Digitale Transformation dank künstlicher Intelligenz

Ist KI auch was für KMU?

Kommentar  20.10.2023
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Payam Vassighi ist studierter Informatiker und verfügt über mehrjährige Expertise im IT-Sourcing. Neben unterschiedlichen Leitungspositionen in einem global agierenden Logistik-Unternehmen und der Gründung eines eigenen Tech-Startups war er in einem IT-Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Nearshore Strategy und als CEO in Estland tätig. Aktuell arbeitet er als „Head of Software Development“ bei einem Anbieter für medizinische Messsysteme und Waagen in Hamburg. Dort ist er zudem für die von ihm gegründete Niederlassung in Litauen verantwortlich.
KI kann bei der digitalen Transformation kleiner und mittelständischer Unternehmen treibende Kraft sein. Wir beleuchten Herausforderungen und Chancen und liefern einen Praxisleitfaden.

Man könnte meinen, kleine und mittlere Unternehmen haben es schwieriger, bei digitalen Innovationen mitzuhalten. Tatsächlich kommt aber ein großer Teil der Patentanmeldungen aus dem Mittelstand. An der Innovationsfähigkeit kann es daher nicht liegen. Die Gründe liegen woanders. KMU stehen zum Beispiel der Hürde gegenüber, dass häufig weniger Mitarbeitende zur Verfügung stehen, um sich schon rein zeitlich mit Neuerungen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig sind die Strukturen und Freigabeprozesse weniger komplex. Das Management muss weniger Mitarbeitende von einem neuen Konzept überzeugen und kann einfacher einen anderen Weg einschlagen, wenn etwas nicht gelingen sollte.

Während die Ladeninhaberin Arbeiten an einem Tablet erledigt, kümmert sich der Chatbot des Ladens um einen Kunden. Richtig eingesetzt, kann KI in der Kundenbetreuung gute Dienste leisten und möglicherweise viel dazulernen.
Während die Ladeninhaberin Arbeiten an einem Tablet erledigt, kümmert sich der Chatbot des Ladens um einen Kunden. Richtig eingesetzt, kann KI in der Kundenbetreuung gute Dienste leisten und möglicherweise viel dazulernen.
Foto: Chay_Tee - shutterstock.com

Es ist die Aufgabe der Führungskräfte, Mitarbeitende beim Prozess miteinzubeziehen und ihnen durch transparente Kommunikation Ängste zu nehmen. Denn die digitale Transformation ist nur so gut wie das Team, das das Projekt genauso antreiben wie bremsen oder gar ganz blockieren kann.
Unterschätzen Sie dabei nicht, wie schnell die Fortschritte bei Entwicklungen tatsächlich voranschreiten und nutzen Sie als KMU die Gunst der Stunde, um als Vorreiter mutig voranzugehen.

KMUs erhalten an vielen Stellen Unterstützung und können Förderungen beantragen. Eine Anlaufstelle ist zum Beispiel das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit den KI-Trainern.

Use Cases und Einsatzmöglichkeiten von KI

Mittlerweile ist Vorsicht geboten, weil viele Firmen ihre Lösungen als intelligent bezeichnen, um damit auf den Hype aufzuspringen. Hier wollen wir deshalb auf ein paar Beispiele eingehen, in welchen Bereichen KI eingesetzt wird.

KI in der Industrie: Die Industrie ist schon seit Längerem bestrebt, möglichst effizient und intelligent zu arbeiten. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie Maschinen Routinearbeiten abnehmen können. Und so finden sich dort zahlreiche Beispiele für Roboter im Lager- oder Service-Umfeld und Künstliche Intelligenz, die Fehler in den Fertigungsprozessen aufdeckt. Dort mag die Herausforderung sein, diesen Hang zur Innovation auch auf die anderen Bereiche im Unternehmen zu übertragen, beispielsweise intelligente Gebäudetechnik in den Büroräumen zu nutzen oder KI für Serviceanfragen einzusetzen.

Lesetipp: 3 Anwendungsfälle - KI als Gamechanger für die Industrie

Daten, Daten, Daten: Giganten wie Google und Meta stützen ihr gesamtes Geschäftsmodell auf Daten. Während die Nutzer den Eindruck haben, sie seien die Kunden, sind die Daten über ihr Nutzungsverhalten die eigentliche Ware. Vielleicht spielt das Nutzungsverhalten von Kunden auch in Ihrem Unternehmen eine Rolle. Beispielsweise basiert das Vorschlagen von anderen Produkten in einem Online-Shop, die interessant sein könnten, teilweise auf Künstlicher Intelligenz.

Künstliche Intelligenz für Ihren Kundenservice: Mitarbeitende für den Kundenservice sind schwer zu finden, weil sie teilweise großen Belastungen ausgesetzt sind. KI kann einerseits dabei unterstützen, indem sie, noch viel durchdachter als Chatbots, eigenständig Anfragen bearbeitet. Sie kann andererseits sogar Muster darin erkennen, wie sich Kunden verhalten, von ihrer Tonlage auf Emotionen schließen und welche Auslöser jeweils dahinterstecken.

Wir tendieren dazu, zu unterschätzen, was KI alles kann. Und was wir heute darüber denken, mag in zwei Wochen schon wieder veraltet sein. Das Periodensystem KI vom Bitkom ist eine Möglichkeit, sich darüber auf dem Laufenden zu halten und einen Überblick zu bekommen.

Schritte auf dem Weg zur digitalen Transformation mit KI

So kann ein sinnvoller Prozess auf dem Weg zur digitalen Transformation aussehen:

1. Zustandsanalyse & Potenzial

In einer Potenzialanalyse solltenb die Stakeholder Antworten auf folgende Fragen finden:

  • Wie steht es um die Nutzung von KI im Unternehmen?

  • Sind Voraussetzungen für den Einsatz der Systeme, wie beispielsweise eine gute Internetverbindung gegeben?

  • Werden bereits Daten digital in Data Lakes oder proprietären Datenpools gesammelt?

  • Wie groß ist das Know-how der Geschäftsführung und der Belegschaft?

  • In welchen Bereichen profitiert das Unternehmen am meisten von KI, weil man dort am ehesten die gesetzten Ziele erreichen kann oder es dort Schwächen gibt?

Zur Potenzialanalyse gehört ebenso, sich über die gewünschten Ziele Gedanken zu machen: Geht es eher darum, Routinearbeiten durch KI zu ersetzen oder soll ein System das Management dabei unterstützen, Geschäftsentscheidungen zu treffen? Hilft KI ihren kreativeren Abteilungen bei der Erstellung von Marketingmaterial und der Ideenfindung? Anhand der gesetzten Zielen lassen sich KPIs ausarbeiten, um im Nachhinein quantifizieren zu können, ob das Projekt erfolgreich war.

2. Strategieentwurf

Anhand der Analyse des aktuellen Geschäftsmodells beziehungsweise der Erkenntnisse aus Phase 1 werden nun unterschiedliche Strategien entworfen. Diese bauen darauf auf, wo im vorherigen Schritt Schwächen identifiziert wurden, die mit KI bereinigt werden können, und an welchen Stellen am effektivsten die gewünschten Ziele erreicht werden können.

Daraufhin erfolgt die Bewertung der möglichen Business Cases und eine der möglichen Strategien wird ausgewählt.

3. Konzepterstellung und Bedarfsermittlung

Nach der Strategie geht es an das konkrete Konzept. Dazu gehört es, die Voraussetzungen zur Umsetzung der Strategie zu schaffen, beispielsweise:

  • umfangreiche Schulungen aller Mitarbeitenden,

  • Anpassen der Infrastruktur (wo nötig),

  • Festlegen des Zeitrahmens für die Implementierung, und

  • Analysieren und Festlegen der nötigen personellen Ressourcen.

An dieser Stelle ist es in vielen Fällen ratsam, unterschiedliche Strategien des Talent Sourcings in Erwägung zu ziehen. Ohne eine Sourcing-Strategie steht die Digitalstrategie auf wackligen Beinen.

Lesetipp: Talent Hub - Mit Talent-Management gegen den IT-Fachkräftemangel

4. Organisationsaufbau

Die folgenden Schritte sind ziemlich selbsterklärend: Im Anschluss geht es jetzt darum, die Organisation schrittweise so umzubauen, dass sich das Projekt realisieren lässt. Möglich sind Mitarbeitende oder Teams, die zunächst die neue Struktur oder das neue System testen. Diese können als Keyuser der ersten Stunde im Anschluss auch weiteren Mitarbeitenden für Fragen zur Verfügung stehen.

5. Ausführung

Indem die Lösung der Zielgruppe offiziell zur Verfügung gestellt wird, geht das Projekt "live". Die Lösung wird in dem betroffenen Bereich eingesetzt, wo sie entweder eine nicht KI-basierte ersetzt oder einen neuen Nutzen bringt, den vorab ein Mensch erbringen musste.

6. Überwachung & Bewertung

Begleitend und nach einem festgelegten Zeitraum darf nicht vergessen werden, zu überprüfen, welchen Nutzen das KI-Projekt bringen konnte. Das muss nicht immer sofort ein Mehr an Kunden bedeuten. Es lassen sich vielmehr Skaleneffekte durch Effizienzsteigerung beobachten, die durch die Nutzung von KI-Lösungen erzielt werden können.

Es ist wichtig, dass die einzelnen Schritte den spezifischen Bedürfnissen und Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens angepasst werden. Tatsächlich könnte KI auch bei diesem Prozess bereits unterstützen. Verlässlicher ist allerdings eine Gruppe von Experten, die die Möglichkeit haben, sich ständig über die Entwicklungen und Möglichkeiten im Bereich KI auf dem Laufenden zu halten.

Was bedeutet der KI-Aufschwung für KMUs?

Prognosen von PWC gehen davon aus, dass KI für mehr als elf Prozent des Wachstums verantwortlich sein wird. Die Europäische Kommission sprach 2019 sogar von 20 Prozent. Dabei sorgt die Schlüsseltechnologie auf vielfältige Art für eine Verbesserung von Betriebsergebnissen und Geschäftswachstum. KI ist zweifelsohne eine disruptive Technologie und Führungskräfte sollten sich damit auseinandersetzen und zeitig eine Unternehmensrichtlinie für die Nutzung von KI im Unternehmen (AI-Policy) aufsetzen. Dazu benötigt es ein möglichst diverses Team, das permanent die KI-Landschaft begutachten kann und bei der Transformation hilft. Nur so wird die Wettbewerbsfähigkeit trotz des rasanten Umschwungs durch die Künstliche Intelligenz auf Dauer erhalten. (bw)