"Wenn Du schnell gehen willst, geh allein, wenn Du weit kommen willst, geh zusammen mit anderen" Unter diesem Motto versammelte PTC vom 22. bis 25. Mai über 5000 Fachbesucher - darunter allein 900 Partner - auf der Liveworx 2017 im Boston Convention Center, verglichen mit "nur" rund zirka 3000 Gästen im Vorjahr. Allerdings weitete PTC den Fokus der diesjährigen Veranstaltung wieder etwas aus, nachdem es auf der LiveWorx 2016 fast ausschließlich um das Internet of Things und Augmented Reality ging. "Viele der klassischen PLM-Kunden habe der Kurs überfordert", räumte denn auch PTC-CEO Jim Heppelmann in einer Q&A-Session gegenüber Pressevertretern ein, weshalb man nun stärker den Gesamtkontext herausstellen wolle.
Der seit sieben Jahren amtierende Firmenchef hatte PTC auf IoT-Kurs gebracht, nachdem ihm bewusst wurde, dass die Kunden eigentlich kein echtes Product Lifecycle Management betreiben. Sie erhalten nämlich keine Daten von Produkten mehr, nachdem diese verkauft wurden. Als Konsequenz nahm PTC vor fünf Jahren zunächst das interne IoT-Projekt "Jolt" in Angriff. Ende 2013 kaufte die Firma dann den IoT-Anbieter Thingworx, um mit dessen bestehender Plattform sofort loslegen zu können. 2015 folgte dann die Übernahme des Augmented-Reality-Geschäftsbereichs Vuforia von Qualcomm.
"Ich will nicht sagen, dass IoT das Wichtigste für PLM ist, aber es ist zumindest sehr wichtig", erklärte Heppelmann, "AR wiederum ist ein Differenzierer." Insgesamt, so der PTC-Chef, besitze das Portfolio nun eine zusammenhängende Story, die von CAD und CAE über IoT, modellbasierte Design-Simulation, AR, 3D-Printing und den digitalen Zwilling reicht.
"Technologien wie 3D-Druck, Smart Manufacturing, IoT, Analytics und AR/VR eröffnen so viele neue Möglichkeiten", erklärte Heppelmann. "Egal, ob bei der technischen Planung, in der digitalen Organisation oder im Vertrieb und Marketing, es tut sich viel. Es ist ein neues Zeitalter der Innovation angebrochen, in dem die industrielle Revolution mit der digitalen Revolution zusammentrifft und sich die Vorteile gegenseitig verstärken."
Anwendungsbeispiel von Bosch Rexroth
Um die damit möglichen Innovationen von der Planung bis hin zu Sales und Marketing eines "smart connected product" aufzuzeigen, führte Heppelmann das LiveWorx-Publikum auf der Bühne durch einen Showcase vom PTC-Kunden Bosch Rexroth. Im Mittelpunkt der Vorführung stand CytroPac, ein kompaktes Hydraulikaggregat, das unter seiner Hülle neben Motor, Tank, Kühlsystem und Steuerung auch Sensoren für Druck, Temperatur, Füllstand, Verschmutzung und Volumenstrom untergebracht hat. Diese helfen den Ingenieuren von Bosch Rexroth nicht nur, die Vitaldaten von im Kundeneinsatz befindlichen Geräten zu überwachen, sondern - wichtiger - Nutzungsmuster und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.
So entdeckte Bosch Rexroth beim Monitoring einige CytroPacs, die nahe der oberen Temperaturgrenze arbeiteten. Da es sich bei diesen Werten um Ausreißer handelte, die nicht bei der normalen Nutzung durch ihre Zielgruppe auftraten, gab es keinen akuten Handlungsbedarf. Es bot sich aber die Möglichkeit, daraus ein neues Produkt für ein neues Kundensegment abzuleiten.
Mit Hilfe eines digitalen Zwillings des CytroPac und Lösungen für Machine Learning (Kalypso Value Analytics) und Simulation (Simulink) fand Bosch Rexroth schließlich heraus, dass es möglich ist, die Effizienz um 30 Prozent zu steigern - wenn es gelingt, die Kühlung entsprechend zu verbessern. Als nächsten Schritt entwickelten die Ingenieure daher mit der CAD-Software PTC Creo ein optimales Modell des Kühlkörpers. Da sich die sehr aufwändig gestalteten Kühlrohre nicht mehr biegen ließen, wurden sie in 3D-Druck aus Aluminium gefertigt. Unter dem Strich ergaben sich dadurch 66 Prozent Gewichtersparnis und insgesamt 43 Prozent mehr Effizienz.
CRM mit IoT neu erfinden
Das Team von Bosch Rexroth zeigte außerdem auf der LiveWorx-Bühne, wie es mit Hilfe von ThingWorx die Nutzungsdaten der CytroPacs und die Verkaufsinformationen aus Salesforce zu einer Sales Recommendation Engine kombinierte. Mit dieser Anwendung kann das Vertriebsteam Up- und Cross-Selling-Möglichkeiten identifizieren und damit letztendlich auch Kundenservice und -zufriedenheit verbessern. Befindet sich ein Hydraulikaggregat etwa über mehrere Stunden im kritischen Temperaturbereich, ist dies ein Zeichen, dass ein anderes, größeres Modell vielleicht die bessere Wahl wäre. Längere Nutzung weist auf den möglichen Bedarf an weiteren Pumpen hin und eröffnet so neue Verkaufsmöglichkeiten.
Ein weiteres Mitglied des Digital-Teams von Bosch Rexroth demonstrierte, inwieweit sich die AR-Integration auch für den Verkaufsprozess eignet. So können sich potenzielle Kunden mit Hilfe einer mit Creo Illustrate oder Thingworx Studio erstellten virtuellen Broschüre und einer Microsoft Hololens über den Aufbau des Cytropac sowie die verschiedenen Modellvarianten informieren.
Weitere AR-Einsatzszenarien, an denen Bosch Rexroth rund um das Produkt arbeitet, sind der Ersatz von klassischen Bedienungsanleitungen durch AR sowie die visuelle Verknüpfung von Leistungsdaten mit dem digitalen Zwilling über Thingworx Studio. Wie PTC-CEO Heppelmann ausführte, funktioniert das auch im "Brownfield" mit externen Sensoren, die als eine Art Fitbit für die Maschine Temperatur oder Vibrationen messen. Die Produkte dafür seien bereits auf dem Markt, erklärte er dem Publikum, ein solcher Smart Sensor von ABB sende die Messdaten in die Azure-Cloud, auf die wiederum Thingworx neuerdings zugreifen kann.
Thingworx 8 vorgestellt
Auf seiner Hausmesse in Boston stellte PTC auch die neueste Version seiner IIoT-Plattform vor. In ThingWorx 8 wurden nicht nur die Übernahmen der letzten Jahre tiefer integriert, zusätzlich erhielt die ab 8. Juni verfügbare Lösung weitere nützliche Funktionen. So unterstützt die Lösung nun von Haus aus Anomalie-Erkennung und Amazon Web Services und Microsoft Azure - Support für weitere Cloud-Plattformen sollen folgen.
Außerdem erlaubt Thingworx eineinhalb Jahre nach der Integration der AR-Funktionalitäten von Vuforia in Version 8 auch das native Erstellen und Veröffentlichen von AR-Szenarien für Microsoft Hololens. Ähnlich wie bereits für Android-, iOS- und Windows-Geräte kann der Anwender damit in kurzer Zeit etwa ein spezielles AR-Dashboard, das physikalische Daten des Produkts enthält, oder eine Reparaturanleitung für die Datenbrille von Microsoft erstellen. Das Ganze funktioniert in ThingWorx Studio, ohne Code, nur auf Basis der bereits existierenden 3D-Bilder und CAD-Modelle.
Auch der Kepserver von PTCs (vorerst) letztem Zukauf Kepware wurde in die IoT-Plattform integriert und bietet nun als Thingworx Industrial Connectivity Unterstützung bei der Einbindung von verschiedensten Schnittstellen und Protokollen.
Neue Starter-Apps
Neu sind auch die Starter-Apps "Controls Advisoer", "Asset Advisor" und "Production Advisor" - sie stehen als kostenlose Testversion bereit und sollen innerhalb einer Stunde einsatzbereit sein. Der Controls Advisor gibt Ingenieuren die Möglichkeit, die Verbindungen zu Maschinen zu überwachen und bei Störungen schnell auf Fehlersuche zu gehen, bevor es zum Verlust wichtiger Maschinendaten kommt.
Der Asset Advisor wiederum bietet in Echtzeit Einblick in den Zustand geschäftskritischer Assets und weist auf potenzielle Probleme hin, die zu ungeplanten Wartungs- oder Ausfallzeiten führen können. Der Production Advisor erlaubt es, schnell unterschiedliche Betriebs- und Business-Daten zu kombinieren. Dadurch können Produktionsleiter ständig Produktionsstatus und kritische KPIs wie Verfügbarkeit, Leistung, Qualität und Overall Equipment Effectiveness (OEE) im Auge behalten und auf dieser Basis proaktiv und schnell Entscheidungen treffen.