Der französische Staat als Retter?

Kapitalbedarf von Atos hat sich fast verdoppelt

29.04.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Atos braucht 1,1 Milliarden Euro, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Möglicherweise übernimmt der französische Staat Teile des Unternehmens und rettet so den IT-Dienstleister.
Atos braucht über eine Milliarde Euro an frischem Geld, um seinen Betrieb 2024 und 2025 aufrechterhalten zu können.
Atos braucht über eine Milliarde Euro an frischem Geld, um seinen Betrieb 2024 und 2025 aufrechterhalten zu können.
Foto: nitpicker - shutterstock.com

Atos braucht zum Überleben deutlich mehr frisches Geld als ursprünglich angenommen. Ging der angeschlagene französische IT-Dienstleister vor wenigen Wochen noch von 600 Millionen Euro aus, ist es mittlerweile fast das Doppelte. Laut einer offiziellen Mitteilung benötigt der Konzern 1,1 Milliarden Euro an Barmitteln, um den Geschäftsbetrieb im laufenden Jahr und 2025 aufrechterhalten zu können.

Die Mittel sollen in Form von neuen Krediten beziehungsweise als Kapital von bereits bestehenden Anteilseignern oder neuen Investoren kommen. Darüber benötigt Atos nach Angaben der Verantwortlichen neue Kreditlinien und Bankbürgschaften in Höhe von insgesamt 600 Millionen Euro. Alles in allem drückt den IT-Serviceanbieter eine Schuldenlast von fast fünf Milliarden Euro.

Atos kämpft seit Jahren mit massiven Problemen. Eigentlich wollte sich der IT-Dienstleister nach dem Vorbild von IBM aufspalten. Eine Sparte (Tech Foundations) sollte unter der Marke Atos das klassische Geschäft mit den weniger profitablen Geschäftsbereichen wie Rechenzentren und Hosting sowie Outsourcing weiterführen. Die andere Sparte hätte unter dem Label Eviden modernere Aktivitäten wie digitale Transformation, intelligente digitale Plattformen, Cloud-Technologie, Cybersicherheit, High Performance Computing (HPC) und KI übernommen.

Alle Details zum Niedergang von Atos:

Doch die Pläne der Franzosen gingen nicht auf. Der geplante Verkauf der Tech Foundations an EP Equity Investment (EPEI) ist gescheitert. Man habe keine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung erzielen können, teilte Atos Ende Februar in einem knappen Statement mit. "Die Gespräche und die Verkaufsvereinbarung wurden daher in gegenseitigem Einvernehmen beendet." Atos wolle Tech Foundations und Eviden als getrennte Unternehmen weiterführen, hieß es.

Kauft Frankreich BDS von Atos?

Rettungsanker für Atos könnte ein Angebot des französischen Staates sein. Dieser beabsichtigt offenbar, die Geschäftsbereiche Advanced Computing, Mission-Critical-Systems und Cybersecurity Products zu übernehmen. Atos fasst diese Segmente in der Sparte Big Data & Security (BDS) zusammen. Den Wert schätzen die Franzosen auf 700 Millionen bis eine Milliarde Euro. Anfang des Jahres, als sich das Scheitern des Tech-Foundations-Deals bereits abzeichnete, war man allerdings noch von 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro für BDS ausgegangen.

Paul Saleh, der CEO von Atos, muss sich beeilen, die finanzielle Basis des angeschlagenen IT-Dienstleisters wieder zu konsolidieren.
Paul Saleh, der CEO von Atos, muss sich beeilen, die finanzielle Basis des angeschlagenen IT-Dienstleisters wieder zu konsolidieren.
Foto: Atos

Noch ist das alles Zukunftsmusik. Mehr als eine Absichtserklärung des französischen Staates liegt noch nicht vor. Man begrüße diese, weil sie die souveränen strategischen Interessen schütze, hieß es von Seiten des Atos-Managements. Im vergangenen Jahr war wiederholt darüber spekuliert worden, die französischen Behörden hätten die Aufspaltung und den Teilverkauf von Atos-Segmenten verhindert, weil der Konzern an systemkritischen und militärischen Projekten beteiligt sei.

Die Due-Diligence-Phase mit dem französischen Staat wird Atos zufolge in Kürze beginnen. Bis Anfang Juni 2024 könnte ein bestätigendes, unverbindliches Angebot vorliegen. Was die französische Regierung mit BDS und seinen rund 4.000 Beschäftigten plant, ist unklar. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters könnten auch die französischen Rüstungskonzerne Thales und Dassault an dem Deal beteiligt werden.

Atos betreut olympische IT

Auch wenn das Umsatzziel für 2027 von 11,4 auf elf Milliarden Euro gesenkt wurde, bleibt Atos zuversichtlich. Der IT-Dienstleister, der sich im Sommer dieses Jahres um das Datenmanagement und die Cybersicherheit der Olympischen Sommerspiele in Paris kümmern muss, peilt bis 2026 einen Schuldenabbau von 3,2 Milliarden Euro an - bisher waren von 2,4 Milliarden Euro geplant.

Doch dem Atos-Management läuft die Zeit davon. Nur noch bis zum 3. Mai können potenzielle Kapitalgeber ihre Investitionsbereitschaft bekunden. Dann könnte bis Juli eine neue tragfähige Kapitalstruktur stehen. Man werde "alle Vorschläge unter der Schirmherrschaft der Schlichterin Maître Hélène Bourbouloux im besten Interesse des Unternehmens, seiner Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Aktionäre und anderer Stakeholder bewerten und dabei einen attraktiven Geschäftsmix erhalten", hieß es.