Die Botschaft kommt von ganz oben bei TUI. Der Touristik-Konzern soll grüner und nachhaltiger werden. Sebastian Ebel, der die Führung des Reiseanbieters nach den schwierigen Corona-Jahren Anfang Oktober 2022 als CEO übernommen hatte, machte schnell deutlich, dass Sustainability ein zentrales Leit- und Handlungsmotiv für TUIs Zukunft sein soll. Die Ziele sind ambitioniert. Bis 2030 soll die Flugzeugflotte ihren CO2-Fußabdruck um 24 Prozent verringern, das Kreuzfahrtgeschäft um 27,5 Prozent und die Hotels und Ferienanlagen sogar um über 46 Prozent. TUI soll der Klima-Pionier in der Tourismusbranche werden, gibt Ebel vor.
Dafür muss TUI sein Business von Grund auf verändern. Ein Hebel der im Januar 2023 verabschiedeten TUI Sustainability Agenda sind Technologie und IT. Alle Fäden dafür laufen bei Isabelle Droll zusammen. Sie ist CIO Holiday Experience and CoS Technology (HEXCOS) bei TUI. In dieser Funktion verantwortet Droll die Sustainability Technology Strategy, die im wesentlichen zwei Perspektiven einnimmt.
Sustainability by Technology: Einmal dreht es sich darum, wie Technologie dazu beiträgt, TUIs Reisegeschäft nachhaltiger zu gestalten. So verwendet TUI Künstliche Intelligenz (KI), um Flug- oder Schiffsrouten zu optimieren und so Kraftstoff - und Emissionen - zu reduzieren. TUI setzt AI auch für möglichst effiziente Routen für den Transport in den Destinationen ein und reduziert so Emissionen. Außerdem geht es beim Thema "Sustainability by Technology" um Transparenz und die Verfügbarkeit von Daten, eine wichtige Voraussetzung für die Steuerung der nachhaltigen Transformation im Unternehmen. Dazu wurde ein System zur Ermittlung, Steuerung und Reporting von Sustainability-/ESG-Daten eingeführt.
Sustainability of Technology: Der zweite Blickwinkel erfasst den IT-Betrieb selbst. Beispielsweise soll der Cloud-Betrieb hinsichtlich CO2 und Energieverbrauch mit Hilfe von FinOps-Technologie optimiert werden. Außerdem wird TUI Nachhaltigkeit als wichtiges Auswahlkriterium unter IT-Lieferanten etablieren. Im eigenen IT-Betrieb will der Reisekonzern den Produktlebenszyklus der eigenen Hardware auf den Prüfstand stellen. Das Ziel: Einkauf, Nutzung und Entsorgung von Geräten zu optimieren, um die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in alle Prozesse zu integrieren. Um den CO2-Fußabdruck von Anwendungen und Web-Seiten zu verringern, arbeitet TUI derzeit an Green-Coding-Prinzipien, die demnächst eingeführt werden.
Sämtliche IT-Investments bei TUI müssen künftig im Freigabeprozess eine Nachhaltigkeitsprüfung durchlaufen. Auch beim für kommendes Jahr geplanten Umzug des zentralen Data Centers werde Nachhaltigkeit ein zentrales Leitmotiv bilden, kündigte Droll an. Mitte 2023 hat der Touristikkonzern erstmals den Carbon Footprint der gesamten IT in der TUI Group gemessen. Das ist der Maßstab, um künftige Nachhaltigkeitserfolge zu benchmarken, hieß es.
Wandel durch Technologie
Die Sustainability-Strategie ist Teil eines weiterreichenden IT-Umbaus bei TUI. Trotz Corona-Lockdowns hat der Touristikkonzern die Gelegenheit genutzt, den Wandel durch Technologie im eigenen Unternehmen zu forcieren. So wurden in einzelnen Geschäftsbereichen die Kernsysteme über Landesgesellschaften hinweg konsolidiert - in der IT-Domain TUI Airline Technology beispielweise die Anwendung und Services um mehr als 40 Prozent. Auch die IT-Bereiche, die sich um die Holiday Experience der Kunden kümmern, wurden zusammengeführt.
Damit einher geht eine Neuaufstellung der IT-Organisation mit insgesamt etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ziel ist es, die IT als Produktorganisation eng mit dem Business zu verzahnen. "Besonders in meinem Bereich entwickeln wir IT- Lösungen sehr nah am Business, zum Beispiel zusammen mit unseren Piloten", berichtet Droll. Es gebe neue Strukturen mit direkten Berichtslinien ins Business. Das soll sicherstellen, dass Investitionen den besten Wertbeitrag leisten. "Dafür sitzen wir IT-Leaders in den unterschiedlichen Management Boards und entscheiden mit." TUIs Transformationsprozess werde von einer offenen und inklusiven Kultur der Zusammenarbeit begleitet, in der Business und IT zunehmend verschmelzen.
IT-Verantwortliche entscheiden mit
Die systematische Einbindung der IT-Verantwortlichen aller Ebenen in die Entscheidungsgremien und Prozesse des jeweiligen Geschäftsbereichs bezeichnet die CIO als zentrales Erfolgskriterium. Die IT-Mitarbeiter sind Teil von Entscheidungsprozessen. "Wir entscheiden gemeinsam mit den Kollegen aus dem Business über die Finanzierung und Prioritäten unserer digitalen Roadmap", erklärt Droll. Diese enge Kooperation setze sich fort bis auf Teamebene und garantiere so eine methodische Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ihr Motto: Sich nicht nur als Technologie Leader verstehen - nur in Zusammenarbeit mit dem Business können wir Wert schaffen.
Nach sechs Monaten Aufbau arbeitet TUIs Abteilung Sustainability Technology seit Mitte 2023. Nach Veröffentlichung der Agenda im Februar dieses Jahres wird aktuell die Sustainability Technology Strategie 1.0 umgesetzt. Im kommenden Jahr soll die Strategie mit Release 2.0 überarbeitet und weiterentwickelt werden. Das Projekt setzt bereits in seiner frühen Phase auf die Einbeziehung der Mitarbeitenden. Zirka 50 IT-Mitarbeitende beteiligen sich konkret an strategischen Umsetzungsprojekten, zum Beispiel im Procurement zur Entwicklung nachhaltiger Einkaufspolicies. Weitere 150 Freiwillige, die sogenannten "GreenTechReps", verankern Sustainability als Thema einer Community in der gesamten Organisation.
Für Droll heißt es, das Vorhaben konsequent weiterzuverfolgen - auch wenn es eine Gratwanderung zwischen Versprechen und Greenwashing bedeutet. Als Reisekonzern mit signifikantem CO2-Fußabdruck trage TUI eine Verantwortung, sich ambitionierte Ziele zu setzen und über das Erreichte auch transparent zu berichten. Es gelte, Mut zu zeigen, Projekte voranzutreiben und auch Risiken zu akzeptieren. Auch wenn nach drei herausfordernden Pandemie-Jahren die finanziellen Spielräume begrenzt seien. "Wichtig ist es auf allen Ebenen des Unternehmens, den unbedingten Willen zu haben, Dinge möglich zu machen", sagt Droll.
Sustainability spart Energie und senkt die Kosten
Letztlich profitiere der Konzern auch von seiner Sustainability-Agenda. Mittelfristig erwartet TUI durch den Einsatz grüner Technologien 20 bis 40 Prozent Einsparungen im Bereich Energieverbrauch und damit verbundener Kosten. Auch auf Seiten der Investoren spielten ESG-Aspekte eine immer wichtigere Rolle bei Investments. Droll macht klar: "Eine robuste, transparente Datenlage ist essenziell, um Investoren-Interessen zu bedienen."
Pluspunkte könne TUI auch bei Kunden und in der eigenen Belegschaft sammeln. Schließlich wachse das Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Kunden fordern mehr Transparenz und fragten vermehrt nachhaltige Reiseangebote nach. Laut einer internen Umfrage unter IT-Kollegen finden über 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen das Thema Sustainability bei TUI wichtig und über 70 Prozent wollen aktiv beteiligt sein. Nachhaltigkeit entwickle sich damit zum Erfolgsfaktor im "war for talents".
Das sagt die Jury vom "CIO des Jahres"
Mutig und beeindruckend, urteilt die Jury, in Corona-Zeiten nach vorne zu denken und Nachhaltigkeit zu platzieren. Das TUI Sustainability Technology Strategy - Programm sei einzigartig, gerade in der Tourismus, Hotels & Cruises - Branche und zeige wie viel Potential in Sustainability stecke. Ein wichtiges Thema jetzt und in Zukunft. Das Projekt sei absolut am Zahn der Zeit und ein wirklicher Lighthouse-Ansatz auch für Non-Touristic-Industries - und sichert Droll einen Platz unter den Finalistinnen und Finalisten in der Kategorie Großunternehmen. (kf)
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