Kräfte aus ganz unterschiedlichen Richtungen zerren an den Cloud-Startups und beuteln die internationale Szenerie. Das spiegelt sich auch in der aktuellen Forbes Cloud 100 Liste wider, die 2023 bereits zum 8. mal veröffentlicht wurde.
Auf der einen Seite weht den wachstumsverwöhnten Startups angesichts der vielen weltweit verteilt schwelenden Finanzkrisen ein spürbarer makroökonomischer Gegenwind ins Gesicht. Deshalb agieren viele Anwenderunternehmen deutlich vorsichtiger, was IT-Investitionen anbelangt. Auch bei den Finanziers und Fonds sitzt das Geld längst nicht mehr so locker wie in den Jahren zuvor.
Auf der anderen Seite geht mit Generative AI gerade ein neuer Stern am IT-Himmel auf. Experten sehen bereits ein neues KI-Zeitalter heraufziehen, das einen regelrechten Boom an neuen Lösungen und damit verbundenen Geschäften auslösen könnte. Goldgräberstimmung macht sich breit. Die Turbulenzen schütteln die Startups kräftig durch und wirbeln auch das Forbes-Ranking ordentlich durcheinander.
Königsmacher Generative AI
Von null auf Platz eins - Neueinsteiger OpenAI, Entwickler von ChatGPT, schaffte ein beispielloses Debüt in der Geschichte der Top-100-Listen des Finanzmagazins. Mit Anthropic (73), Midjourney (83) und Hugging Face (98) schafften es drei weitere Startups aus dem Gen-AI- und Large-Language-Model- (LLM-)Umfeld in die Liste.
Forbes Cloud-Rankings der vergangenen Jahre:
Im Fahrwasser dieser KI-Aufsteiger gelang es auch Startups aus angrenzenden Bereichen sich zu platzieren. Darunter finden sich etwa der Cloud-Security-Anbieter Abnormal Security (80) und der deutsche Übersetzungsdienst DeepL (100). Mehr als die Hälfte der im Cloud-100-Ranking vertretenen Startups hat bereits Gen-AI-Funktionen in seine Produkte eingebaut, schreiben die Studienautoren.
Weniger Neuzugänge
Insgesamt gab es 2023 jedoch weniger Neueinsteiger als in den vergangenen Jahren. 16 waren es in diesem Jahr, 2022 kamen noch 20 neu hinzu, im Jahr zuvor platzierten sich sogar 29 Startups neu in der Top-100-Liste.
Dafür gab es innerhalb des Rankings mehr Bewegung. Acht Anbieter verbesserten sich um 30 Plätze oder mehr. Wiz auf Rang 15 kletterte im Vergleich zur Vorjahresliste sogar um 67 Positionen nach oben. Ebenfalls acht Unternehmen verschlechterten sich aber auch um 30 Plätze oder mehr.
Angesichts der wirtschaftlich zunehmend unsicheren Zeiten wagen sich die Cloud-Startups nicht mehr aufs Börsenparket. Hatten sich aus dem letztjährigen Ranking noch elf Startups mit einem Initial Public Offering (IPO) verabschiedet, gab es im diesjährigen keinen einzigen Börsenabgänger. "Niemand will der Erste sein, der den Sprung ins Wasser wagt", zitiert Forbes Peter McKay, CEO von Snyk (Nr. 19). "Ich weiß nicht, ob es eiskalt oder kochend heiß ist - deshalb werde ich andere Unternehmen vorher gehen lassen."
Klinkenputzen abseits der Börse
Der vermeintlich sichere Hafen abseits des Börsenparketts hat jedoch auch seine negativen Seiten. Startups müssen sich frisches Geld besorgen - und das hat seinen Preis, gerade wenn die Zeiten unruhiger und schwieriger werden.
Das Fintech Stripe, das in den vergangenen Jahren immer wieder als heißer Kandidat für einen Börsengang gehandelt wurde, hatte im März dieses Jahres eine weitere Finanzierungsrunde in Höhe von 6,5 Milliarden Dollar angekündigt. Die daraus resultierende Bewertung des Gesamtunternehmens lag bei 50 Milliarden Dollar. Damit ist das 2009 gegründete Cloud-Startup zwar deutlich mehr wert als beispielsweise der deutsche Chemiekonzern BASF. Allerdings lag die Bewertung von Stripe im Jahr zuvor mit 95 Milliarden Dollar fast doppelt so hoch.
Noch eine weitere Beobachtung fällt negativ auf. Unter den Führungskräften der Cloud-Startups fehlt es nach wie vor an Vielfalt - nur sechs Unternehmen auf der Liste haben eine Frau als CEO, im letzten Jahr waren es noch acht - auch keine rühmliche Zahl.
Gewinner und Verlierer
Gemeinsam mit Bessemer Venture Partners und Salesforce Ventures hat eine Jury die Unternehmen für die Forbes Cloud 100 anhand verschiedener Kriterien bewertet. Das geschah nicht nur auf Basis der Firmenbewertung, sondern auch anhand von Faktoren wie Wachstum, Umsatz, Kultur und Reputation. Das sind die Top Ten der Forbes Cloud 100 im Jahr 2023, die zusammengerechnet auf eine Marktkapitalisierung von knapp 217 Milliarden Dollar kommen - im vergangenen Jahr waren es noch über 250 Milliarden Dollar:
Rang | Firma | CEO | Land | Beschäftigte | Wert (Mrd. Dollar) | Produkt |
1 | OpenAI | Sam Altman | USA | 500 | 28 | AI Research/Produkte |
2 | Databricks | Ali Ghodsi | USA | 5500 | 38 | Daten-/AI-Plattform |
3 | Stripe | Patrick Collison | Irland/USA | 7000 | 50 | Financial Infrastruktur |
4 | Canva | Melanie Perkins | Australien | 3640 | 40 | Visual Comunication Plattform |
5 | ServiceTitan | Ara Mahdessian | USA | 2564 | 7,5 | Handel/Branchensoftware |
6 | Klaviyo | Andrew Bialecki | USA | 1598 | 9,5 | Marketing Automation |
7 | Grammarly | Rahul Roy-Chowdhury | USA | 900 | 13 | Communication Assistent |
8 | Talkdesk | Tiago Paiva | USA | 1800 | 10 | Contact Center |
9 | Rubrik | Bipul Sinha | USA | 2900 | 3,3 | Data Security |
10 | Miro | Andrey Khusid | Niederlande/USA | 1762 | 17,5 | Digital Collaboration |
Auch das diesjährige Top 100 Cloud-Ranking von Forbes ist deutlich US-lastig. Nur wenige ausländische Gründungen finden sich in der Liste - darunter immerhin fünf deutsche Unternehmen. Auch wenn deren Platzierungen in diesem Jahr schlechter ausfielen, wächst erfreulicherweise die Zahl - 2022 waren es vier deutsche Startups, die es in die Liste geschafft haben, im Jahr zuvor drei.
Das deutsche Quintett
Celonis, das im vergangenen Jahr mit Platz elf noch knapp die Top Ten verpasst hatte, verliert im laufenden Ranking wieder etwas an Boden. Die Marktbewertung der Münchner verbesserte sich zwar von elf auf 13 Milliarden Dollar. Doch insgesamt reichte es in diesem Jahr nur noch für Platz 17. Nichtsdestotrotz kann sich das Gründer-Trio Alexander Rinke, Bastian Nominacher und Martin Klenk freuen. Der Anbieter von Lösungen für Process Mining und Execution Management konnte sich bereits das fünfte Jahr in Folge im Forbes Top 100 Ranking platzieren.
Abgerutscht im Ranking ist auch das 2013 gegründete Startup Contentful. Die Berliner, die sich 2022 noch von Platz 71 im Vorjahr auf Rang 38 verbessert hatten, kommen in der aktuellen Liste nur noch auf Rang 78. Der Anbieter einer Cloud-basierten Content-Management-Plattform wird derzeit mit drei Milliarden Dollar bewertet - wie schon in den beiden Jahren zuvor.
Das wie Celonis aus München stammende Startup Personio hatte 2022 mit einer Bewertung von 8,5 Milliarden Dollar auf Anhieb einen fulminanten Neueinstieg auf Platz 69 in das Forbes-Ranking geschafft. Die Bewertung des 2015 gegründeten Spezialisten für Personalsoftware aus der Cloud blieb im 2023er Ranking gleich. Allerdings reichte es in diesem Jahr nur noch für Rang 88.
Nach hinten durchgereicht wurde auch Mambu. Die Berliner hatten sich im vergangenen Jahr von Platz 77 im Jahr 2021 auf Rang 53 verbessert. Im aktuellen Ranking schaffte die 2011 gegründete Online-Banking-Plattform nur noch Platz 94. Die Bewertung des Startups stagnierte im jahresvergleich bei etwa fünf Milliarden Dollar.
Immerhin schaffte es 2023 noch ein weiteres deutsches Cloud-Startup in die Forbes-Liste. Auf Rang 100 platzierte sich DeepL aus Köln, das mit einer Bewertung von einer Milliarde Dollar Unicorn-Status erreicht. Das 2017 vom polnischen Entrepreneur Jarek Kutylowski gegründete Startup offeriert KI-basierte Übersetzungsservices aus der Cloud. "Von Forbes neben so vielen anderen Innovatoren anerkannt zu werden, ist eine unglaubliche Ehre", freute sich Kutylowski.