Die Bluetooth-Zahnbürste, die mit dem WLAN verbundene Waage, smarte Kleidungsstücke, die Gardinen-Steuerung zuhause oder auch ein Rasenmäher-Roboter – etliche Branchen haben den Startpunkt für IoT-basierte Anwendungen und Geschäftsmodelle gefunden. Doch die Finanzdienstleister müssen höher springen. Denn im reinen Dienstleistungsgeschäft gibt es keine Shops und keine physischen Produkte, in welche sich Sensoren für Tracking oder Kommunikation einbauen lassen.
Herausforderung mobiler Kontext
Vordergründig haben ein Bankkonto, eine Lebensversicherungs- oder Krankenversicherungs-Police überhaupt nichts mit Dingen zu tun. Aber das ändert sich, sobald diese Dienstleistungen im mobilen Kontext stehen. Kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone am Point of Sale (POS), Schritte- und Aktivitäten-Zählen für Präventions-Anreize oder prämienrelevante Blackboxes im Auto sind erste sinnvolle Anwendungen.
Lange Zeit lag der Fokus von IoT-Anwendungen vor allem darauf, durch Sensoren und direkte Anbindung ans Internet die Objekte selbst "intelligenter" zu machen. So sind entsprechende Anwendungen bei Unternehmen wie ABB im Bereich Performance Monitoring und Predictive Maintenance schon seit längerer Zeit im Einsatz.
Den eigentlichen Hype von IoT brachte aber vor allem die rasante Verbreitung von Smartphones in den vergangenen Jahren. Wearables, die ihre Daten via Smartphone ins Netz senden, Lokalisierung via Beacons oder der Remote-Zugriff auf das Smart Home aus einem beliebigen Mobile Kontext – die Konnektivität des Smartphones hat das Internet der Dinge zum Konsumenten gebracht und beflügelt zugleich durch das exorbitante Potential der Daten die Geschäftsmodelle und Fantasie der Anbieter.
Unendliche Möglichkeiten, doch nicht alles ist sinnvoll
Schätzungen von Gartner zufolge werden wir gegen Ende 2017 weltweit von ca. acht Milliarden vernetzbaren Objekten umgeben sein. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, haben bereits einige Branchen nachhaltig erschüttert. Kein Wunder also, dass sich auch etablierte Finanzdienstleistungs-Unternehmen mit dem Potenzial der IoT-Anwendungsfälle beschäftigen. Erste Ideen zeigen sich in der Installation von Beacons in Filialen und im Tracking von Gesundheitsdaten. Doch nicht alle Ideen, die auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, sind geeignet, eine User Journey sinnvoll zu unterstützen. Dazu im Folgenden drei Beispiele.
Kontext ist alles?
Lokalisierung und Ortungsdienste sind ein entscheidender Faktor bei der Kontextualisierung und damit ein zentraler Aspekt für den Erfolg vieler mobiler und IoT- bezogener Anwendungsfälle. Meldungen zu freien Parkplätzen, ein automatischer Feueralarm, Messungen von Temperatur, Wasserqualität, Verbrauchs- oder Füllmengen, Funktionen wie Zutrittskontrolle, Track and Trace oder Fernsteuerungen – gerade durch Kontextualisierung erhalten Services und Funktionen oft überhaupt erst wirklich Sinn.
Auf dieser Überlegung baut auch eine Reihe von Use Cases bei Finanzdienstleistern auf. Doch nicht jeder kontextualisierte Service stiftet tatsächlich Nutzen. Zuweilen wirkt der Zusammenhang zwischen User Journey und angebotenem Service eher konstruiert.
a) Beacons
Eine schon früh diskutierte Idee war die Installation von Beacons und damit die automatische Erkennung eines Kunden, der eine Filiale betritt. Das setzt allerdings voraus, dass der Kunde sein Smartphone dabei und die entsprechende App geladen hat, Bluetooth oder WiFi aktiviert ist und obendrein die App auch im Hintergrund eine Verbindung annimmt. Ziemlich viele Voraussetzungen bei verhältnismäßig kleinem Nutzen! Denn was bringt es mir, erkannt zu werden, wenn ich in eine Filiale komme?
In den meisten Fällen dieser User Journey hat der Kunde vorgängig einen Beratungstermin ausgemacht und darf erwarten, dass sein Ansprechpartner sich schon vorher auf ihn und seine Historie vorbereitet hat. Die automatische Erkennung läuft ins Leere. Und bei einem anonymen Besuch, etwa für ein einfaches Schaltergeschäft, mag die automatische Erkennung hilfreich für die Bank sein. Doch dem Nutzer bringt das – außer vielleicht einer persönlichen Ansprache – keinen Mehrwert.
b) Virtual Reality
Eine weitere Idee ist die Nutzung von Virtual-Reality- (VR) oder Augmented-Reality- (AR) Hardware. So kann beispielsweise eine AR-Brille den Weg zur nächsten Filiale oder zum nächsten Geldautomaten zeigen und dorthin navigieren oder Video-Anrufe für Supportfälle ermöglichen. Beides sind valide User Journeys. Allerdings funktionieren sie problemlos auch ohne VR/AR-Hardware.
Solange AR-Brillen nicht zur gängigen Ausstattung zählen, ist dieser Use Case aber kein relevanter Grund, für die Beziehung zum Finanzdienstleister zusätzliche Hardware anzuschaffen. Google Maps weist uns den Weg, Supportfälle lösen wir am Desktop-PC und haben dann entweder ein Telefon in der Hand oder erlauben Co-Browsing mit dem Support-Mitarbeiter.
c) Push-Nachrichten
Eine dritte Idee ist die bedürfnisorientierte Ausgabe von personalisierten Nachrichten am Point of Sale (POS) oder weltweit basierend auf der Geo-Lokalisierung des Users. Ersteres kennen wir aus dem Retail-Bereich, wobei auch dort der Nutzen für den User eher marginal ist. So ist zum Beispiel klar, dass wir etwas essen und trinken wollen, wenn wir mittags in ein Restaurant gehen. Brauchen wir dann spezielle Push-Nachrichten zu Aktionen oder persönlichen Angeboten? Ähnlich ist es bei der Bank: Bei einer ohnedies beschränkten und relativ starren Produktpalette kann man sich keine Push-Nachricht vorstellen, die eine User Journey am POS sinnvoll unterstützt.
Auf der globalen User Journey sieht es etwas anders aus: So wäre ich grundsätzlich froh über aktuelle Push-Nachrichten beispielsweise zu Wechselkurs oder Reiseversicherung. Allerdings ist auch hier das potentielle Kernproduktangebot so übersichtlich, dass die wenigen, aus Sicht eines Finanzdienstleisters relevanten Punkte der User Journey – Fremdwährung beschaffen, Sach- und Reiseversicherung abschliessen, Frühwarnsystem für Kreditkarte aktivieren, etc. – leicht vor der Reise abgehakt sind.