Kreativer Anschub zur Wagniskapitalfinanzierung 2.0
Oftmals stecken hinter neuen Ideen erfahrene Praktiker. Für Tiktok agiert unter anderem ein früherer Kreativdirektor von Nike Watches. Dass Crowdfunding die Welt der Unternehmensfinanzierung kräftig beeinflusst, also kein Randbereich für Mikrospenden und Einzelprojekte bleibt, davon ist Philipp Steinberger überzeugt. Er ist Gründungspartner bei der c-crowd AG in Zürich, einem Online-Fundraising-Spezialisten, der auch im geschäftlichen Umfeld agiert.
Die zunehmende Beliebtheit von Crowdfunding zeige deutlich, so Steinberger, dass Kapitalgeber, sprich Spender und Investoren, damit begonnen hätten, bestehende Strukturen zu hinterfragen. "Gibt es wirklich Sinn, zusätzliche Fondsanteile zu kaufen, an der in erster Linie die Bank Geld verdient? Oder: Braucht die globale Stiftung mit einem administrativen Aufwand von 40 Prozent wirklich meine Unterstützung?" Steinberger stellt kritische Grundsatzfragen. Obwohl Crowdfunding heute eher kleinere Finanzierungen bewerkstellige, könne es bald zum institutionalisierten Werkzeug der Finanzierung heranreifen. Das Credo des Züricher Gründers: Grundsätzlich finde das Kapital immer irgendeinen Weg zu den zukunftsträchtigen Projekten.
Erfolgreiche Pilotprojekte zeigen die Richtung
Dass Business Crowdfunding keine unrealistische Vision darstellt, demonstriert auch die Schweizer Plattform Cofundit. Das Unternehmen in Lausanne hat sich auf die Vergabe von Darlehen spezialisiert. Der erste Deal im Wert von 170.000 Schweizer Franken (CHF) ist perfekt.
Dabei handelt es sich um Faction Skis, einen jungen aufstrebenden Skiproduzenten aus Verbier. Dieser war die letzten beiden Jahre dank einer Anschubfinanzierung über Business Angels bereits stark gewachsen. Für die Wintersaison 2010/11 war nun das Orderbuch zu groß, um den Einkauf der Basisstoffe aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren.
"Der Liquiditätsbedarf über sechs Monate wurde über die Cofundit-Plattform bei sieben Investoren innerhalb eines Monats platziert", erläutert Gerrit Sindermann, Business Development Manager bei Cofundit. Innovative Unternehmen aus der IT-Branche sind längst ins Visier gerückt. So steht die nächste Finanzierungsrunde bei Key Lemon an, einer jungen Firma, die eine nutzerfreundliche Zugangssicherungssoftware auf Basis der Gesichtserkennung entwickelt hat. Key Lemon sucht jetzt nach weiteren Investoren für einen mittleren sechsstelligen Betrag.
Können sich Gesellschafter aus der Crowd vertragen?
Neue Perspektiven sieht Chris Leeb, Managing Partner beim German Seed Fund, gerade im etwas risikoscheuen Deutschland: "Startups, die nicht wissen, woher das Geld kommen soll, können entweder auswandern, zum Beispiel in die USA, oder sie greifen zu unkonventionellen Methoden", bilanziert der Experte.
Allerdings bleibt Crowdfunding besonders bei größeren sechs- bis siebenstelligen Beträgen zunächst ein Randphänomen. Unter anderem wegen juristischen Neulands und diverser gesetzlicher Regularien wie Banklizenzen und Konzessionen.
Die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen beschreibt Michael Birkel, Venture Partner beim Wagniskapitalfinanzierer Target Partners in München. Der schlanke Evaluierungsprozess lasse für den Unternehmer nur eine eingeschränkte betriebliche Nabelschau (Due Diligence) mit Blick auf zukünftige Investoren zu, dämpft der Experte allzu hochgesteckte Erwartungen.
Dies könne zu Gesellschaftern führen, die nicht zum Unternehmen passten, was ein erhebliches Konfliktpotenzial berge. "Außerdem kann Crowdfunding zur Gesellschafterzersplitterung und zu administrativer Komplexität führen, wenn die Stimmen der Gesellschafter nicht entsprechend gepoolt werden", sagt Birkel.
Und dann gebe es da auch noch den ganz banalen kulturellen Wandel im Unternehmen zu bewältigen. Blockt das Management eine derartige Initiative ab, etwa aufgrund von rechtlichen Hürden oder einem drohenden Machtverlust? Für Gerrit Sindermann von Cofundit wäre dies kein unüberwindliches Hindernis: "Im Gegenteil, geschickt gehandhabt kann ein sprunghaft gewachsenes Beziehungsnetz durchaus die eigene Position und Reichweite stärken."
Außerdem verschaffe sich der unmittelbar für die Finanzen verantwortliche Manager, so der Experte weiter, einen zusätzlichen Verhandlungsspielraum gegenüber konventionellen Finanzierungshäusern. "Allerdings wird in den neuen Kanälen häufig eine deutlich offenere, direktere und schnellere Kommunikation erwartet", fasst Sindermann zusammen.