Digitalisierung an der New Yorker Börse

Künstliche Intelligenz ersetzt Wall-Street-Analysten

17.11.2015
Von 
Harald Weiss ist Fachjournalist in New York und Mitglied bei New York Reporters.
Der Digitalisierung fielen in den letzten Jahren bereits viele Berufe zum Opfer. Inzwischen gelten auch die gut ausgebildeten und teuren Finanz-Experten der Wall Street als massiv Digitalisierungs-gefährdet.
Werden die Finanz-Analysten der Wall Street bald durch Kollege Computer ersetzt?
Werden die Finanz-Analysten der Wall Street bald durch Kollege Computer ersetzt?
Foto: Sean Pavone - shutterstock.com

Viele Finanz-Analysten an der Wall Street verdienen mehrere Hunderttausend Dollar im Jahr. Selbst wer frisch von der Uni kommt, startet häufig schon mit 100.000 Dollar oder mehr. Und noch vor zwei Jahren kamen zwei Oxford-Professoren in einer Studie zu dem Ergebnis, dass der Job eines Finanz-Analysten sicherer sei, als 70 Prozent aller betrachteten Berufsbilder.

Die Hauptarbeit dieser Top-Verdiener besteht darin, die Finanz- und Wirtschafts-Aussichten eines Unternehmens zu erfassen und daraus Handlungsempfehlungen für Aktionäre zu erstellen. Große Brokerhäuser verschicken im Jahr über 30.000 solcher Research-Notes an ihre Kunden. Das hört sich nach teurer manueller Fließbandarbeit an - und genau das ist es auch. Damit aber bietet sich eine Automatisierung förmlich an. Das aber bedeutet, dass nach dem Reisekaufmann, dem technischen Zeichner, der Sekretärin, dem Taxifahrer und vielen anderen auch bald die teuren Wall-Street-Analysten der Digitalisierung zum Opfer fallen.

Maschinenlesbare Informationen

Maschinenlesbare Quartalsberichte soll künftig der Computer analysieren.
Maschinenlesbare Quartalsberichte soll künftig der Computer analysieren.
Foto: Ismagilov - shutterstock.com

Angefangen haben die Automatisierungsbestrebungen schon vor einigen Jahren, als die börsennotierten Unternehmen gezwungen wurden, ihre Quartals- und Jahresberichte nicht nur als Fließtext einzureichen, sondern zusätzlich auch maschinenlesbare Tabellen (beispielsweise Excel) als Anlage beizufügen. Ein wesentlicher Meilenstein war die Definition und sukzessive Einführung von XBRL an vielen großen internationalen Börsen. XBRL-Berichte können nicht nur direkt übernommen werden, sondern sie bieten darüber hinaus auch die Möglichkeit, den Finanzbericht automatisch nach verschiedenen Kriterien auszuwerten.

Der Computer als Analyst

Inzwischen gibt es eine Reihe an Startups, die aus maschinenlesbaren Börsenmeldungen in Fast-Echtzeit komprimierte Nachrichten erstellen, die sich wie eine normale Finanz-Meldung lesen. Firmen wie Narrative Science, Automated Insights, Yesop, Capital Cube und Kensho Technologies erstellen seit zwei bis drei Jahren derartige Finanzmeldungen für die News-Kanäle von Yahoo, der US-Versicherung Allstate und für die Nachrichtenagentur Associated Press.

Die KI soll künftig die Anlegestrategie festlegen.
Die KI soll künftig die Anlegestrategie festlegen.
Foto: Rawpixel - shutterstock.com

Diese Verfahren wurden in jüngster Zeit erheblich ausgebaut. Narrative Science greift heute nicht nur auf die Börsenmeldungen zu, sondern nutzt auch viele allgemein zugängliche Wirtschaftsdatenbanken sowie eigene Unterlagen aus früheren Analysen und Berichten. Das alles wird mit modernen Analyse-Tools bearbeitet und heraus kommen dann fertige Power-Point-Präsentationen oder umfassende Analyse-Berichte, in denen die finanzielle Situation eines Unternehmens mit Grafiken, Tabellen und Texten eingehend dargestellt wird.