Computerwoche-Roundtable

Jede fünfte IT-Sourcing-Anfrage kommt nicht vom CIO

05.05.2016
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Rund 20 Prozent der Anfragen nach IT-Outsourcing kommen nicht aus der IT-Abteilung selbst. Über den gesamten Auslagerungs-Prozess von der Kundengewinnung über die Vertragsgestaltung bis zum Beenden der Geschäftsbeziehung diskutierte ein Roundtable der Computerwoche.
  • Governance-Verantwortliche sollten den Vertrag mitgestalten
  • Pönalen bleiben als einziges echtes Steuerungsmittel des Kunden
  • Berater sind heute besser qualifiziert als vor fünf Jahren

IT-Outsourcing ist nicht nur Sache des CIO - und das ist auch gut so. Denn Provider-Management, Governance und Vertragsgestaltung bergen eine Komplexität, die manchen Kunden vor Herausforderungen stellt. So lässt sich das Fazit eines Roundtables der Computerwoche zusammenfassen. Zehn Vertreter der Branche waren in die Redaktion nach München gekommen, um über Sourcing zu diskutieren.

Der Auslagerungs-Prozess mag auf den ersten Blick mit der Kundenakquise beginnen. Doch nicht jeder Kunde hat intern die nötige Vorarbeit geleistet, beobachtet Uwe Kamann von Sepicon. "Oft müssen wir beim Kunden erst das Verständnis dafür entwickeln, dass das Provider-Management schon bei der Sourcing-Strategie anfängt." Holger Müller von Fritz & Macziol (F&M) bestätigt, der gehobene Mittelstand verfüge häufig über gar kein Provider-Management. Dabei definiert Müller gehobenen Mittelstand als Unternehmen mit dreitausend bis zehntausend IT-Seats. Wie Thomas Dengler von Noventum anfügt, gilt diese Beobachtung durchaus auch für Großkonzerne. "Das Thema Provider-Management wird unterschätzt", berichtet er.

Im IDG-eigenen Konferenzzentrum trafen sich zehn Branchenvertreter, um über die erfolgreiche Providersteuerung zu diskutieren.
Im IDG-eigenen Konferenzzentrum trafen sich zehn Branchenvertreter, um über die erfolgreiche Providersteuerung zu diskutieren.

Doch ganz unabhängig von diesem Aspekt - wie findet ein Anbieter den Einstieg bei der Kaltakquise? Den kann zum Beispiel ein Entscheiderwechsel bieten. Während der sprichwörtlichen ersten hundert Tage eines CxO lässt sich "das Fremde im eigenen Unternehmen" für eine Positionierung als Outsourcing-Partner nutzen. Weitere Ansatzpunkte bestehen in der geplanten Internationalisierung eines Unternehmens oder bei einem Umsatzrückgang.

Anbieter in der "passiven Einflugschneise"

Im umgekehrten Fall - der Kunde kommt von sich aus auf den Anbieter zu - berichtet Olaf Baunack von Alsbridge, dass rund 20 Prozent aller aktiv eingehenden IT-Sourcing-Anfragen nicht aus der IT-Abteilung der jeweiligen Firma stammen. Es sind die CEOs oder die Chief Financial Officer (CFO), die beispielsweise aus der Presse von Kostensenkungen oder Effizienzsteigerungen nach gelungenen Outsourcing-Projekten anderer Firmen lesen. "Die machen sich dann irgendwann Gedanken und pieken den CIO an", schmunzelt Baunack. "Passive Einflugschneise" nennt er das. Herausforderung für den Dienstleister: Um nicht zum Buhmann des IT-Chefs zu werden, muss er den richtigen Umgangston treffen.

Zur Rolle des CIO ergänzt Barbara Florschütz von ISG: "Typischerweise ist der CIO nicht der alleinige Entscheider." Meist liege diese Verantwortung bei einem CIO-Board oder einem anderem Gremium, dem auf jeden Fall Vertreter des Business angehören.

Damit ist die Diskussion schon beim zweiten Themenkomplex angekommen, der Vertragsgestaltung. Einfacher wird diese nicht, da sind sich alle Teilnehmer einig. Sie plädieren dafür, den Governance-Verantwortlichen mit an den Tisch zu holen. "Dieser hat seine Verantwortung ja auch umzusetzen, also sollte er mit dabei sein", kommentiert Florschütz. Müssten Teile des Abkommens nachträglich geändert werden, dürfe das nur unter Beteiligung aller Stakeholder geschehen. Alle Stakeholder - eben darin kann die Krux liegen. "Schließlich geht jeder Fachbereich das aus seinem Blickwinkel an", weiß Frank Eckes von Vendorplan. Er kenne kein Unternehmen, dem hier eine gute Balance gelinge.

So verlängert der CIO seine Halbwertzeit

Sepicon-Manager Kamann sieht IT-Entscheider in der Pflicht, die Vorteile einer durchdachten Provider-Steuerung zu erkennen. Wer seine Prozesse entsprechend aufbaue, profitiere in jedem Fall, ob es nun um externe Provider geht oder um interne. "Wenn die Halbwertzeit eines CIOs länger werden soll, muss er sich dafür öffnen", sagt Kamann. F&M-Manager Müller ergänzt, es gehe ja nicht nur um Provider-Steuerung, sondern auch darum, dass die Kommunikation klappt. "Hier birgt die Vermittler-Rolle großen Mehrwert", sagt er.

Angesichts der genannten Herausforderungen schlägt Frank Schwarz von Atos seinen Kunden durchaus vor, einen Berater bei der Vertragsgestaltung hinzu zu holen. Dass das neue Kostenfragen aufwirft, ist ihm bewusst. "Ein Advisor schlaut die Kundenseite auf", sagt er. Das sei bei den Kosten zu Bedenken. Wie Florschütz beobachtet, haben sich die Berater in den vergangenen vier bis fünf Jahren deutlich qualifiziert. Besser und sachlicher seien sie geworden, lobt die ISG-Managerin. Insofern gestalte es sich leichter, verlustreiche Verträge von vornherein auszuschließen.

Denn keine Seite - weder Anbieter noch Kunde - will die Geschäftsbeziehung mit einem schlechten Gefühl beenden. Schaffe es einer der beiden Partner nicht, den Vertrag so zu erfüllen oder gegebenenfalls auch zu verändern, wie gewünscht, müsse das Abkommen bewusst aufgelöst werden. Hier kommt das Reizwort der Pönale ins Gespräch. Dazu Kamann: "Reden wir doch mal Klartext: Der Kunde hat als einziges echtes Steuerungsinstrument die Vertragsstrafe, aber die ist ja nicht dazu da, dass der Kunde damit Geld verdient."

HPE-Manager Gerhard Haberstroh will auch "indirekte Pönalen" berücksichtigt sehen. Dazu zählt er etwa Minderung der Profitabilität, Mehraufwand oder auch Image-Schädigungen. Günter Hilger von Geco betont, Vertragsstrafen seien immer ein "Spiel mit dem Feuer". Alternative zum Malus in Verträgen: der Bonus. Einen solchen einzubauen, sei weit motivationsfördernder als eine Strafe. Dabei beobachten alle Roundtable-Teilnehmer, dass beispielsweise CFOs und Risk-Manager weit öfter nach dem Instrument der Pönale fragen als CIOs.

"Der Mensch ist ursprünglich nicht für Social Media gemacht"

Allen Teilnehmern ist bewusst, wie massiv und schnell sich das Geschäft wandelt. Eines aber bleibt: "Letztendlich zählt immer der Mensch", wie Haberstroh sagt. Und dieser "ist ursprünglich nicht für soziale Netzwerke geschaffen worden". Mit anderen Worten: ohne persönliche Kommunikation geht es nicht. In dieser Kommunikation zeigen übrigens Freelancer ein gutes Bewusstsein der eigenen Qualitäten, weiß Maxim Probojcevic von Solcom. Er sagt: "Die Auftraggeber sind mit der Qualität, die deutsche Freelancer abliefern, sehr zufrieden." Hilger blickt zum Abschluss der Diskussion in die Zukunft der Branche: "Durch das Outsourcen digitaler Geschäftsprozesse kommen völlig neue Felder auf", sagt er. "Wir reden dann ja gar nicht mehr von Hardware. Das sind ganz neue Spielwiesen!"