Strategisches Kundenmanagement

Kundenverhalten mit Analytical CRM voraussagen

09.07.2015
Von 
Dr. Ilias Ortega arbeitet als Lead Manager bei der ELCA Informatik AG in Zürich. Er ist promovierter Betriebswirtschafter der Universität St. Gallen und diplomierter Ingenieur der ETH Zürich.
Die Anzahl der Unternehmen, für die Analytical Customer Relationship Management (Analytical CRM) eine entscheidende Rolle spielt, wächst stetig. Der Grund ist klar: Mit diesem Verfahren können Ziele des herkömmlichen CRM mit den Methoden des Data Mining erreicht werden – unter anderem eine Optimierung des kumulierten Kundenwerts.

Typische Anwendungen für Analytical CRM sind in allen Phasen des Kundenlebenszyklus zu finden. Angefangen von der Akquise über den gezielten Aufbau bis zum Ende der Geschäftsbeziehung. Nachfolgend werden typische Anwendungen entlang des Kundenlebenszyklus beschrieben.

Um ein Unternehmen langfristig für seine Kunden anziehend zu machen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Und diese lassen sich mittels Analysen identifizieren.
Um ein Unternehmen langfristig für seine Kunden anziehend zu machen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Und diese lassen sich mittels Analysen identifizieren.
Foto: Oleksandr Moroz - Fotolia.com

Segmentieren und fokussiert akquirieren

Zu den bedeutendsten Anwendungen des Analytical CRM gehört die Kundensegmentierung. Sie dient dazu, aktuelle oder potenzielle Kunden mit ähnlichen Eigenschaften in Gruppen zu unterteilen. Obwohl die meisten Unternehmen ihre Kunden bereits in Gruppen aufteilen, geschieht dies oft manuell - und nach subjektiven Kriterien. Von einem Data Mining-Algorithmus erstellte Gruppierungen sind zuverlässiger, da sie auf objektiven Daten basieren, die in der Regel aus einem Data Warehouse stammen.

Besonders nützlich, wenngleich weniger verbreitet, ist die Gruppierung nach dem Kundenwert. Diese ergibt sich aus der Differenz zwischen Akquisitionskosten und Einnahmen über die gesamte Lebensdauer. Mit einer wertorientierten Segmentierung lassen sich die Kosten für die Akquisition neuer Kunden reduzieren oder mehr neue Kunden mit gleichem Budget akquirieren. Dies kann zum Beispiel mit zielgerichteten Marketing-Kampagnen geschehen, die ausschließlich auf hochwertige Kunden ausgerichtet sind.

In der Praxis hat sich die Aufteilung von Kunden in drei Kategorien etabliert: Gold, Silber und Bronze. Goldene Kunden machen den Hauptteil des Unternehmensgewinns aus. Sie sollten erhalten bleiben oder weiterentwickelt werden. Silberne Kunden sind nach Möglichkeit in goldene zu überführen - beispielsweise durch Cross-Selling oder Upgrades. Bronzene Kunden sollten zu profitablen Kunden entwickelt oder aufgegeben werden.

Analytical CRM an der Schnittstelle zwischen CRM und Data MiningAnalytical CRM
Analytical CRM an der Schnittstelle zwischen CRM und Data MiningAnalytical CRM
Foto: Trivadis AG

Cross-Selling für steigenden Kundenumsatz

Cross-Selling verfolgt das Ziel, die Kundenprofitabilität zu erhöhen. Dies geschieht oft mit Empfehlungssystemen, die Kunden auf interessante Produkte aufmerksam machen. Ihre Funktionsweise ist einfach: die Empfehlungen werden rechnerisch aus den Gruppen von Produkten hergeleitet, die am meisten gemeinsam gekauft werden.
Online-Shops, wie Amazon, setzen Empfehlungssysteme besonders konsequent um. Deren Erfolg basiert darauf, dass es um ein Vielfaches teurer ist, einen neuen Kunden zu finden, als einem bestehenden Kunden zusätzliche Produkte zu verkaufen.

Churn-Management gegen Kundenverlust

Der Fachbegriff Churn bezeichnet den prozentualen Kundenanteil, den ein Unternehmen pro Periode verliert. Bei Banken und Versicherungen liegt der jährliche Churn zwischen 10 und 30 Prozent. Dagegen helfen Maßnahmen wie das Churn-Management. Dessen Umsetzung erweist sich jedoch in der Praxis oft als schwierig - kündigen Kunden die Zusammenarbeit doch aus verschiedensten Gründen. Dazu zählen Unzufriedenheit mit dem Produktangebot, Ende der Dauer eines Sonderangebots, ungünstige wirtschaftliche Entwicklung, Umzug ins Ausland sowie zahlreiche weitere Gründe.
Die Abwanderung von Kunden lässt sich nie vollständig vermeiden. Zur frühzeitigen Erkennung ist jedoch die Verfolgung von Frühwarnindikatoren sinnvoll. Bei Banken haben sich Churn-Indikatoren wie Wechselandrohungen und Beschwerden, die Einstellung von regelmäßigen Kapitalflüssen wie Lohnzahlungen und Daueraufträgen bewährt.

Die Indikatoren lassen sich jedoch nicht rechnerisch durch einen Data Mining-Algorithmus ermitteln, sondern werden empirisch identifiziert - beispielsweise anhand von Interviews mit ehemaligen Kunden oder durch Auswertung von Reklamationsdatenbanken. Doch auch ausgefeilte Verfahrensweisen haben in der Praxis ihre Tücken, denn Churn findet zumeist schrittweise statt und ist nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Der Trend dazu lässt sich jedoch in vielen Fällen mit Hilfe spezieller Data Mining-Algorithmen frühzeitig erkennen. Pro Kunde werden so typische Muster von Churn-Sequenzen sowie deren Wahrscheinlichkeit ermittelt. Stehen die Zeichen auf Kündigung, kann mit gezielten Maßnahmen gegengesteuert werden. Da nur Kunden angesprochen werden, die einen gesetzten Risikowert erreichen, bleibt der Aufwand für die Churn-Prävention relativ gering und ist auch für kleinere Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll attraktiv. In seiner einfachsten Form ergibt sich der Risikowert pro Kunde aus dem Produkt von Churn-Wahrscheinlichkeit (Churn-Risiko) und dem durchschnittlichen Gewinn pro Periode.