Kunst kommt von Können, sagt man. Diese alte Regel gilt auch für die Digitalisierung, wie Capgemini Consulting meint. Eine Studie der Berater betont unter anderem, dass Unternehmen für den digitalen Erfolg entsprechende Fertigkeiten mitbringen müssen - und zwar auf zweierlei Ebenen. Um das richtig zu verstehen, muss man aber zunächst in sprachliche Übersetzungs-Tiefen tauchen. Für CIOs gibt es dabei ein neues Schlagwort zu lernen: "Digital Dexterity".
Technologische Fertigkeiten, hohe Anpassungsfähigkeit
Digitalisierung muss man also können, sagt Capgemini. Und das meint zweierlei. Die englischsprachige Studie nennt als Pole "Digital Capability" und eben "Digital Dexterity". Ins Deutsche lassen sich beide Begriffe mit "Fertigkeit" übersetzen, und doch meinen die Berater zwei unterschiedliche Dinge. Zur besseren Unterscheidung empfiehlt sich für "dexterity" die alternative Übersetzung mit "Geschicklichkeit" oder "Gewandtheit". Es geht um einen gewandten Umgang mit den digitalen Technologien, während der CIOs vertrautere Begriff der "capability" ihre praktische Beherrschung im Sinn hat.
- Was ändert sich durch die Digitalisierung für die Mitarbeiter?
Antworten suchten diese IT-Chefs in einer Diskussion mit COMPUTERWOCHE-Redakteuren. Unser Bild zeigt von links: Hans Königes (CW), Edgar Kirchmann von Transearch, Dieter Loewe von NTT Data, Daniel Krauss von Flixbus, Axel Kummer von Metafinanz, Frank Engelhardt von Salesforce.com, Jürgen Renfer von der KUVB und Alexandra Mesmer (CW). - Axel Kummer, Metafinanz
„Wir müssen neu denken, ausgehend von den Geschäftsprozessen und den Endkunden. Dafür setzen wir auf kreative Köpfe, die auch aus anderen Branchen als der IT kommen.“ - Daniel Krauss, Flixbus
„Unsere größte Herausforderung ist es, mit permanentem Change und der damit einhergehenden Unsicherheit zurechtzukommen.“ - Dieter Loewe, NTT DATA
„Wir brauchen eine Arbeitskultur, in der Mitarbeiter ein Privatleben haben dürfen und nicht immer erreichbar sind.“ - Edgar Kirchmann, Transearch
„Wer Digitalisierung ernst nimmt, braucht mehr als einen neuen Posten wie den Chief Digital Officer. Topmanagement wie Führungskräfte müssen das Thema treiben und vorleben.“ - Jürgen Renfer, KVUB
„Digitale Veränderungen sind derart disruptiv, dass wohl niemand genau weiß, wo die Reise endet. Der CIO ist als Lotse gefordert.“ - Frank Engelhardt, Salesforce.com
„Es motiviert die Mitarbeiter, wenn sie eine reelle oder auch gefühlte Autonomie haben.“
"Digital Capability bedeutet den Einsatz digitaler Technologie, um das Kundenerlebnis, die internen Abläufe oder das Engagement der Mitarbeiter zu verbessern", definiert Capgemini. Gemeint sind damit eher technologische Fertigkeiten, die beispielsweise nötig sind, um Services via mobile Apps bereitzustellen. Laut Studie nutzen etwa 36 Prozent der Firmen digitale Technologien, um Zusammenarbeit über organisatorische Grenzen hinweg zu ermöglichen. 31 Prozent der Unternehmen standardisieren nach eigenen Angaben mit Hilfe von digitaler Technologie ihren Betrieb. Wer das kann, kann immerhin etwas mit der Digitalisierung anfangen, ohne aber schon die ganze Kunst zu beherrschen.
Abteilungen können sich schnell neu ausrichten
"Digital Dexterity ist die Fähigkeit, sich rasch an Veränderungen anzupassen", definiert Capgemini weiter: Anpassung an Veränderungen durch neue Technologien, veränderte Kundenerwartungen, Branchenverschiebungen und intern getriebene Ressourcenallokationen. Firmen mit einem ausgeprägten Gewandtheits-Niveau verfügen laut Studie über eine bemerkenswerte Flexibilität hinsichtlich ihrer organisatorischen Designs. Je nach aktueller Marktlage können sich die Abteilungen rasch neu ausrichten, und sie tun das nach Einschätzung von Capgemini in enger Zusammenarbeit mit ihren technologischen Partnern und Anbietern.
- Bär und Hündchen
Diese Bild wählte Capgemini als Cover der Studie. Der Bär steht symbolisch für die "Digital Capability", die grundlegenden technischen Digitalisierungs-Skills. Das Hündchen veranschaulicht, dass dieses starke Fundament nicht ausreicht. Es braucht flexible Gewandtheit - "Digital Dexterity". - Beispiel aus Industriegeschichte
Die Grafik zeigt: Nicht die Einführung von Elektrizität sorgte für einen Produktivitätsschub. Der erfolgte erst mit organisatorischen Veränderungen. - Die Vorteile der Gewandten
Unternehmen, die beide Digitalisierungsebenen beherrschen, stellen ihre Wettbewerber in diversen Bereichen in den Schatten. Die Grafik zeigt, wo und in welchem Maße. - Der signifikante Unterschied
"Dexterity" und "Capability" lassen sich bei mit "Fertigkeit" ins Deutsche übersetzen. Das würde den Unterschied aber unzulässig nivellieren. Capgemini definiert hier kurz, was beide Begriffe bedeuten. - Spürnase für Fachkräfte
Das Bild des Hundes als Symbol für "Dexterity" greift auch hier. Firmen, die hier gut aufgestellt, finden leichter Experten als andere. Und sie entdecken Trends früher.
Die Berater betonen in ihrer Studie die zentrale Bedeutung der Digital Dexterity. Sie bemühen dafür einen historischen Vergleich. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde in den Fabriken Dampfkraft durch Elektrizität ersetzt - ein technologischer Wandel also. Zum bedeutenden Schub bei der Arbeitsproduktivität kam es aber erst ab 1915, als tatsächlich einzelne Maschinen und Maschinengruppen eigene Elektromotoren bekamen und nicht mehr eine ganze Anlage zentral mit Energie versorgt wurde. Es bedurfte also eine Reorganisation, um zum Durchbruch zu gelangen.
Die Vorteile für Unternehmen
"Digital Dexterity erlaubt es Firmen im Vergleich mit ihren Wettbewerbern sehr viel schneller, Chancen zu nutzen und auf Disruptionen und Veränderungen zu reagieren", heißt es in der Studie. Diese Wettbewerbsvorteile lassen sich konkretisieren: 80 Prozent der gewandten Unternehmen fällt es leicht, Partnerschaften zu etablieren. Jeweils 73 Prozent empfinden es als leicht, benötigte Fachkräfte zu finden und auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen. Zwei Drittel entdecken nach eigenen Angaben mühelos neue Trends, zwei Fünftel organisieren sich mit Leichtigkeit schnell selbst. Im Durchschnitt aller Firmen liegen diese Werte bei höchstens 17 Prozent. Die Wettbewerbsvorteile erscheinen also immens.