In der Vergangenheit hat es sich vielfach gelohnt, mit dem Strom zu schwimmen, gezielt selektive Kommunikation zu betreiben. Belohnt wurde das jeweilige politische Geschick, Kompetenz und Erfahrung waren größtenteils eher sekundär und häufig nicht erfolgskritisch für die Karriere. Es regierten Netzwerke von konformen Ja-Sagern mit jeweils ähnlicher Biographie, in denen nicht derjenige aufstieg, der Risiken einging und Dinge in Frage stellte, sondern der, der mitschwamm und Risiken vermied. Diversity? Fehlanzeige.
Das Ergebnis waren unter anderem fehlende Transparenz und Innovationskultur sowie die vielen bedenklichen Entwicklungen in den Unternehmenskulturen, die in den vergangenen Jahren etwa im Banken- oder Automobilbereich immer immer wieder für Skandale sorgten. Eine weitere "Karrierewaffe" bestand zudem in konsequentem Bunkern von wichtigen Informationen, um deren Exklusivität aufrecht zu erhalten, sowie der selektiven Weitergabe an die "Karriereunterstützer", die sich eine Hierarchiestufe höher befanden. Zwar wurde gerne vordergründig nach "Unruhestiftern" und "Entrepreneuren" gerufen - aber diese wurden in der Regel vom "Konformitäts-Immunsystem" schnell wieder abgestoßen.
Social Media verändert die Unternehmenskultur
In den vergangenen Jahren ist jedoch eine Veränderung zu beobachten. Seit Social-Media-Plattformen im Unternehmenseinsatz an Akzeptanz gewinnen und nicht mehr nur dem Austausch von belanglosen Informationen wie Restaurantempfehlungen dienen, sondern zur wirklichen Wissensweitergabe und -anreicherung, gewinnen plötzlich Personen an Bedeutung, die wirklich etwas wissen: die teilweise schon vergessene Spezies der Experten!
In der Vergangenheit häufig aufgrund ihres politischen Ungeschicks oder Karriere-Desinteresses belächelt, bekommen Personen eine Bühne, welche die vergangenen Jahre ihres Berufslebens nicht mit Intrigen, sinnlosen, aber politisch wichtigen, Meetings und Calls auf dem politischen Schlachtfeld verbracht haben, sondern mit der konsequenten Anwendung und Weiterentwicklung ihres Wissens. Dann zählen plötzlich Fragen wie: "Hast Du das denn schon mal gemacht? Hast Du Erfahrung mit… ?" Und nicht: "Hast Du dir den tollen Speaker angehört? Bist du im überteuerten Management-Seminar gewesen?"
Die persönliche Marke und Reputation speist sich nun plötzlich aus dem jeweiligen Knowledge-Beitrag – maximal transparent und ohne zeitlichen Verzug bewertbar. Ein toller Effekt, denn Corporate-Social-Media-Plattformen bieten auch rhetorisch nicht so geschliffenen argumentierenden, zurückhaltenden Personen eine Möglichkeit, Gehör zu finden. Karrieren können in diesem Kontext völlig neu geschrieben werden - wer gestern noch als Nerd abgestempelt wurde, ist plötzlich der umlagerte Shootingstar, dessen Know-how zählt, und nicht sein politisches Geschick. Dies ist mitunter die Voraussetzung dafür, im digitalen Zeitalter zu überleben. Dabei fasst es der Satz: "Ideas are the currency of the 21st century" sehr schön zusammen. Neue Ideen benötigen Know-how, den Mut, "anders sein" zu dürfen, neue Wege beschreiten zu dürfen und dabei auf dem jeweiligen Know-how des Unternehmens aufsetzen zu dürfen ("build on the ideas of others").
Zwar sind wir vielfach noch weit davon entfernt, dass Organisationen sich neu ausrichten und Expertenkarrieren ein ebenbürtiger Platz zu "Managementkarrieren" geboten wird – aber erste, zarte Pflänzchen sind erkennbar. Die Erfahrung zeigt dabei allerdings, dass eine ganze Reihe an Voraussetzungen geschaffen werden muss, um der "Knowledge-Society" und den "Open-Ansätzen" einen festen Platz im Unternehmen einräumen zu können und dadurch eine Chance zu erhalten, in die Liga der innovativen Unternehmen aufsteigen zu können. Davon seien einige hier nur kurz und ohne Anspruch auf Vollständigkeit angerissen. Auf technische Details, Tool-Empfehlungen und ähnliches möchte ich hier bewusst verzichten - dazu gibt es ja ausreichend Material.
1. Nicht nur für Informationen austauschen, sondern zusammenarbeiten
Ein häufiger Fehler beim Thema "Corporate Social Media & Collaboration Plattform" besteht aus meiner Sicht darin, dass versucht wird, die alten, angestaubten Intranet-Kommunikationskanäle nachzubilden. Der Fokus sollte dagegen darin bestehen, Mitarbeiter zum Austausch von Know-how zu motivieren und die "Kraft der Community" dazu zu nutzen, dieses gemeinsam weiterzuentwickeln.
- Zusammenarbeit
Die Nutzung von Social Collaboration in deutschen Unternehmen will die Technische Universität Darmstadt ab sofort regelmäßig untersuchen. In Kooperation mit dem Berater Campana & Schott entstand jetzt der erste Band einer „Deutschen Social Collaboration Studie“. - Reifegradmodell
Die Forscher legen ein dreistufiges Reifegrad-Modell zugrunde, wobei Stufe 3 einem möglichst weit digitalisierten Unternehmen entspricht. Aktuell stehen deutsche Unternehmen im Schnitt bei einem Wert von 1,24. - Vier Idealtypen
Je nach Arbeitspraxis entspricht ein Unternehmen einem von vier Idealtypen. - Firmenkultur
Das, was ein Unternehmen zusammenhält, prägt seine Kultur. Auch hier entwerfen die Forscher vier Idealtypen. - Effizienz
Die Forscher sehen den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Collaboration und der Effizienz eines Unterehmens als belegt an.
Dies erfordert Prozesse und Anreizsysteme wie sie etwa Gamification bietet, die dazu führen, dass Mitarbeiter ihr (Herrschafts-)Wissen bereitwillig teilen und das Gefühl erhalten, Know-how-Austausch lohne sich. Neben dem Know-how-Auf- und Ausbau wird zudem häufig vergessen, dass diese Plattformen auch ein Ort der Zusammenarbeit sein sollen, um Know-how gemeinsam zu bearbeiten und zu erweitern. Im besten Fall mit einer möglichst diversen Gruppe, die externer Partner mit einschließt. Wird dies bei der Toolauswahl nicht berücksichtig, treten a) nicht die gewünschten Effekte ein und b) muss kostspielig nachgebessert werden.
2. Regeln klar kommunizieren und vermitteln
Als überzeugter Anhänger der New-Work-Bewegung stehen für mich die Themen Agilität und Flexibilität der Zusammenarbeit in modernen Organisationen absolut im Vordergrund. Ein Trugschluss in diesem Zusammenhang ist häufig, dass man weniger Regeln benötigt und sich am Ende im "regelfreien Raum" (soll heißen: Chaos) bewegt.
Dies ist definitiv nicht der Fall. Offenheit, maximale Flexibilität und Individualisierung der Arbeit erfordern sehr klare Regeln inklusive eines Konsequenzenmanagements - gerade damit tun wir uns ja häufig sehr schwer – insbesondere dann, wenn Verhaltensänderungen herbeigeführt werden sollen. So bedarf es beim Thema Social-Media-Nutzung für Knowledge-Sharing klarer Regeln - unter anderem auch dafür, was die Qualität des ausgetauschten Know-hows und Zusammenarbeitsregeln betrifft. Sonst endet man schnell im "Posten von Belanglosigkeiten".
3. Vorbild sein
Ja ich weiß - nicht schon wieder: Das Management als Vorbild. Leider doch - wenn auch hier nur in Kürze. Wenn die Geschäftsleitung-/der Vorstand das Thema "Knowledge-Aufbau auf der Social-Media Plattform" nicht konsequent mitbetreibt und stattdessen versucht, dass alte, machtpolitische Geflecht und Verhalten zu konservieren, werden die enormen Potenziale nicht genutzt werden können. Zudem wird dann den Experten der Mut fehlen, in Erscheinung zu treten und den Mut aufzubringen, ihr Know-how aktiv zu teilen.
Ein weiterer Standard im Social-Media Zeitalter: erzeugen Sie eine "Bewegung der Freiwilligen". Ein schönes Beispiel sind hier aus meiner Sicht die Social-Media Botschafter der Deutschen Telekom AG, die sich für einen offenen Austausch von Informationen auf der Corporate-Plattform einsetzen, als Ansprechpartner bei Fragen zur Verfügung stehen und den gemeinsamen Know-how-Aufbau (Open-Crowd- Ansatz) durch Online- und Offline-Formate, etwa Barcamps, befeuern.
4. Leistungsbeurteilungen anpassen
Am Ende geht alles um Geld … nein, nicht ganz richtig: vielmehr um Wertschätzung. Räumen Sie daher dem Thema Know-how-Aufbau und -"Sharing" einen prominenten Platz in ihrem Beurteilungssystem ein - gute Erfahrungen haben wir hier mit einem qualitativen Beurteilungsblock "Knowledge" gemacht.
5. Neue Karrierepfade aufbauen
Wie bereits vielfach erwähnt ist es entscheidend, dass Thema "Knowledge" auch im Karrieremodel in einem "Experten-Pfad" abzubilden, bei dem das Thema "Führungsaufgabe" optimal und nicht verpflichtend ist. Führung sollte hier eher als eine Rolle gesehen werden, die sich je nach Tätigkeit ändern kann. So kann man einmal als Leiter, ein anderes Mal als Mitarbeiter eines Projekts fungieren. Expertenpfade wurden vielfach in der einschlägigen HR-Fachpresse diskutiert – entscheidend ist hierbei, das Thema wirklich umzusetzen und möglichst von Beginn an auch auf der Top-Entscheiderebene zu verankern.
6. "Role Models" eine Bühne bieten
Aus meiner Sicht ist bei allen Veränderungsprozessen entscheidend, dass Personen, die sich idealtypisch verhalten – und zwar authentisch! – eine Bühnn geboten wird, auf der sie Gehör erhalten. Häufig werden Willensbekundungen ausgesprochen und anschließend fehlt die Traute, gewünschtes Verhalten auch öffentlich zu würdigen und einzelne Personen hervorzuheben. Letztlich ist das aber ein wesentlicher Faktor, denn Nachahmung ist ja gerade zu Beginn entscheidend.
7. Einfach mal machen!
Doch an dieser Stelle erst einmal genug der in vielen Kontexten ja bereits adressierten Empfehlungen und "Erfolgsfaktoren". Der Beitrag soll letztlich nur als Denkanstoß dienen und nicht als vollständige Handlungsanweisung - die liest im Social-Media Zeitalter ja eh niemand mehr.
Denn letztlich gilt auch hier: einfach machen und anfangen! Und eben nicht im politischen Wirrwarr totdiskutieren, sondern dem Thema "Knowledge-Sharing" und "Expertentum" einen festen Platz und klare Perspektiven bieten. Nur so lassen sich Unternehmen im "Digital War" auch langfristig nachhaltig als attraktiver Arbeitgeber platzieren für die, die zukünftig noch viel mehr den Unterschied machen werden, als Technologie oder Assets: Ihre Talente! (haf)