Für Personaler, die den passenden Kandidaten für eine bestimmte Position suchen, könnte der Prozess der Bewerberauswahl bald so aussehen: Die Stellenanzeige wird durch eine künstliche Intelligenz (KI) optimiert, um eine größere Ausbeute an geeigneten Kandidaten zu finden. Anschließend sortiert eine weitere KI-gestützte Software die aussichtsreichsten Personen vor. Natürlich inklusive einer KI-basierten Stimm- und Sprachanalyse - man möchte ja wissen, ob der Kandidat die richtigen Fähigkeiten für den Job mitbringt wie etwa Empathie und Initiative. Am Ende des Prozesses nennt die Maschine die Person, die gemessen an den angegebenen Merkmalen genau auf das gesuchte Stellenprofil passt. Theoretisch funktioniert das alles bereits komplett automatisch, ohne dass Personaler überhaupt involviert sein müssten.
Die Möglichkeiten, die Bewerberauswahl komplett über KI zu steuern, sind also da und werden, weniger umfassend, bereits eingesetzt. Man möchte die Effizienzvorteile nutzen, wenn es darum geht, Millionen Daten von Menschen im Netz mit den gesuchten Profilen, Kompetenzen oder Stellenbeschreibungen abzugleichen.
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Wie finden Unternehmen Kandidaten, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber zu der gesuchten Stelle passen? Eine Personalberatung hat dafür einen digitalen Weg entwickelt. - Jeder dritte Personaler hat sich noch nicht mit KI beschäftigt
KI-Software soll Personalern viel Arbeit abnehmen. Aber dafür müssen sie den Nutzen der intelligenten Maschinen für ihre Aufgaben erst einmal verstehen.
In gewisser Weise hat KI bereits schleichend die Oberhand über große Teile der Personalarbeit gewonnen, und zwar deshalb, weil sie so treffend vorauswählt und Personaler von lästiger Routinearbeit entlastet. Der Komfort hat aber seinen Preis. KI bringt zunehmend einen Verlust an Kontrolle mit sich. Denn welcher Personaler kann hinter die Kulissen der Algorithmen blicken und sagen, mit welcher Art Daten eine Maschine gespeist wurde, wenn es zu Diskriminierung bei der Bewerberauswahl kommt? Genau diese Ahnungslosigkeit macht viele Personaler hilflos und skeptisch gegenüber den intelligenten Maschinen.
Skepsis gegenüber KI
Das zeigt auch die jüngste Umfrage des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) vom April 2019. Rund 1000 Personalentscheider wurden gefragt, wie es in ihren Unternehmen um den Einsatz von künstlicher Intelligenz bestellt ist. Das ernüchternde Ergebnis: 36,7 Prozent haben sich noch gar nicht damit beschäftigt. Für ein gutes Viertel kommt der Einsatz von KI in den kommenden drei Jahren überhaupt nicht in Frage. Immerhin 41,4 Prozent prüfen gerade die Möglichkeiten von KI. Trotz dieser Aussagen sind sich 44,7 Prozent über eines schon heute sicher: Das Zwischenmenschliche darf auch künftig nicht den Maschinen überlassen werden.
Das ist eine kühne Behauptung angesichts dessen, dass für die meisten der Einsatz sowie die Wirkungsweisen von KI noch eine Black Box sind. Umso erstaunlicher wirken diese Aussagen vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses von Personalverantwortlichen innerhalb der digitalen Transformation. In diesem Kontext ist oft die Rede vom Impulsgeber oder strategischen Berater der Geschäftsführung, der den Wandel mitgestaltet. Doch wie können sie diese Rolle ausfüllen, wenn sie sich noch nicht einmal das Wissen aneignen, um die Chancen und Risiken von KI abzuwägen? Schwingt die Angst mit, irgendwann überflüssig zu werden? Die BPM-Befragung bestätigt das nicht. Über drei Viertel der Befragten stellen nach eigenen Angaben noch keine personellen Konsequenzen aus dem Einsatz von KI fest.
Neue Tools ausprobieren
"Personaler sollten im Umgang mit KI ein technisches Verständnis entwickeln und ohne Scheu mit neuen Tools experimentieren. Nur so können sie einschätzen, woran man erkennt, dass KI im Spiel ist, wie sie wirkt und natürlich auch, wie die Maschine lernt", sagt Anja Michael, Personalchefin des IT-Sicherheits-Anbieters Avira und stellvertretende Fachgruppenleiterin für strategisches Personal-Management beim BPM. "Durch die Auseinandersetzung mit KI kann HR selbst zum Motor für die Transformation werden und muss nicht erst warten, um von der IT ins Boot geholt zu werden." Auch Jutta Rump, Professorin an der Ludwigshafener Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft, sieht die Personaler in der Weiterbildungspflicht: "So eine große Black Box ist ein Algorithmus nun auch wieder nicht. Man kann Fachleute zurate ziehen, sich ein Experimentierfeld suchen und dann gemeinsam überlegen, was die konkreten Anforderungen an KI in dem Anwendungsrahmen sind." Ein guter Start für eine intensive Auseinandersetzung wäre beispielsweise der Bereich der Rekrutierungssoftware. Laut Michael wurden hier bereits an die 100 Tools - meist von Anbietern aus den USA - entwickelt, die allesamt zum Ausprobieren verfügbar sind. Viele von diesen Lösungen helfen den Personalern beim Profil-Matching, bei der Optimierung einer Stellenanzeige oder eines Bewerbungsgesprächs. Dazu gehören Chatbots, Sprach- und Stimmanalysen sowie Videoplattformen.
Maschinen unerwünscht
Wer in solche Testszenarien einsteigt, sollte jedoch darauf achten, die Sicht der potenziellen Kandidaten bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Schließlich hängt das Image des Unternehmens auch davon ab, ob sich die Bewerber wohlfühlen, wenn sie durch KI angeworben werden. "Wir haben mit 25 Studenten gesprochen", berichtet die Personalexpertin Michael. "Sie wollten alle als Individuum wahrgenommen werden und mit einem menschlichen Recruiter sprechen, nicht mit einer Maschine."
Personaler brauchen das nötige Grundverständnis dafür, was KI für die Personalarbeit eigentlich bedeutet und wie ein Algorithmus funktioniert. Hier sind die Unternehmen in der Pflicht, bei einer Technologieeinführung neben der IT-Abteilung auch HR verstärkt ins Boot zu holen. In der BPM-Studie gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, vor der Einführung neuer Technologien nicht ausreichend mit deren Funktionsweise sowie dem tatsächlichen Nutzen vertraut gemacht zu werden. Beim richtigen Umgang mit Technologien wie KI würde es der Einschätzung der Befragten nach helfen, wenn sie auf Best-Practice-Beispiele zurückgreifen könnten, Trainings erhalten würden oder zumindest einen direkten Ansprechpartner für alle KI-Belange im Unternehmen hätten.
KI muss entmystifiziert werden
Wie funktioniert KI, welchen Sinn stiftet sie und wo müssen ethische Fragen ausgelotet werden? Der Aufklärungsbedarf scheint so groß zu sein, dass es erste Geschäftsmodelle dazu gibt. Ein Beispiel ist das Startup Trusted AI, eine Ausgründung der Technischen Universität Kaiserslautern. Anna Katharina Zweig hat das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann sowie dem Doktoranden Tobias Krafft aus der Taufe gehoben. Ihr Ziel: über KI aufzuklären und diese Black Box für alle Fachbereiche zu entmystifizieren. Die drei beraten Unternehmen zu wichtigen Fragen der KI sowie algorithmischen Entscheidungssystemen und begleiten sie bei der Einführung neuer KI-Software. "Das geht von einer Firmenleitung, die neue KI-Techniken nutzen will, bis hin zu Betriebsräten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen müssen", so Krafft. Das Team hilft auch bei der Wahl der Software: Es prüft sie im Hinblick auf ethisch-moralische Gesichtspunkte und klärt über mögliche versteckte Folgekosten beim Einsatz auf. Genau da sollten auch Personalverantwortliche ansetzen, wenn sie künftig als Motor und nicht als Bremse der digitalen Transformation wahrgenommen werden wollen. Denn ebenso wie das Wissen um die Personalentwicklung, die betriebliche Mitbestimmung oder auch das Arbeitsrecht wird KI künftig zum Standard-Know-how eines Personalers gehören. Wer sich heute nicht intensiv damit auseinandersetzt, landet morgen womöglich karrieretechnisch in der Sackgasse.