Neue Studie zum Berufseinstieg

IT-Absolventen liebäugeln mit Selbständigkeit

24.11.2015
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Jeder zweite Informatikstudent kann sich eine Tätigkeit als Freelancer vorstellen. So lautet das vielleicht wichtigste Ergebnis einer Studie der Hochschule Ludwigshafen im Auftrag des Personaldienstleisters Etengo. Als Gründe geben die Befragten hauptsächlich den Wunsch nach flexiblem, selbstbestimmtem Arbeiten an. Viele streben die Selbständigkeit sogar direkt nach dem Abschluss an.
  • Selbständigkeit mehr Lebens- als Erwerbsmodell
  • Ein Fünftel der ITler wollen sich nach dem Studium selbständig machen

Von Angst und Unsicherheit keine Spur: Laut der Studie sehen 49,3 Prozent der deutschen IT-Studenten Selbständigkeit als attraktive Karriereoption. Nimmt man die Befragten dazu, die Freiberuflichkeit zumindest in Betracht ziehen, ergeben sich immerhin 83,4 Prozent. In anderen Studien ist die Rede davon, dass der Wille zum Freelancing sinkt. Nicht so bei hochqualifizierten IT-Experten - hier steigt er.

Die wichtigsten Gründe dafür, Freelancer zu werden, sind Aussichten auf mehr Selbstbestimmtheit in der beruflichen Tätigkeit, Abwechslung und Freiheit.
Die wichtigsten Gründe dafür, Freelancer zu werden, sind Aussichten auf mehr Selbstbestimmtheit in der beruflichen Tätigkeit, Abwechslung und Freiheit.
Foto: Dudarev Mikhail/Fotolia.com

Überraschende Ergebnisse zeigt die Studie auch bei der Form der Selbständigkeit: Nicht nur eine Unternehmensgründung im Rahmen eines Startups ist beliebt, insgesamt 61 Prozent können sich heute auch eine Tätigkeit als Solo-Selbständiger vorstellen. Die wichtigsten Gründe dafür, Freelancer zu werden, sind Aussichten auf mehr Selbstbestimmtheit in der beruflichen Tätigkeit, Abwechslung und Freiheit. Das mögliche höhere Einkommen spielt dagegen eine nachgeordnete Rolle. Selbständigkeit - so scheint es - ist für die Wissensarbeiter von morgen nicht nur Erwerbs-, sondern eben auch Lebensmodell.

Ohne Umwege von der Uni in die Selbständigkeit

"Die Digitalisierung der Wirtschaft fängt erst richtig an und die Auswirkungen auf die Beschäftigung werden zunehmend deutlicher. Auf jeden Fall wird uns das zweite Maschinenzeitalter noch sehr lange beschäftigen", ist Matthias Hamann, wissenschaftlicher Leiter der Studie und Professor an der Hochschule Ludwigshafen, überzeugt. Innovationen im Zuge von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge schafften permanent neuen Bedarf für Spezialisten. "Dabei gewinnt das Modell Selbständigkeit weiter an Attraktivität", ist sich der Wissenschaftler sicher. Diese Entwicklung zwinge Unternehmen zum Umdenken, denn "hochspezialisierte Freiberufler, die sich in ständig wechselnden Projekten mit neuesten Technologien beweisen wollen, werden Firmen als Festangestellte immer weniger zur Verfügung stehen", analysiert Hamann. Das bedeute für ihn: In diesem Segment wird der Fachkräftebedarf weiter zunehmen.

Eine weitere Zahl verdeutlicht die Herausforderung für Unternehmen: Mehr als ein Fünftel der Befragten spielt mit dem Gedanken, sich direkt nach Abschluss des Studiums selbständig zu machen, weitere 27,4 Prozent können sich dies zumindest vorstellen. Als Gründe gaben die Studenten häufig an, dass sie schon immer selbständig sein wollten, viele weisen auch darauf hin, dass ihre Qualifikation am Markt sehr gefragt ist. Eine Festanstellung ist für diese IT-Profis eher Hemmschuh als Sicherheitsnetz. Viele bemerken das bereits noch vor ihrer eigentlichen Karriere: Mehr als ein Viertel übt schon während des Studiums eine selbständige Tätigkeit aus und hat damit den ersten Schritt Richtung Freelancing bereits gemacht.

Generation Y setzt auf Sinn statt Sicherheit

"Die Wissensarbeiter der 'Generation Y' wollen einen interessanten Beruf mit flexiblen Arbeitszeiten - und dank ihrer gefragten Qualifikationen können sie sich solche Ansprüche auch leisten", meint Etengo-Vorstandsvorsitzender Nikolaus Reuter. Anders als oft unterstellt, flüchte die Generation aber nicht pauschal in die vermeintliche Sicherheit der Festanstellung oder Verbeamtung. Eine freiberufliche Tätigkeit könne ihren Wunsch nach selbstbestimmter und abwechslungsreicher Arbeit häufig viel besser erfüllen - besonders in der IT. "Sinn ist ihnen wichtiger als Sicherheit", kommentiert Reuter. "Wir beobachten die Entwicklung hin zur Projektwirtschaft schon seit fast einer Dekade. Aber dass sich die Bereitschaft zur Selbständigkeit so klar zeigt, hat unsere Erwartungen dennoch übertroffen" , freut sich der Etengo-Chef.

Nikolaus Reuter, Vorstandsvorsitzendes Etengo AG: "Die Wissensarbeiter der 'Generation Y' wollen einen interessanten Beruf mit flexiblen Arbeitszeiten - und dank ihrer gefragten Qualifikationen können sie sich solche Ansprüche auch leisten."
Nikolaus Reuter, Vorstandsvorsitzendes Etengo AG: "Die Wissensarbeiter der 'Generation Y' wollen einen interessanten Beruf mit flexiblen Arbeitszeiten - und dank ihrer gefragten Qualifikationen können sie sich solche Ansprüche auch leisten."
Foto: Etengo (Deutschland) AG

Die neuen Freelancer

Die Studie "(Solo-)Selbständigkeit in der Wissensarbeit - das Modell der Zukunft?" wurde an der Hochschule Ludwigshafen im Auftrag der Etengo (Deutschland) AG erstellt. Sie stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. rer. oec. habil. Matthias Hamann, und Anna Wennemers setzte sie um. An der Online-Befragung nahmen 399 Studenten der Informatik und Wirtschaftsinformatik aus ganz Deutschland teil. Damit ist die Studie nicht vollständig repräsentativ, erlaubt jedoch fundierte Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit der Informatikstudenten in Deutschland.