Investition von 17 Milliarden Euro

Intel baut Chipfabriken in Magdeburg

16.03.2022
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Deutschlands Osten bekommt ein weiteres Hightech-Vorzeigeprojekt: Für 17 Milliarden Dollar will Intel bis 2027 zwei neue Halbleiterfabriken bei Magdeburg aus dem Boden stampfen.
So sollen Intels Chipfabriken zwischen den Äckern und Wiesen nahe Magdeburg einmal aussehen.
So sollen Intels Chipfabriken zwischen den Äckern und Wiesen nahe Magdeburg einmal aussehen.
Foto: Intel

Damit startet der Chiphersteller die erste Phase eines gewaltigen Investitionsprogramms in Europa. Konkret geplant sind Anlagen für insgesamt 33 Milliarden Euro in Deutschland, Irland und Italien. Auch in Polen und Spanien sollen neue Standorte entstehen. Insgesamt will Intel in den kommenden zehn Jahren bis zu 80 Milliarden Euro entlang der gesamten Halbleiter-Wertschöpfungskette in der EUinvestieren - von der Forschung und Entwicklung (F&E) über die Fertigung bis hin zum Packaging, also dem Einbau der Chips in ein Gehäuse inklusive der Verdrahtung der elektrischen Anschlüsse.

Intel-CEO Pat Gelsinger bezeichnete Magdeburg als idealen Standort. Die Stadt hatte sich gegen Dresden und Bayern durchgesetzt. "Die von uns geplanten Investitionen sind ein wichtiger Schritt sowohl für Intel als auch für die EU", sagte Gelsinger. "Der 'EU Chips Act' ermöglicht es der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand, gemeinsam Europas Position im Halbleitersektor signifikant zu stärken."

Intel hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, massiv in seine europäische Halbleiterfertigung investieren zu wollen. Der Bau der Anlagen in Magdeburg soll im Frühjahr 2023 starten. Mit einem Produktionsbeginn rechnen die Beteiligten allerdings erst im Jahr 2027. Damit ist klar, dass sich die aktuellen Chip-Engpässe, unter denen zahlreiche Branchen, insbesondere die Automobilindustrie, leiden, nicht so schnell beheben lassen werden.

Pat Gelsinger, CEO von Intel, bezeichnet Magdeburg als idealen Standort für die neuen Fabrikationsanlagen.
Pat Gelsinger, CEO von Intel, bezeichnet Magdeburg als idealen Standort für die neuen Fabrikationsanlagen.
Foto: Intel

Halbleitermangel legt ganze Fabriken lahm

Fertigungsausfälle in Asien, Nachfrageeinbrüche zu Beginn der Corona-Pandemie und unterbrochene Lieferketten hatten in den vergangenen beiden Jahren die weltweite Halbleiter-Supply-Chain in Schieflage gebracht. Als der Bedarf wieder anzog, konnte die Nachfrage nach Mikroprozessoren nicht mehr ausreichend bedient werden. Weil spezielle Chips nicht verfügbar waren, mussten beispielsweise Autobauer ganze Produktionsstraßen still legen.

Die Politik versucht gegenzusteuern. Im Zuge des "European Chips Act", der am 8. Februar dieses Jahres auf den Weg gebracht wurde, will die Europäische Kommission 43 Milliarden Euro in die Förderung der Halbleiterproduktion stecken. Das Ziel: Der EU-Marktanteil an der weltweiten Halbleiterproduktion soll sich bis 2030 auf etwa 20 Prozent verdoppeln. Rund elf Milliarden Euro soll in die Forschung fließen. Die übrigen Milliarden sollen als Beihilfe für die Ansiedlung von Chipkonzernen verwendet werden - auch aus den USA.

Diese Subventionen dürften für Intel ein wichtiger Anreiz gewesen sein, sein Engagement in Europa zu forcieren. "Die deutsche Bundesregierung plant, das Intel-Investitionsvorhaben in Magdeburg unter den Beihilferegeln des European Chips Acts zu unterstützen", heißt es in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wie viel Geld konkret fließen wird, steht allerdings noch nicht fest. Voraussetzung hierfür sei, dass die EU-Kommission die Beihilfe genehmigt und der Haushaltsgesetzgeber dem BMWK entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, verlautete aus dem Ministerium.

Intel träumt vom goldenen Halbleiter-Zeitalter

Zentraler Sprung für die digitale Souveränität Europas

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht von einem großen Erfolg. "Zwei Halbleiterfabriken von Intel in Magdeburg sind ein wichtiger und starker Impuls für die Wirtschaft in schwieriger Zeit und ein zentraler Sprung für die digitale Souveränität Europas", sagte der Grünen-Politiker. Die Bundesregierung habe den Ansiedlungsprozess eng mit dem Land Sachsen-Anhalt begleitet. Der deutsche Standort habe sich im europaweiten Auswahlprozess von Intel durchgesetzt. "Das zeigt: Deutschland ist attraktiv für Innovationen und Investitionen", so Habeck.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht von einem starken Impuls für die Wirtschaft und einem Sprung für die digitale Souveränität Europas.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht von einem starken Impuls für die Wirtschaft und einem Sprung für die digitale Souveränität Europas.
Foto: Robert Habeck

Die Politiker in Sachsen-Anhalt hoffen mit der Ansiedlung von Intels Chipfabriken auf einen Wachstumsschub und auf zahlreiche Arbeitsplätze. Neben vielen tausend Stellen für den Bau der Anlagen sollen langfristig in Magdeburg etwa 3000 Hightech-Jobs entstehen. Viele weitere tausend Arbeitsplätze könnten entlang der Wertschöpfungskette im Partner-Ökosystem rund um die Halbleiterproduktion entstehen, so die Hoffnung aller Beteiligten.

Sachsen-Anhalt freut sich über tausende neuer Arbeitsplätze

"Unser Bundesland und die Stadt Magdeburg sind sehr froh über das Engagement von Intel bei uns", sagte Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. "Es wird die größte Investition in der Geschichte Sachsen-Anhalts sein. Ein solch riesiges Investment und viele tausend neue Arbeitsplätze sind ein Quantensprung für unser Land." Das Vorhaben sei auch ein Meilenstein für den ostdeutschen Wirtschaftsraum und ein Erfolg für ganz Deutschland, freute sich der CDU-Politiker.

Auch für Intel geht es um viel. Strategische Fehler in den vergangenen Jahren sowie Verspätungen in der Produktion innovativer Produkte haben am Image des Branchenprimus gekratzt. Konkurrent AMD hat aufgeholt, gerade im so wichtigen, weil margenträchtigen Geschäft mit Server-CPUs, und die großen Auftragsfertiger aus Fernost haben mittlerweile in Sachen Halbleiterproduktions-Technik die Nase vorn.

Gelsinger, der bei Intel seit Anfang 2021 am Ruder steht, muss also zuerst Intels Chipfertigung konkurrenzfähig aufstellen. Dabei macht der Manager keine halben Sachen. Erst Ende Januar kündigte er an, 20 Milliarden Dollar in den Bau neuer Werke im US-Bundesstaat Ohio investieren zu wollen. Jetzt folgt die Ankündigung von Milliarden-Investitionen in Europa.

Intel muss seine Produktion auf Vordermann bringen

Intel braucht die zusätzlichen Fertigungskapazitäten dringend, um seine Produktstrategie umzusetzen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um klassische PC- und Server-CPUs. Für die steigende Nachfrage nach KI-Anwendungen braucht es neue Graphic Processing Units (GPUs), die besser darauf ausgelegt sind, die dafür notwendigen Rechenoperationen abzuarbeiten. Viele Branchen verlangen darüber hinaus spezielle Chips für ihre immer intelligenter ausgelegten Produkte. Das reicht vom Smart Home mit vernetzten Haushaltsgeräten bis hin zum Automobil, das sich mehr und mehr zu einem Computer auf vier Rädern entwickelt.

Für all diese Bereiche hat Intel neue Produkte angekündigt. Darüber hinaus will sich der Konzern mit seinen Intel Foundry Services (IFS) verstärkt als Auftragsfertiger in Position bringen. Dafür hat Intel beispielsweise ein Team aufgebaut, das Automobilherstellern verschiedene Komplettlösungen bieten soll. Auch für seine IFS-Sparte nimmt Intel viel Geld in die Hand. Mitte Februar wurde angekündigt, Tower Semiconductor für 5,4 Milliarden Dollar zu übernehmen. Das Unternehmen betreibt in Israel, Italien, Japan sowie den USA mehrere Werke und ist spezialisiert auf analoge Chips, die in der Automobil-, Mobilfunk-, Medizin- und Luftfahrtindustrie eingesetzt werden.

Halbleiterbranche steht vor einem Wachstumsjahrzehnt

Die Management-Berater von McKinsey geben Intel-Chef Gelsinger mit seinem starken Expansionskurs recht: "Die Branche steht vor einem Wachstumsjahrzehnt und kann bis 2030 zu einer Billionen-Dollar-Branche werden", lautet ihre Prophezeiung. Der Umsatz der Branche habe 2021 weltweit bei 600 Milliarden Dollar gelegen und könnte in diesem Jahrzehnt um jährlich sechs bis acht Prozent wachsen. Damit würde die Industrie die Schallmauer von einer Billion Dollar 2030 durchbrechen.

Allerdings bleibt der Wettbewerbsdruck hoch. Konkurrent AMD hat kürzlich für 35 Milliarden Dollar Xilinx übernommen, einen Anbieter von programmierbaren Logikchips, die unter anderem in 5G-Basisstationen, autonom fahrenden Autos, KI-Beschleunigern und in der Raumfahrt zum Einsatz kommen. Außerdem ruft die Aussicht auf Milliardenhilfen der EU auch die Konkurrenten auf den Plan. Halbleiterhersteller wie TSMC und Global Foundries haben angekündigt, ebenfalls ihre Fühler in Richtung Europa austrecken zu wollen.

Europa war mal eine Macht in der weltweiten Halbleiterbranche - doch das ist 30 Jahre her. Seitdem ging es stetig bergab.
Europa war mal eine Macht in der weltweiten Halbleiterbranche - doch das ist 30 Jahre her. Seitdem ging es stetig bergab.
Foto: Intel / BCG

Generell investiert die Chipbranche derzeit viel Geld in Fertigungs- und Entwicklungskapazitäten. Samsung will in den kommenden Jahren über 200 Milliarden Dollar in neue Produktionsstätten investieren. 17 Milliarden Dollar sind konkret für eine Anlage in Texas geplant. Auftragsfertiger TSMC plant, etwa 100 Milliarden Dollar in den Bau neuer Halbleiterfabriken zu stecken. Derzeit wird bereits eine 12 Milliarden Dollar teure Anlage in Arizona gebaut. Auch die US-Regierung will die Halbleiterproduktion in den Vereinigten Staaten mit Subventionen fördern. Derzeit ist die Rede von über 50 Milliarden Dollar, deren Freigabe allerdings noch an den zerstrittenen Kammern im Kongress und Senat hängt.

Doch mit der aktuellen Ankündigung hat in Europa erst einmal Intel die Nase vorn. Neben den Milliarden für Magdeburg plant der Konzern auch, den Fertigungsstandort in Leixlip (Irland) weiter auszubauen und hierfür zusätzliche zwölf Milliarden Euro zu investieren. Damit verdoppelt sich die Produktionsfläche auf der grünen Insel. Zudem liefen gerade Verhandlungen mit Italien über den Bau einer Fertigungsanlage mit einem Finanzvolumen von bis zu 4,5 Milliarden Euro.

Der Standort Magdeburg ist für Intel nur der Anfang. Weitere neue Anlagen sollen in ganz Europa entstehen.
Der Standort Magdeburg ist für Intel nur der Anfang. Weitere neue Anlagen sollen in ganz Europa entstehen.
Foto: Intel

Europa verfüge über exzellente Universitäten, Forschungseinrichtungen, führende Chipdesigner und Zulieferer, heißt es von Seiten der Intel-Verantwortlichen. Die Unterstützung dieses Innovationsclusters durch zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und die Verknüpfung mit der von Intel geplanten hochmodernen Fertigung werde das Innovationsmoment in Europa deutlich beschleunigen und Lieferketten europaweit stärken. Gelsingers Botschaft ist eindeutig: "Intel möchte bei der Gestaltung der digitalen Zukunft Europas in den kommenden Jahrzehnten eine wesentliche Rolle spielen."