IT-Freiberuflerstudie 2017

IT-Freelancer – darf’s ein bisschen mehr sein?

29.03.2017
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Auch im vergangenen Jahr ist die Nachfrage nach IT-Freiberuflern in deutschen Unternehmen gestiegen. Laut einer aktuellen Studie der COMPUTERWOCHE profitieren beiden Seiten von dem Modell – die einen sichern sich die notwendigen Kompetenzen, die anderen sichern sich die notwendige Kompensation. Auch in diesem Punkt zeigt der Trend nach oben.
  • Im Durchschnitt erhalten IT-Freiberufler aktuell 84 Euro Stundensatz
  • Dies verdanken sie der anhaltend hohen Nachfrage
  • Die aktuelle Freiberufler-Studie belegt unter anderem, dass der Wachstumstrend noch nicht beendet ist

Die anhaltend hohe Nachfrage nach IT-Freiberuflern treibt die Preise der Experten weiter in die Höhe. Aktueller Durchschnitt: ein Stundensatz von 84 Euro - das Zehnfache des gesetzlichen Brutto-Mindestlohns. Davon können viele Angestellte nur träumen, selbst wenn Freelancer weitere Abgaben abführen müssen. Laut der aktuellen "IT-Freiberufler-Studie 2017" der COMPUTERWOCHE sind die Stundensätze 2016 um vier Euro gestiegen, für 2017 rechnen die Freiberufler im Schnitt mit einem Zuwachs in gleicher Höhe, was einem Plus von rund fünf Prozent entspricht. Inzwischen liegen 41 Prozent der IT-Selbstständigen eigenen Angaben zufolge beim Jahresumsatz über 120.000 Euro, sieben Prozentpunkte mehr als 2015.

IT Freiberufler sind laut der aktuellen "IT-Freiberufler-Studie 2017" weiterhin stark gefragt.
IT Freiberufler sind laut der aktuellen "IT-Freiberufler-Studie 2017" weiterhin stark gefragt.
Foto: GaudiLab - shutterstock.com

Freiberufler-Bild

Angesichts dieser Zahlen wirken Zweifel am Bedarf nach Freelancern fehl am Platz - der Markt wird von der Nachfrage nach IT-Kompetenzen vor sich hergetrieben. Und jedes Jahr steigt die Zahl der offenen IT-Stellen laut Bitkom-Verband: Im vergangenen Jahr waren es 51.000 IT-Vakanzen, das entspricht einem Zuwachs von fast 20 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Davon waren 30.500 Stellen bei Anwenderunternehmen unbesetzt. Dem stehen je nach Zählweise in Deutschland zwischen 90.000 und 100.000 IT-Freelancer gegenüber, die gemäß Bedarf gebucht werden können - wenn sie gerade nicht ausgebucht sind.

Wie schon in den Vorjahren belegt die aktuelle Freiberufler-Studie, dass der Wachstumstrend noch nicht beendet ist. Demnach schätzen über 50 Prozent der Unternehmen die Bedeutung von externen IT-Fachkräften in zwei Jahren als groß bis sehr groß ein. In den beiden Vorjahren lag der Anteil noch bei 30 (2015) beziehungsweise 44 (2016) Prozent. Auch der Mittelwert verbesserte sich im Jahresvergleich von 2,91 auf 2,79 (Schulnotenprinzip). Keine Überraschung: Am wichtigsten sind IT-Selbständige für Großunternehmen. Und lediglich drei Prozent der Befragten messen IT-Freiberuflern eine geringe beziehungsweise keine Bedeutung bei. Auch das ist ein rekordverdächtiger Wert.

Jedes achte Unternehmen verzichtet auf Freiberufler

Dabei gibt es durchaus Organisationen, die grundsätzlich auf den Einsatz von Freiberuflern verzichten. Laut Studie bewältigt jedes achte Unternehmen seine IT-Aufgaben im Alleingang . Davon wiederum haben 51 Prozent "schon immer" auf Freelancer verzichtet, und 18 Prozent tun dies erst, seit sich im vergangenen Jahr die Gesetzeslage verändert hat. Die meisten Unternehmen, die Verzicht üben, geben an, dass sie über ausreichend eigene, richtig qualifizierte IT-Mitarbeiter verfügen. Immerhin 21 Prozent haben Sorge vor dem Abfluss sensibler Daten durch Externe, während das Risiko der Scheinselbstständigkeit nur von jeder achten Firma als Hinderungsgrund genannt wird. Dennoch steht unter dem Strich: Der Widerstand gegen den Einsatz von IT-Freiberuflern ist hierzulande nicht ausgeprägt.

Davon profitieren auch die Mittelsmänner - Online-Portale, IT-Berater, Personaldienstleister sowie die externe Rekrutierung über Third-Party-Manager beziehungsweise Managed-Service-Provider. In diesen Beschaffungskanälen gibt es ein stetes Auf und Ab , wobei aktuell IT-Berater Aufwind verspüren, während Personaldienstleister einen leichten Rückgang verzeichnen. Und seit Jahren werden Online-Portalen die besten Zukunftsaussichten eingeräumt - einen Durchbruch gegenüber den "realen" Vermittlern haben die Websites bislang nicht geschafft. Der wichtigste Rekrutierungsweg für Unternehmen bleibt jedoch mit rund 41 Prozent die direkte Beauftragung aus dem persönlichen Netzwerk.

Kontakte und Beziehungen sind Gold wert

Ohne das eigene Netzwerk wären auch viele IT-Freiberufler ohne Anschlussauftrag. Kontakte und Beziehungen sowie positive Erfahrungen bei einem Einsatzunternehmen sind Gold wert. Von den Institutionen im Markt unterbreiten Vermittler und Personaldienstleister die meisten Angebote für Aufträge an IT-Freiberufler. Dahinter rangieren IT-Beratungsgesellschaften, Systemhäuser sowie Online-Portale mit und ohne Agenturleistungen.

In fast allen Bereichen stieg die Zufriedenheit der IT-Freiberufler mit Vermittlungsagenturen und Personaldienstleistern im Jahresvergleich an. Projekte und Einsatzunternehmen werden als relativ interessant wahrgenommen, und die Qualität der Zusammenarbeit kommt insgesamt auf einen guten Durchschnittswert, der sich gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert hat. Wie schon 2016 tragen vor allem zuverlässige Zahlungen der Personalvermittler und die reibungslose Abwicklung zur Zufriedenheit der IT-Freelancer bei. Weniger wichtig sind hingegen schnelle Zahlungen. Die Akzeptanz der Honorarforderungen durch Personaldienstleister wird eher negativ eingeschätzt, ebenso wie die häufig nicht wirklich "maßgeschneiderten" Projektangebote, die den Selbstständigen unterbreitet werden. Auch das (unzureichende) Feedback auf absolvierte Projekte gab Anlass zur Kritik.

Erfahrungen bei früheren Projekte sind entscheidend

Muss sich ein Unternehmen für einen geeigneten Personaldienstleister entscheiden, ist die gute Zusammenarbeit bei einem früheren Projekt mit Abstand das wichtigste Kriterium. Stark zugelegt hat jedoch das Preis-Leistungs-Verhältnis - einmal bei der Entscheidung, zum anderen bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit: Es verzeichnete einen Zuwachs von rund fünf Prozentpunkten und schob sich auf den ersten Platz der Kriterien, die den Einsatzunternehmen besonders wichtig sind. Hingegen rutschte die Zuverlässigkeit des Dienstleisters, der letztjährige Spitzenreiter, um knapp sieben Punkte ab. Zudem legen Kunden deutlich mehr Wert - plus neun Punkte - auf die fachliche Kompetenz des Ansprechpartners beim Dienstleister. Das gilt übrigens auch aus Sicht der Freiberufler.

Bei der konkreten Auftragsvergabe über Personaldienstleister und Vermittler bleibt die Qualität des vorgelegten Profils das wichtigste Entscheidungskriterium. Wenn der Freiberufler den Auftraggeber von gemeinsamen Projekten her kennt, kann er den Heimvorteil voll ausspielen. Anschließend schaut der Auftraggeber auf das geforderte Honorar des Freelancers. In Konzernen mit über 10.000 Mitarbeitern ist die Bedeutung des Tagessatzes jedoch wesentlich geringer als in kleineren Firmen. Im Mittelfeld der Kriterien kommt es auf die Geschwindigkeit an: einmal bei der Rekrutierung eines Freelancers durch den Auftraggeber, zum anderen bei der Rekrutierung geeigneter Freelancer durch den Dienstleister selbst. Zudem spielt die Zeitdauer für die Vorstellung des Kandidaten in die Entscheidung hinein.

Interessanter Aspekt am Rande: Über die Hälfte der befragten Unternehmen setzt keine spezielle Software zur Verwaltung der IT-Freiberufler und zur Steuerung von Personaldienstleistern oder Vermittlern ein. Dabei sind Organisationen, die Programme für das Freelancer-Management nutzen, überaus zufrieden. Nach dem Schulnotenprinzip landen die Tools zwischen 1,55 und 2,1. Bei zwei abgefragten Programmen sind jeweils über 90 Prozent der Anwenderunternehmen zufrieden oder sehr zufrieden - in der Enterprise-IT ein spektakulärer Wert. Aus der Freiberufler-Studie 2016 war hervorgegangen, dass fast ein Drittel der Unternehmen Excel zur Verwaltung von Kandidaten verwendete, ein Viertel nutzte ERP-Komponenten.

Mixed Teams sind Erfolgsmodell

Ein Erfolgsmodell in der Zusammenarbeit mit Freiberuflern sind so genannte "Mixed Teams " aus internen und externen IT-Fachkräften. So streben mehr als 89 Prozent der befragten Unternehmen (manchmal, häufig bzw. immer) gemischte Teams an. Gegenüber 2016 ist der Anteil der Auftraggeber, die Mixed Teams vermeiden, geringfügig auf 1,7 Prozent gesunken. Ein Grund für den Trend sind die guten Erfahrungen: Waren 2016 noch knapp 64 Prozent der Firmen zufrieden bis sehr zufrieden mit Mixed Teams, sind es in diesem Jahr bereits acht von zehn Unternehmen. Nicht oder gar nicht zufrieden war keines von ihnen. Der Grad der Zufriedenheit variiert zwischen kleinen Unternehmen (Schulnote: 2,01) und großen Unternehmen (2,19) sowie zwischen Top-Managern (1,76) und IT-Leitern (2,13). Vereinfacht: IT-Leiter aus Konzernen sind ein bisschen weniger zufrieden mit Mixed Teams als Geschäftsführer von Firmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern.

Ausblick

Trotz der eindrucksvollen und langanhaltenden Wachstumsphase im Markt für IT-Freiberufler ist mittelfristig davon auszugehen, dass die Bäume nicht immer weiter in den Himmel wachsen. Indizien: Rund 45 Prozent der IT-Fachkräfte in Unternehmen kommen derzeit von außen hinzu. Dabei ist die Quote der festangestellten IT-Experten 2016 nur um 0,3 Prozent gesunken, was weniger durch Selbstständige kompensiert wurde, sondern vielmehr durch Experten von Outsourcing-Dienstleistern sowie im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Zudem geht die Mehrzahl der Befragten aus Einsatzunternehmen heute davon aus, dass sich der Anteil der Externen nicht verändern wird. Allerdings sind auch rund 40 Prozent der Ansicht, dass künftig mehr freie Mitarbeiter in den IT- und Fachabteilungen tätig sind - für ein paar zusätzliche Jahre Aufschwung bei IT-Freiberuflern reicht das noch allemal aus.

"IT-Freiberufler-Studie 2017"

Die Studie basiert auf einer Online-Befragung, in deren Rahmen im Zeitraum von 14. Dezember 2016 bis 17. Januar 2017 insgesamt 917 qualifizierte Interviews durchgeführt wurden. Grundgesamtheit sind zum einen die IT-Freiberufler selbst sowie zum anderen IT-Projektverantwortliche und IT/TK-Entscheider aus Einsatzunternehmen der DACH-Region, darunter CIOs/IT-Vorstände, IT-Leiter, IT-Projektleiter, Fachbereichsleiter, Einkäufer und vergleichbare Funktionen. Hierzu wurden zwei Stichproben gezogen und zwei unterschiedliche Fragebögen entwickelt. Den Ergebnissen der Studien liegen 578 Interviews mit IT-Freiberuflern sowie 339 Interviews in den Einsatzunternehmen zugrunde.

Partner der Studie waren die Unternehmen Allgeier Experts SE, DIS AG, Experis Manpower Group, freelance.de, GECO AG, GULP Information Services GmbH, Hays AG, Questax GmbH, SOLCOM GmbH und SThree GmbH. Die Umfrage wurde durchgeführt in Kooperation mit dem Deutschen Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige e.V. (DBITS) und dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD).

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