
Ein Börsengang mit Fragezeichen: Als Kyndryl Ende letzten Jahres auf's Parkett drängte, waren sich die Beobachter keineswegs einig über die Perpektiven des IBM-Spin-offs.
Foto: Kyndryl

Eine Schlüsselrolle soll Kyndryl Bridge spielen

Mit Bridge verfolgt Kyndryl das Ziel, für Kunden die Integration verschiedener Umgebungen, einschließlich Cloud-, Multi-Cloud-, On-Prem- und Edge-Umgebungen, über eine zentrale Plattform beherrschbar zu machen. Dafür werden Tools und auch Experten bereitgestellt, die sich auf so verschiedenen Themengebieten wie Cloud Computing, Daten-Management und KI, IT-Sicherheit und Mainframe-Modernisierung auskennen. "Im Laufe der Zeit wird Bridge immer weiter expandieren", prognostiziert CEO Martin Schroeter. Geplant seien Self-Service-Funktionen und SaaS-Dienste, die auf eigenen Technologien und denen von Partnern basierten.

Ein weiterer Wachstumsbereich, soll das Beratungsgeschäft werden, in dem das Unternehmen mit der Marke Kyndryl Consult unterwegs ist. Schon jetzt seien die Vertragsabschlüsse rund um Consulting im Vergleich zum Vorjahr um 62 Prozent gestiegen. Konsolidiert in der Kyndryl Consult werde sich das Wachstum weiter beschleunigen. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Bridge-Plattform in diesem Geschäft eine Schlüsselrolle spielen wird. Man werde den Kunden tiefe Realtime-Einblicke in ihre Infrastruktur ermöglichen, so dass komplexe Vorhaben wie die Einrichtung von sicheren Multi- und Hybrid-Cloud-Welten beherrschbar würden.

Fähigkeiten in der Mainframe-Modernisierung als Trumpf

Erwartungsgemäß spielt der Mainframe im Kalkül des Kyndryl-Managements eine wichtige Rolle. Hier setzt man auf Modernisierung. So hat Kyndryl seine Partnerschaft mit Microsoft erweitert, um Mainframe-Konnektivität mit Cloud-Anwendungen und -Workloads zu ermöglichen. Die Erweiterung verbindet den zCloud-Mainframe-Service von Kyndryl mit der Power Platform von Microsoft. Mainframe-Kunden sollen Microsofts Low-Code- und Workflow-Automatisierungsprodukte nutzen können und einen einfachen Zugang zu Microsoft Azure und Office 365 erhalten.

Ziel ist es also, Mainframe-Umgebungen den Zugriff auf und die Integration mit Cloud-basierten Ressourcen zu ermöglichen. Auch mit Google Cloud hat Kyndryl einen Service angekündigt, um die Migration von Mainframe-Workloads in die Cloud zu unterstützen. "Früher wollten wir Ihnen einen Mainframe verkaufen", sagte Grama, "in diesem Business sind wir nicht mehr." Kyndryls Geschäft sei es nun, Mainframe-Umgebungen zu modernisieren, abzulösen oder Ressourcen vom Großrechner in die Cloud zu verlagern. "Wir kennen uns mit Mainframes aus und wissen, dass es sie noch lange geben wird. Wir können Unternehmen dabei helfen, sie so einzusetzen, wie sie am meisten davon profitieren", so der Manager. (hv)

Der Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Network World.