Die generative KI hat es 2023 geschafft, als technisches Hardcore-Thema in kürzester Zeit in die Publikumsmedien zu kommen. Für KI-Experten eröffnete sich dadurch die Chance, eine perfekte Welle zu reiten. Und auch viele Unternehmen freuen sich über das vielfältige Potenzial der Technologie. In der Studie "Applied AI 2023", die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit NICE, Lufthansa Industry Solutions und KI Reply umgesetzt haben, wurden von den Befragten insgesamt 16 aktuelle Use-Case-Felder für KI genannt. Angefangen bei Qualitätssicherung und Chatbots über die Automatisierung von Prozessen und die Optimierung der Supply Chain bis zur smarten Produktentwicklung und der Unterstützung in der Produktion. "Die künstliche Intelligenz hat mittlerweile ein Niveau erreicht, auf dem sie in allen Branchen und Bereichen Mehrwert schaffen kann", bilanziert Michael Koch, Director Artificial Intelligence bei Lufthansa Industry Solutions.
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Nach dem KI-Jahr 2023 sei es jedoch an der Zeit, Erfahrungen zu sammeln und den Umgang mit Unsicherheit zu erlernen, fordert Koch: "Wir erleben derzeit eine regelrechte Planungswelle, und es ist absehbar, dass sich 2024 Know-how zum Engpass entwickelt, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden." Eine klare KI-Strategie und eine realistische Markteinschätzung seien die Schlüssel zum Erfolg. Dies umfasse etwa Entscheidungen zum internen oder externen Know-how-Aufbau oder zum Betreibermodell, damit Kontrolle, Privacy and Kosten keine Probleme aufwerfen.
"Die Frage nach dem generellen Nutzen von KI muss man heute jedoch nicht mehr beantworten, allerdings benötigt der konkrete Einsatz im Unternehmen viel Erfahrung", sagt Koch. "Sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext werden KI-Lösungen mittlerweile im Alltag eingesetzt, weil sie für den Nutzer einen Mehrwert liefern - und wir stehen erst am Anfang."
Vom Wollen zum Machen
Auf den neuralgischen Punkt zwischen Wollen und Tun verweist auch Daniel Hummel, Associate Partner von KI Reply. Kein einfacher Schritt: "Trotz der Einführung von Budgets und Strategien in vielen Unternehmen fehlt es oft an klaren Vorstellungen darüber, wie KI konkret zur Wertschöpfung eingesetzt werden kann." Dies könne dazu führen, dass Unternehmen mit kleinen, technisch orientierten Pilotprojekten beginnen, die nicht direkt auf Mehrwert ausgerichtet sind. Die Leistung bestehe nun darin, das Potenzial von KI zu verstehen und sie mit den Geschäftszielen und Herausforderungen eines Unternehmens zu verknüpfen, erläutert Hummel. "Viele Unternehmen erkennen zwar die Möglichkeiten von KI, benötigen aber Unterstützung bei der Umsetzung in konkrete Anwendungsfälle, die einen klaren Mehrwert versprechen."
Als wichtiger Schritt auf diesem Weg wird die rasche Entwicklung von relevanten Pilotprojekten mit aktuellen KI-Tools gesehen. "Es geht darum, schnell Erfolge zu erzielen, die zeigen, wie KI funktioniert und welchen Beitrag sie zum Geschäftserfolg leisten kann." Dies erfordere laut Hummel eine enge Zusammenarbeit zwischen den KI-Experten und den Fachabteilungen, um sicherzustellen, dass die ausgewählten Pilotprojekte wirklich geschäftszentriert und wertorientiert sind. "Darüber hinaus muss die Organisation eine Kultur des Experimentierens und Lernens entwickeln, um den größtmöglichen Nutzen aus diesen Pilotprojekten zu ziehen und KI schrittweise und effektiv in größerem Umfang einzusetzen." Durch iterative Verbesserungen der Pilotprojekte auf der Grundlage des Feedbacks und der erzielten Ergebnisse könnten Unternehmen ihre KI-Initiativen skalieren und einen nachhaltigen Wert schaffen.
Der lange und steinige Weg beginnt erst
Für Michael Koch von Lufthansa Industry Solutions bietet selbst die beste KI-Applikation keinen Mehrwert, wenn sie nicht aktiv genutzt wird. Das Problem: "Wir haben viele der ersten Hürden in Bezug auf Datensicherheit und Privacy überwunden, doch hinsichtlich der rechtlichen Aspekte müssen noch zahlreiche Regelungen in Bezug auf verarbeitete Daten, deren Persistierung sowie die Anforderungen an die IT-Infrastruktur berücksichtigt werden." Auch Zertifizierungen im Bereich KI & Data Analytics, die im Zuge des European AI Acts aufkommen, rückten weitere Handlungsfelder in den Fokus. Hier sei laut Koch ebenfalls nur ein proaktiver Umgang hilfreich: "Eine abwartende Haltung führt dazu, dass Unternehmen bei der hohen Innovationsgeschwindigkeit schnell abgehängt werden."
Wie die Studie "Applied AI 2023" auch zeigt, vertreten Befragte aus den Fachbereichen häufig eine zurückhaltendere Meinung zu KI als Top- sowie IT-Manager. Daher sei es wichtig, so KI-Reply-Partner Hummel, dass die Einführung von KI nicht nur als technische Innovation, sondern als strategische Geschäftsentscheidung gesehen wird. Um IT und Business auf eine Diskussionsebene zu bringen, empfiehlt er, klare Geschäftsziele in den Vordergrund zu stellen, für die KI einen Mehrwert bietet. "Dies hilft, die Diskussion weg von der technischen Implementierung und hin zu den geschäftlichen Auswirkungen zu lenken." Durch interdisziplinäre Teams ließen sich zudem realistische sowie umsetzbare KI-Strategien entwickeln, die sowohl technisch machbar als auch betriebswirtschaftlich sinnvoll seien. Hinzu komme das Teilen von Erfolgsgeschichten, sagt Hummel: "Positive und konkrete Beispiele rund um KI helfen, das Vertrauen in die Technologie in der gesamten Organisation zu stärken."
Erfahrung zählt in der KI-Umsetzung
Ein Tipp noch für die weitere Reise: "Es wird zunehmend wichtig, Personen im Unternehmen zu haben, die den Überblick behalten", rät KI-Experte Koch von Lufthansa Industry Solutions. Zudem sollte man sich gute Informationsquellen erschließen oder auf externe Experten setzen. "Die blinde Einstellung von Data Scientists direkt aus der Universität oder der Aufbau einer eigenen technischen Abteilung ist oft der falsche Ansatz." Denn für funktionierende KI-Applikationen seien Koch zufolge viele Rollen und Skills erforderlich, die sich alleine nur schwer finanzieren lassen. "Zudem fehlt ihnen häufig der Blick für das eigentliche, geschäftliche Ziel."
Unternehmen sehen den Nutzen externer Partnerschaften ähnlich: Laut Studie hat fast die Hälfte der Befragten bei KI-Initiativen auf die Unterstützung von Managed-Service- beziehungsweise Cloud-Providern zurückgegriffen - Systemhäuser, Systemintegratoren und Berater sind ebenfalls gefragt. Für Daniel Hummel bieten strategische Kooperationen Vorteile: "Firmen können KI effizient und zielgerichtet einsetzen, ohne wertvolle Zeit und Ressourcen zu verschwenden."
Dies gelte allerdings nur im Rahmen einer gut durchdachten KI-Strategie, die nicht nur die technischen Möglichkeiten berücksichtigt, sondern auch sicherstellt, dass der Einsatz von KI im Einklang mit den langfristigen Zielen und Werten des Unternehmens steht, so Hummel. "Es geht darum, die richtige Balance zwischen dem Erkennen und Nutzen von KI-basierten Innovationen und dem Festhalten an den Grundprinzipien sowie Stärken des Unternehmens zu finden."
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Studiensteckbrief
Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE
Studienpartner: NICE (Platin), Lufthansa Industry Solutions (Gold), KI Reply
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels
Gesamtstichprobe: 322 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 16. bis 23. August 2023
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern