Der neue Intel-Chef Pat Gelsinger hat eine groß angelegte Fertigungsoffensive angekündigt. Im Rahmen seiner Initiative "Integrated Device Manufacturing 2.0" (IDM 2.0) will der Halbleiterhersteller Milliardenbeträge in den Bau neuer Fertigungsanlagen investieren. Allein 20 Milliarden Dollar lässt sich Intel zwei neue Anlagen in Arizona kosten.
Auch in Europa sollen die Kapazitäten ausgebaut werden. Intel wolle seine Investitionen auf die USA und die Europäische Union fokussieren, sagte Christin Eisenschmid, Vice President und Geschäftsführerin der Intel Deutschland GmbH. Bereits heute sei die EU ein wichtiger Standort für den weltgrößten Prozessorbauer, hieß es. Seit 1989 habe man 15 Milliarden Dollar in die aktuelle Produktion in Irland investiert. Von 2019 bis 2021 seien weitere sieben Milliarden Dollar in den Ausbau geflossen, um die verfügbaren Produktionsflächen von Intel in Irland und Europa mehr als zu verdoppeln. Wie hoch die Investitionen in europäische Anlagen in den kommenden Jahren ausfallen sollen, wollte die Managerin noch nicht verraten.
Intel muss Rückstand aufholen
"Wir stellen die Weichen für eine neue Ära der Innovation und Produktführerschaft bei Intel", kündigte Gelsinger an und bezeichnete IDM 2.0 als neue Erfolgsformel. Damit soll wohl auch endlich die 7nm-Fertigung Fahrt aufnahmen. Die Produktion von Halbleitern mit Strukturbreiten von sieben Nanometern verspricht leistungsfähigere Chips, die besonders energieeffizient arbeiten. Doch während Konkurrenten wie TMSC und AMD bereits im 7nm-Verfahren fertigen, hakte die Umstellung bei Intel. Immer wieder musste die Auslieferung entsprechender Prozessoren verschoben werden.
Das soll sich nun ändern. Die 7nm-Entwicklung schreite gut voran, sagte Gelsinger und sprach von einem neu gestalteten, vereinfachten Prozessablauf angetrieben durch den verstärkten Einsatz von Extrem-Ultraviolett-Lithographie (EUV). Intel rechnet damit, dass die Produktion für seine erste 7nm-Client-CPU (Codename "Meteor Lake") im zweiten Quartal dieses Jahres anlaufen kann.
Damit bekennt sich Gelsinger klar dazu, an der eigenen Halbleiterproduktion festhalten zu wollen. Angesichts der Probleme in den zurückliegenden Jahren, hatten Branchenbeobachter wiederholt darüber spekuliert, Intel könnte die eigene Chipproduktion herunterfahren und verstärkt auf Kapazitäten von Auftragsfertigern setzen. Letztere sollen dennoch eine wichtige Rolle in der künftigen Intel-Strategie spielen. Gelsinger kündigte an, die Zusammenarbeit mit Fertigungspartnern ausbauen zu wollen. Diese würden bereits heute wichtige Halbleiterkomponenten wie Chipsätze, Grafik- und Kommunikationschips für Intel herstellen.
Darüber hinaus will sich der Chiphersteller mit dem Ausbau seiner Produktionsanlagen selbst verstärkt als Auftragsfertiger für andere Hersteller positionieren. Dafür gründet der Konzern eine eigenständige Geschäftseinheit, die Intel Foundry Services (IFS), die von Randhir Thakur geleitet wird, der direkt an Gelsinger berichten soll. Das Portfolio für Fertigungskunden werde sowohl die angestammten x86-Cores wie auch ARM- und RISC-V-Designs umfassen, sagten die Intel-Verantwortlichen.
Forschungskooperation mit IBM
Ein weiterer Schwerpunkt von Intels IDM-2.0-Initiative soll auf der Forschung liegen. Gelsinger kündigte an, dabei auch Industriepartner einbinden zu wollen. Zu diesem Zweck haben Intel und IBM Pläne für eine Entwicklungskooperation bekanntgegeben. Beispielswiese sollen die Forschungseinrichtungen in Hillsboro, Oregon, und Albany, New York, enger miteinander verzahnt werden, um die Entwicklung von Innovationen in der Halbleiterfertigung zu beschleunigen.
Für Intel geht es darum, sein Standing im weltweiten Halbleitergeschäft zu behaupten.Zuletzt war der Branchenprimus immer stärker unter Druck geraten. Die Rückschläge in der Fertigungstechnik hatten am guten Ruf gekratzt. Außerdem gilt der Slogan "Intel inside" längst nicht mehr so selbstverständlich wie noch vor einigen Jahren. Konkurrent AMD hat in Sachen Fertigungstechnik die Nase vorn und Marktanteile im Client- und auch im Server-Segment dazugewonnen. Im Geschäft mit Prozessoren für Laptops, in der Vergangenheit eine Domäne Intels, macht AMD derzeit ebenfalls Boden gut.
Im Data Center läuft es für Intel auch nicht mehr so rund wie früher. Zwar setzen die großen Server-Produzenten, darunter Dell und HPE, nach wie vor auf die Xeon-CPUs aus dem Hause Intel. Große Cloud-Hyperscaler wie AWS, die weltweit immer neue Data Center aus dem Boden stampfen, vertrauen indes auf eigene Chips-Designs. Zuletzt kamen Gerüchte auf, dass auch Microsoft mit einer eigenen Halbleiterproduktion liebäugele.
Apple sagt leise Servus
Dazu kommt, dass langjährige Partner wie Apple Intel den Rücken kehren. Der Mac-Hersteller hatte angekündigt, in Zukunft eigene Chips auf Basis des britischen Chip-Designers ARM fertigen zu wollen. Erste Macs mit dem hauseigenen M1-Prozessor sind bereits auf dem Markt und machen in Sachen Leistung und Energieverbrauch keine schlechte Figur. Auch für seine iPhones und iPads produziert Apple längst eigene Chips.
Intels Führungsetage reagierte zunehmend nervös und dünnhäutig auf diese Entwicklungen. So startete der Halbleiterkonzern kürzlich eine Werbekampagne mit dem Ziel, die Vorzüge der eigenen Chips gegenüber dem M1 von Apple herauszustellen. Besonderes Bonmot dabei: Intel hat für die Spots Justin Long angeheuert. Das ist der Schauspieler, der Mitte der 2000er-Jahre in Apples berühmter Kampagne "Mac vs. PC" Werbung für Apple gemacht hatte. Nun schlägt Intel mit "PC vs. Mac" zurück. Eine pikante Nebennote bekommt die Marketing-Auseinandersetzung durch die Ankündigung Gelsingers, Intel könnte ja mit dem Ausbau seiner Produktionsanlagen auch den M1 für Apple fertigen.
Zu den Problemen Intels gehört auch, dass der klassische PC-Bereich, früher die Hauptbühne für die Chipproduzenten, an Bedeutung verloren hat. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden Halbleiter in vielen anderen Bereichen immer wichtiger, beispielsweise im Automobilsektor. Angesichts der steigenden Nachfrage und begrenzter Produktionskapazitäten waren wichtige Chips zuletzt teilweise nicht verfügbar, so dass sogar Produktionsstraßen mancher Autobauer vorübergehend stillstanden.
Hier sehen Hersteller wie Intel ihre Chance. Gelsinger sprach von einer "unglaublichen weltweiten Nachfrage nach Halbleitern", die es zu bedienen gelte. "Die gegenwärtige Pandemie mit ihren schlimmen Auswirkungen auf die Menschen weltweit hat gezeigt, dass Chips zu einem systemrelevanten Gut geworden sind", ergänzte Intels Deutschlandchefin Eisenschmidt und sprach im Zuge der Erhöhung von Fertigungskapazitäten von einer "gesellschaftlichen Verantwortung".