Die Coronakrise und ihre Folgen beherrschten auch auf Microsofts Business- und Entwicklerkonferenz Ignite die Bühne. Die Welt sei Anfang dieses Jahres fast zum Stillstand gekommen, sagte CEO Satya Nadella zum Auftakt. Es sei die hier zum virtuellen Event versammelte Community gewesen, die dabei geholfen habe, die Welt am Laufen zu halten.
"Noch nie war die Dringlichkeit der digitalen Transformation so groß wie heute", betonte der Microsoft-Chef. Der Schlüssel, die aktuellen wie auch künftige Herausforderungen und Krisen zu meistern, liege darin, wie gut es den Unternehmen gelinge, neue Technik in ihren Betrieb zu integrieren sowie digitale Fähigkeiten innerhalb ihrer Organisationen aufzubauen.
Microsoft habe Lösungen entwickelt, die dies ermöglichten, warb Nadella. "Wir sind das einzige Unternehmen, das über einen kompletten Technologie-Stack verfügt, der sowohl die Einführung von Technik als auch den Aufbau von technischen Fähigkeiten unterstützt." Unter dieser Prämisse baut der Softwarekonzern weiter an seinem Portfolio. Die Ankündigungen auf der Ignite machten deutlich, dass es Microsoft dabei vor allem um zwei Dinge geht: Den eigenen Stack mit neuen Funktionen und Services zu erweitern sowie die einzelnen Bestandteile enger miteinander zu verzahnen.
Das Fundament dafür bildet Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure. Nadella sprach einmal mehr vom "Weltcomputer". Der Microsoft-Chef versprach, alle Barrieren zu beseitigen, die Anwendern auf dem Weg in die Cloud im Wege stehen. Sämtliche Anforderungen, was Datenhaltung und -schutz, Souveränität und regulatorische Vorgaben angehe, würden berücksichtigt. Nadella verwies auf die mittlerweile 61 Rechenzentrumsregionen von Microsoft, "mehr als jeder andere Anbieter" aufbringen könne.
Ignite 2020: Azure Stack für verteiltes Computing
Dabei soll es nicht bleiben. Microsoft will Azure breiter in die Fläche bringen, über die eigentliche Cloud hinaus. Den Azure Stack können Anwender bereits im eigenen Rechenzentrum laufen lassen und so hybride Landschaften betreiben. Mit Azure Edge Zones und Azure IoT soll nun auch der Netzwerkrand sowie das Internet of Things (IoT) mit eingebunden werden. "Wir treiben ein neues Modell des verteilten Computing voran", kündigte Nadella an. Anwendern versprach er eine konsistente IT-Infrastruktur von der Cloud bis ins Edge. Computing soll näher an die Orte heranrücken, wo die Daten entstehen, lautet das Ziel des Softwarekonzerns.
Im vergangenen Jahr hatte Microsoft mit Azure Arc eine zentrale Verwaltungs- und Steuerungsplattform für den digitalen Unterbau in Anwenderunternehmen vorgestellt. Diese umfasst neben der Microsoft-Cloud auch On-premises-Infrastrukturen und Clouds von Drittanbietern wie AWS und Google. Neu integriert werden in Arc Microsofts Azure Data Services. Damit ließen sich Datenanalysen über verschiedene Infrastrukturen hinweg ausbreiten. Beispielsweise soll Azure SQL Edge Anwendern das Daten-Handling direkt im Umfeld von IoT-Devices erlauben.
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Nadella betonte, dass gerade die Corona-Pandemie gezeigt habe, wie wichtig es sei, große Mengen an Daten möglichst in Echtzeit auswerten zu können - beispielsweise um zu lernen, wie das Virus funktioniert und entsprechend Impfstoffe zu entwickeln, oder Lieferketten in Krisensituationen aufrecht zu erhalten. Microsoft offeriert dafür den Service Azure Synapse. Damit sollen sich dem Anbieter zufolge Datenmengen im Petabyte-Umfang analysieren lassen. Beispielsweise habe der indische E-Commerce-Anbieter Myntra damit 450.000 gleichzeitige Nutzer auf seiner Handelsplattform mit personalisierten Shopping-Empfehlungen versorgen können, berichtete Nadella.
Microsoft: Alles dreht sich um Teams
Im Frontend entwickelt sich Microsofts Collaboration-Tool Teams mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt des Future Workplace. Die Kultur der Arbeit habe sich radikal verändert, konstatierte Nadella. Microsoft wolle mit Teams eine zentrale Plattform für die Zusammenarbeit in jeder Organisation schaffen. "Arbeit beginnt und endet nicht innerhalb einer Sitzung", so der Microsoft-Chef. Das Tool soll den gesamten Arbeitsablauf begleiten - vor, während und nach dem Meeting. Der Funktionsumfang rund um Besprechungen, Anrufe, Chats, die inhaltliche Zusammenarbeit mit Office und Geschäftsprozess-Workflows soll weiter ausgebaut werden, kündigten die Verantwortlichen des Softwareherstellers an.
Zur Ignite wurde beispielsweise eine Kooperation mit ServiceNow bekannt gegeben. So sollen sich künftig Workflows direkt aus Teams in der ServiceNow-Plattform anstoßen lassen, beispielsweise das Stellen von Tickets im IT Service Management (ITSM). Mit derartigen Integrationen dürfte sich Teams immer tiefer im Prozess-Management der Anwenderunternehmen verankern.
Mit "Sharepoint Syntex" hat Microsoft außerdem einen neuen Service für Microsoft 365 - hier fasst der Konzern Produkte wie zum Beispiel Windows, Office, aber auch Teams zusammen - angekündigt. Der Dienst, der aus dem im vergangenen Jahr angekündigten Project Cortex hervorging, soll Anwenderunternehmen das Handling von Dokumenten erleichtern. Mit Hilfe des KI-Service könnten Nutzer benötigte Informationen schneller finden, verspricht der Anbieter.
Dabei lernt das Tool anders als herkömmliche Machine-Learning-Algorithmen, die meist aufwendig mit großen Datenmengen trainiert werden müssten. Naomi Moneypenny, verantwortlich für die Produktentwicklung im Project Cortex, demonstrierte, wie Anwender Syntex mit Hilfe von nur wenigen Beispieldokumenten anlernen könnten.
Das Verarbeiten von Dokumenten innerhalb der Microsoft-Cloud funktioniere innerhalb weniger Minuten, sagte Moneypenny. Ein Projektmanager könnte mit Syntex ein KI-Modell zum Auffinden von Informationen innerhalb einer Stunde bauen. Syntex werde ab Oktober verfügbar sein, hieß es. Weitere Cortex-Dienste sollen folgen, beispielsweise um andere Inhalte, aber auch Personen beziehungsweise bestimmte Skills innerhalb der eigenen Organisation einfacher zu finden.
Microsoft Defender: Mit KI gegen Hacker
Einen weiteren Schwerpunkt legte Nadella zur Eröffnung der Ignite auf das Thema Sicherheit. Der Microsoft-CEO sprach von einer strategischen Priorität für jedes Unternehmen, die im Zuge von Remote Work noch wichtiger geworden sei. Eigenen Angaben zufolge untersucht Microsoft Tag für Tag rund acht Billionen Security-Signale. Auf Basis der Analyse der daraus resultierenden Daten erweitert Microsoft seine Security-Plattform. Nadella kündigte an, stärker auf KI zu setzen, um den immer raffinierteren Methoden der Hacker entgegen zu treten.
Beispielsweise gehe es darum, in Echtzeit die Risiken von Authentifizierungsanfragen zu evaluieren. Die eigenen Algorithmen würden laufend trainiert, um die User-Accounts der eigenen Kunden abzusichern. Täglich könnten so beispielsweise rund 80 Millionen breit gestreute Angriffe mit Standardpasswörtern wie 123 geblockt werden.
Microsoft fasst seine Security-Produkte für Azure und Microsoft 365 unter der Marke "Defender" zusammen. Neue Konnektoren und APIs sollen dabei helfen, auch Drittplattformen wie Android und iOS sowie Container- und IoT-Umgebungen unter dem Schutzschild zusammenzufassen. Ein Compliance Manager soll Anwenderunternehmen dabei unterstützen, ihre IT-Infrastruktur unter Datenschutzgesichtspunkten regelkonform aufzustellen. Darin enthalten seien 150 Out-of-the-box-Assessments.
Ignite 2020: Nadella mahnt
Zum Abschluss seiner Keynote erinnerte Nadella an die Verantwortung der Tech-Branche weltweit. "Die Technologie, die wir bauen, muss allen Menschen auf dem Planeten zugutekommen", so der Microsoft-CEO. "Unser Ziel und unsere Handlungen müssen immer darauf ausgerichtet sein, zur Lösung der Herausforderungen der Welt beizutragen, nicht neue Herausforderungen zu schaffen."
Der Manager mahnte, Vertrauen in Technologie und deren Nutzung aufzubauen, und sprach dabei konkret eine verantwortungsvolle und transparente Nutzung von KI an. Außerdem gelte es, die Grundrechte der Menschen wie auch die Demokratie selbst zu verteidigen. Nadella kritisierte vor allem Ungerechtigkeiten im Umgang mit Minderheiten und bestimmten Bevölkerungsgruppen.
In Sachen Umweltschutz hat sich Microsoft zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 wasser-neutral zu arbeiten, also den eigenen Wasserverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und dafür zu sorgen, als gesamtes Unternehmen mehr Wasser wieder in den Kreislauf zurückzuführen, als verbraucht wird. "Wir müssen die begrenzteste Ressource, die wir haben, schützen", appellierte der Manager an sein Publikum, "unseren Planeten".