Angst vor Digitalisierung

Jeder Achte bangt um seinen Job

27.10.2021
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Digitalisierung als Jobkiller – viele Beschäftigte in Deutschland fürchten um ihren Arbeitsplatz. In manchen Branchen haben digitale Technologien bereits Teile der Arbeit übernommen.

Vor allem in der Banken-, Immobilien- und der Versicherungsbranche sowie in der Automobilindustrie sorgen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. Hier fürchtet jeder Fünfte, neue Technik könnte seinen Arbeitsplatz überflüssig machen. Das ist ein Ergebnis der alle zwei Jahre durchgeführten EY-Jobstudie, für die mehr als 1.550 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland befragt wurden.

Überfordert von digitalen Techniken sorgen sich viele Beschäftigte in Deutschland um ihren Job.
Überfordert von digitalen Techniken sorgen sich viele Beschäftigte in Deutschland um ihren Job.
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Bei insgesamt 36 Prozent der Beschäftigten haben neue Technologien demnach bereits Teile der eigenen Arbeit ersetzt. Besonders häufig (46 Prozent) ist dies in der Banken-, Immobilien- und Versicherungsbranche geschehen. Auch in der IT-Branche (42 Prozent), der Automobilindustrie (40 Prozent) und der Bau- und Energiewirtschaft (39 Prozent) hat der Einsatz digitaler Techniken den Angestellten oft Teile ihrer Arbeit abgenommen.

Digitalisierung belastet

Insgesamt scheint die Digitalisierung viele Beschäftigte eher zu belasten, als dass sie ihr Arbeitsleben erleichtert. Ein Viertel der Befragten klagt, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung für sie gestiegen sei - nur für sieben Prozent ist sie demnach gesunken. Corona hat diese Entwicklung noch beschleunigt: 27 Prozent berichteten, dass sich der Einfluss der Digitalisierung im Zuge der Pandemie deutlich verstärkt habe. Weitere 33 Prozent verspürten zumindest einen leichten Effekt.

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Verändert haben sich aus Sicht der Beschäftigten vor allem die Abläufe: Für 35 Prozent der Befragten sind sie in den vergangenen fünf Jahren durch die Digitalisierung komplexer geworden - für 29 Prozent einfacher. Dafür scheint jedoch die Kommunikation besser zu funktionieren: 29 Prozent kommunizieren laut Umfrage häufiger mit ihrem Team und 21 Prozent öfter mit ihren Vorgesetzten. Trotz aller Ängste und Vorbehalte gegenüber digitalen Technologien hat sich die Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbessert: 17 Prozent identifizieren sich nach eigener Aussage mehr mit der Arbeit, zwölf Prozent weniger.

Beschäftigte fühlen sich überfordert

"Die Ergebnisse zeigen, dass sich zahlreiche Beschäftigte mit der Vielzahl digitaler Technologien überfordert fühlen und sogar um den eigenen Job bangen", stellt Markus Heinen, Leiter des Geschäftsfeldes Personalberatungs-Dienstleistungen bei EY in Deutschland, fest. Es sei daher für die Unternehmen wichtig, alle Mitarbeitenden von Anfang an bei der Einführung neuer Lösungen mitzunehmen und deren Vorteile deutlich zu machen. "Regelmäßige Fortbildungen helfen dabei, die Akzeptanz zu steigern und die Technologien mit der größtmöglichen Effizienz in der Organisation zu etablieren."

Zahlreiche Beschäftigte fühlen sich mit der Vielzahl digitaler Technologien überfordert und bangen sogar um den eigenen Job, sagt Markus Heinen, Leiter des Geschäftsfeldes Personalberatungs-Dienstleistungen bei EY in Deutschland.
Zahlreiche Beschäftigte fühlen sich mit der Vielzahl digitaler Technologien überfordert und bangen sogar um den eigenen Job, sagt Markus Heinen, Leiter des Geschäftsfeldes Personalberatungs-Dienstleistungen bei EY in Deutschland.
Foto: EY

"Die Digitalisierung erfordert sowohl von den Unternehmen als auch von den Beschäftigten eine Kraftanstrengung", bestätigt Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Personalleiter (Chief Human Resources Officer) und Arbeitsdirektor von EY in Deutschland. "Home-Office und mobiles Arbeiten klingen aus Sicht vieler Beschäftigten zunächst einmal toll. Allerdings sollten beim Arbeiten von zu Hause die Spielregeln etwa zur Erreichbarkeit oder zu Ruhepausen vorher festgelegt werden - gerade auch zum Schutz der Mitarbeitenden."

Vertrauen in Arbeitgeber und eigene Produkte

Grundsätzlich glauben die Werktätigen hierzulande, dass ihre Brötchengeber die Herausforderungen der Digitalisierung gut meistern. Immerhin seien auch klassische Produkte und Dienstleistungen dem digitalen Wandel unterworfen. 30 Prozent der Befragten erleben in ihren Unternehmen große Anstrengungen, Produkte und Dienstleistungen an künftige Entwicklungen anzupassen. 45 Prozent beobachten immerhin noch geringe Anstrengungen. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) traut dem Management zu, die richtigen Entscheidungen für die Unternehmenszukunft zu treffen.

Eine Mehrheit von 84 Prozent geht davon aus, dass die Produkte und Dienstleistungen ihres Unternehmens auch in zehn Jahren mindestens genauso erfolgreich sein werden wie heute. Das Vertrauen in die eigenen Produkte fällt allerdings von Branche zu Branche unterschiedlich aus: In der Automobilindustrie fürchtet gut ein Viertel der Beschäftigten, dass die eigenen Produkte in zehn Jahren nicht mehr so erfolgreich am Markt sein werden, sofern sie nicht grundlegend verändert werden. Vergleichbar hoch ist der Anteil der Skeptiker bei IT-Dienstleistern (25 Prozent) sowie in Banken und Versicherungen (23 Prozent).

Digitaler Wandel braucht Rückendeckung in der Belegschaft

Hier müssen die Unternehmen aufpassen, mahnen die EY-Berater. "Die Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle und Produkte und führt zu Konkurrenz von neuer Seite - etwa von Startups oder Unternehmen aus anderen Branchen", stellt Heinen fest. "Das verstärkt den Veränderungsdruck auf die Unternehmen." Das Vertrauen der Beschäftigten sei daher sehr wichtig - denn ohne die Rückendeckung der Mitarbeitenden lasse sich eine Transformation nicht umsetzen.

In manchen Betrieben gibt es eine gewisse Zukunftsangst, weil die Produkte oder Dienstleistungen, die in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben, in Zukunft vielleicht keine Rolle mehr spielen, erklärt Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Personalleiter (Chief Human Resources Officer) und Arbeitsdirektor von EY in Deutschland.
In manchen Betrieben gibt es eine gewisse Zukunftsangst, weil die Produkte oder Dienstleistungen, die in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben, in Zukunft vielleicht keine Rolle mehr spielen, erklärt Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Personalleiter (Chief Human Resources Officer) und Arbeitsdirektor von EY in Deutschland.
Foto: EY

"In manchen Betrieben gibt es eine gewisse Zukunftsangst, weil die Produkte oder Dienstleistungen, die in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben, in Zukunft vielleicht keine Rolle mehr spielen", ergänzt Hinz. "Hier ist das Top-Management gefordert, voranzugehen, zu erklären und einen Weg aufzuzeigen. Wenn von oben ein klares Ziel und eine überzeugende Strategie vorgegeben und immer wieder erklärt wird, steigt auch die Akzeptanz in der Belegschaft."