M&A im Digital-Workplace-Markt

Ivanti kauft RES Software - Metamorphose zum Workplace-Schwergewicht

12.07.2017
Von 


Maximilian Hille ist Analyst des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Cloud Computing, Social Collaboration und Mobile Innovations.
Der jüngste Einkauf von RES Software unterstreicht die Ambitionen von Ivanti, ein echtes Workplace- & Mobility-Schwergewicht zu werden.

Der Name Ivanti ist insbesondere in Deutschland nur den wenigsten geläufig. Doch das erst im Januar neu entstandene Konsortium aus HEAT Software und LanDesk arbeitet derzeit intensiv daran, dass sich diese Unbekanntheit zumindest bei Entscheidern rund um IT, Mobility und Digital Workplaces rasch ändern könnte.

Ivanti baut mit Übernahmen seine Führungsposition aus
Ivanti baut mit Übernahmen seine Führungsposition aus
Foto: samarttiw - shutterstock.com

Denn gerade jetzt, wo die Entwicklung eines ganzheitlichen, digitalen und mobilen Arbeitsplatzes in den Unternehmen so richtig Fahrt aufgenommen hat, steigt die Nachfrage an geeigneten Lösungen. Unternehmen, die Sicherheit, Management und Produktivität in einer Plattform liefern können, haben einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern.

Das Nutzerverhalten in der derzeitigen und zukünftigen Arbeitskultur ist geprägt von Flexibilität, Mobilität und einer besonders hohen User Experience. Alle Funktionen und Informationen sollen den Mitarbeitern schnell und einfach zu Verfügung gestellt werden. Je weniger der Mitarbeiter tatsächlich merkt, dass seine Interaktion auf der digitalen Plattform des Unternehmens „Arbeit“ ist, desto besser passt es derzeit in die Kultur.

Natürlich dürfen Souveränität und Professionalität nicht aus den Augen verloren werden, wenn es um den Aufbau und das Design der Workplace- und Applikationslandschaft geht. Dennoch orientieren sich die Design-Kriterien klar an den gängigen B2C-User-Experiences und dem Style von Facebook, Google, Apple & Co. Der Spagat zwischen Sicherheit und Produktivität ist nicht immer einfach zu bewältigen. Technologien, die trotz eines hohen Sicherheitsstandards die Nutzererfahrung im Blick behalten, werden langfristig die richtige Wahl sein, um die digitalen Arbeitsplätze erfolgreich zu betreiben.

Ivanti – 2 x 3 macht 4... oder From Many to One!

Daher spielen auch beim Aufbau der zugrundeliegenden Management- und Applikationsplattformen mehrere Faktoren eine Rolle. Es geht nicht mehr darum, das eine Produkt zu finden, sondern das Bundle, die Suite oder Best-of-Breed-Architektur, die möglichst alle Komponenten beinhaltet, die es für eine erfolgreiche Umsetzung braucht.

Um dies als Anbieter zu erreichen, gibt es im wesentlichen drei Möglichkeiten:

  1. Der eigene Lösungsstack wird durch Neu-Entwicklungen stark erweitert

  2. Partnerschaften und Standard-Integrationen erweitern das Angebot und erleichtern die Umsetzung – offene Architekturen vorausgesetzt!

  3. Investoren und Unternehmen kaufen sich die Komponenten zusammen

Letztere Strategie verfolgt Ivanti nicht erst seit seiner eigentlichen Gründung im Januar 2017, als aus HEAT Software und LanDesk das neue, Investor (Clearlake Capital)-gestützte Konsortium wurde. Beide Parteien der neuen Gemeinschaft hatten schon vorher in verschiedenen Märkten und Produktsegmenten eigene Marken gekauft und teilweise noch geführt.

Daher passt der jetzt getätigte Zukauf von RES Software eigentlich gut ins Bild. Alle Marken und Ivanti-Komponenten besetzen durchweg Nischen- und Teilmärkte im Management digitaler Arbeitsplätze. Wenngleich sich RES Software in manchen Bereichen (insbesondere Endpoint Security) mit den bestehenden Ivanti-Services überschneidet, sind einzelne Lösungen im Identity Management deutlich umfangreicher und fokussierter entwickelt als die derzeitigen Ivanti-Komponenten. Das neue Portfolio von Ivanti rund um Device-, Identity- & Asset-Verwaltung, Helpdesk-Unterstützung und ITSM wird daher vor allem noch erweitert.

Für RES Software wurde es vermutlich auch Zeit, das Image als Nischenplayer abzulegen und endlich eine Plattform zu besitzen, auf der die Produkte standardmäßig und nicht als Add-On bezogen werden können. Das sollte es den Unternehmen in Sachen technischer Integration deutlich erleichtern - und somit auch Ivanti im Vertrieb der Lösungen.

Ivanti im Unternehmenseinsatz – Jetzt schon wichtig, aber noch nicht fertig

Positiv, auch im Sinne der derzeitigen und zukünftigen Nutzer und Kunden von Ivanti, ist sicherlich, dass sehr schnell relevante Komponenten für das digitale Arbeitsplatzmanagement bereit stehen. Die Übernahme von RES Software ist ein weiteres Puzzleteil, um den eigenen Stack weiter aufzuwerten. Ohne weiteres gehört Ivanti mit dem derzeitigen Portfolio auf die Anbieter-Shortlist, wenn es um das sichere Management digitaler Arbeitsplatzumgebungen geht.

From Many to One - Unternehmensentwicklung von Ivanti
From Many to One - Unternehmensentwicklung von Ivanti
Foto: Quelle: Ivanti 2017, angepasst durch Crisp Research

Allerdings ist das Puzzle, welches Ivanti gerne zusammensetzen möchte, kein 2D-, sondern eher eines der neueren 3D-Puzzle. Schon für die 2D-Variante, die Ivanti derzeit dank Management und Asset-Verwaltung weitgehend gepuzzelt hat, stellt sich die Frage, wie gut die Komponenten bereits zusammenspielen können. Lange Anwendererfahrungen gibt es im Verbundmodell noch nicht. Gerade vor dem Hintergrund, dass im Januar nicht einmal die Integrationen von Appsense, Wavelink & Co. in das LanDesk-Portfolio hundertprozentig abgeschlossen wurden, gibt ein wenig zu denken.

Doch gerade auch für den nächsten Schritt, die neuen Dimensionen des 3D-Puzzles, ist eine offene Architektur die Grundvoraussetzung für den Erfolg. Ivanti und seinen Investoren wird sicher klar sein, dass man sich nicht das gesamte Wunsch-Portfolio aufkaufen kann. Vielmehr werden Partnerschaften und damit die oben genannte Option 2 wieder ein wichtiges Thema: Ohne Technologie- aber auch Vertriebs- und Integrationspartner wird sich der Erfolg nur mäßig einstellen.

Ivanti unterstreicht seine Ambitionen, einer der wesentlichen Anbieter für digitale Arbeitsplatz-Services werden zu wollen. Die Entwicklungsfähigkeit, durch immer mehr Knowhow und Manpower ist absolut gegeben. Vermutlich werden auch in Zukunft noch Akquisitionen getätigt. Wahrscheinlich und ratsam ist es, dass sich vor allem der Productivity-Bereich jetzt ausweitet, da im Security und Identity-Umfeld schon viel erreicht wurde.

Es wird spannend sein, die Entwicklung von Ivanti zu beobachten. Finanziell, hinsichtlich der Installationen, aber auch in der Produktentwicklung wird das Jahr 1 der neuen Marke sicherlich schon ein wichtiger Indikator sein. Die langfristige Überlebens- und Hegemonial-Chance des Konsortiums wird aber frühestens in drei bis vier Jahren absehbar sein.