Hochschulabsolventen

Karrierefalle Bescheidenheit

26.03.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Ein gelungener Karrierestart ist nicht nur eine Frage von Qualifikation, sondern auch von Eigenmarketing. Wer weiß, was er erreichen möchte und das auch klar sagt, ist im Vorteil. Wer zu bescheiden ist, hat das Nachsehen.

Dass falsche Bescheidenheit manchmal fehl am Platze ist, wusste schon Karl Valentin, der es eingängig in die Worte fasste: "Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut". Es beschreibt das Verhalten vieler Bewerber: Sie würden sich gern auf hochkarätige Jobs bewerben, denken aber, dass ihre Qualifikation nicht reicht. Bei genauerem Hinsehen stellt sich meist heraus, dass sie in die Falle "geringes Selbstbewusstsein" getappt sind.

Birgit Zimmer-Wagner, Bewerber Consult: "Je klarer man seine eigene Position vertreten kann, desto besser sind auch das Angebot und die langfristige Entwicklungsperspektive."
Birgit Zimmer-Wagner, Bewerber Consult: "Je klarer man seine eigene Position vertreten kann, desto besser sind auch das Angebot und die langfristige Entwicklungsperspektive."
Foto: Bewerber Consult

Aus ihrer Beratungspraxis weiß Karrierecoach Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult: "Gerade Hochschulabsolventen verlangen sich viel ab und denken, dass es für den Einstiegsjob beziehungsweise Karrierestart immer noch nicht reicht." So auch die Absolventin eines internationalen MBA-Studiums, die fünf Sprachen spricht und in Asien, Russland und Amerika studierte und vor ihrem Studium eine Berufsausbildung abschloss. Sie fragte sich, ob ihre Abschlussnote "gut" nicht eigentlich "zu schlecht ist, denn es gibt bestimmt Leute, die besser sind als ich". Die erste Initiativbewerbung brachte der MBA-Absolventin gleich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Dennoch war sie sich nicht sicher, welches Gehalt sie verlangen könne, schließlich habe sie ja "noch nicht viel" Erfahrung. Ihre Berufsausbildung vergaß sie dabei ebenso wie die Tatsache, dass sie sich auf ein klassisches Traineeprogramm für Hochschulabsolventen beworben hat, und daher niemand von ihr zehn Jahre Erfahrung forderte.

Eine solche Zurückhaltung ist in den Augen von Zimmer-Wagner nicht nötig: " Hochschulabsolventen und High Potentials finden einen guten Markt, denn Absolventen werden in der globalisierten Jobwelt immer gefragter. Deutschland liegt nach einer Studie der OECD bei der Zahl der Akademiker an der Gesamtbevölkerung sehr weit hinten, die anvisierte Zahl, dass 30 Prozent der Bevölkerung ein abgeschlossenes Studium aufweisen sollten, liegt in weiter Ferne." High Potentials haben darum auch wenig Probleme, Einladungen für Vorstellungsgespräche zu erhalten. Dazu Zimmer-Wagner: " Es geht vielmehr darum, die Erwartungen, die die einladende Firma aus den Bewerbungsunterlagen gewonnen hat, im Gespräch auch zu bestätigen." Hier kann zum Beispiel ein Coaching mit Videotraining helfen. Dadurch kann sich die fünfsprachige MBA-Absolventin klar darüber werden, was sie erreichen will, welche Ideen sie einbringen möchte, wie sie ihre Karriere starten will und welche (Soft-)Skills sie für die Firma gewinnbringend umsetzen kann. "Dann passen Eigenbild und Fremdbild zusammen und die Einstellungschancen steigen", schlussfolgert Zimmer-Wagner.

Schließlich gehe es für jeden Bewerber darum, den "richtigen Job" zu finden, nur dann lasse sich daraus eine für beide Seiten erfolgreiche Zusammenarbeit entwickeln. Gerade bei Berufseinsteigern kommt dem ersten Job eine wichtige Funktion für die spätere Karriereentwicklung zu. Das ist auch vielen Kandidaten bewusst, sagt die Personalberaterin. Weniger klar sei ihnen jedoch ihr eigenes Profil und ihre individuelle Persönlichkeit, mit Stärken, Schwächen und einer klaren Zielvorstellung. Denn "je klarer man seine eigene Position vertreten kann, desto besser sind auch das Angebot und die langfristige Entwicklungsperspektive", ist Zimmer-Wagner überzeugt.