Rechtsforum für Freiberufler

Insolvenzantrag reicht nicht für Kündigungsrecht aus

10.04.2013

Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter/ Zahlungen

Frage: Sind die Vereinbarungen, die vorläufige Insolvenzverwalter mit Kunden und Beratern trifft - wie die Einrichtung und Bezahlung der Beraterleistung auf ein Treuhandkonto zugunsten des Beraters oder eine Bestätigung des aktuellen Beratervertrages - nach Eröffnen des richtigen Insolvenzverfahrens anfechtbar? Kann es dem Berater passieren, dass er geleistete Zahlungen zurückzahlen muss, weil im eigentlichen Insolvenzverfahren Vereinbarungen aus dem vorläufigen Verfahren für nichtig erklärt werden? Oder sind die Zahlungen sicher ?

Rechtsanwalt Oliver Stöckel: „Wichtig für die Frage, welchen Rang der Vergütungsanspruch hat, wenn ein Freelancer im Insolvenzeröffnungsverfahren für eine Schuldnerin weiter arbeitet, ist u.a. die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters:

Ist ein „starker vorläufiger Insolvenzverwalter“ bestellt (d.h. das Insolvenzgericht hat der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin ist auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen), kann dieser kraft Gesetzes auch im Insolvenzeröffnungsverfahren sogenannte Masseverbindlichkeiten begründen. Das heißt er kann rechtsverbindlich für die Schuldnerin Verpflichtungen eingehen, die dann auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor den „normalen“ Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse zu bedienen sind.

Der „schwache vorläufige Insolvenzverwalter“ (das heißt das Insolvenzgericht hat die Verfügungsbefugnis bei der Schuldnerin belassen und diese nur unter Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzverwalters gestellt – Regelfall) hat diese Möglichkeit nicht, kann also grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten schaffen, indem er Vereinbarungen mit Gläubigern trifft oder Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen (wie der Leistung eines Freelancers aus einem Freien Mitarbeitervertrag) in Anspruch nimmt.

Bei Reutax wurde, soweit bisher bekannt, der Insolvenzverwalter als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so dass ein Freelancer, der nach dem Insolvenzantrag weiter arbeitet, im Gegenzug grundsätzlich nur eine (weitere) Insolvenzforderung erwirbt und keine Masseverbindlichkeit.
Außerdem besteht bei Zahlungen, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an Gläubiger geleistet werden, das Risiko, dass diese unter gewissen Umständen vom Insolvenzverwalter angefochten werden und vom Zahlungsempfänger zurück verlangt werden können (insbesondere wenn sie vor Fälligkeit geleistet wurden oder wenn sie von Dritten „am Schuldner vorbei“ direkt an den Gläubiger geleistet werden). Vereinbarungen mit Zustimmung des Insolvenzverwalters auf Leistung nur gegen Vorkasse, Sicherungsmaßnahmen wie z.B. die Einzahlung auf ein Treuhandkonto etc. können das Risiko, auch bei Weiterarbeit nach dem Insolvenzantrag nicht nur mit einer weiteren Insolvenzforderung dazustehen bzw. geleistete Gelder zurück zahlen zu müssen, zwar unter Umständen reduzieren. Welche Risiken bei solchen Konstruktionen verbleiben, hängt aber vom Einzelfall ab. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es aber wohl nicht geben.

Im Zuge der Reutax-Insolvenz hatten die betroffenen Freiberufler viele Fragen.
Im Zuge der Reutax-Insolvenz hatten die betroffenen Freiberufler viele Fragen.
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Frage: Die Frage betrifft die anstehende Verlängerung eines vor 1,5 Jahren erstmalig (und dann immer wieder Verlängerten) Vertrages. Wie genau müsste eine Garantie des Insolvenzverwalters aussehen, damit diese "die Gläubiger nicht benachteiligt" und das Ganze hinterher nicht mehr anfechtbar ist, also Zahlungen, die dann die nächsten Monate von Reutax zu leisten wären, nicht mehr rückforderbar sind.

Rechtsanwalt Oliver Stöckel: „Nach dem Insolvenzantrag (also im jetzigen Stadium) kann man dann einigermaßen gesichert mit der insolventen Gesellschaft weiter zusammenarbeiten, wenn man ausschließlich auf der Grundlage sog. "Bargeschäfte" (nach § 142 InsO) arbeitet. Grob gesagt hat ein Bargeschäft folgende Voraussetzungen:

  1. Leistung (Arbeit) und Gegenleistung (Bezahlung) müssen gleichwertig sein, d.h. der insolventen Gesellschaft muss in Form der Arbeit des Freelancers etwas zufließen, was objektiv mindestens die Bezahlung wert ist. Wenn diese Arbeit an einen Kunden zum mindestens gleichen Wert weiter gereicht wird und hierdurch mindestens gleichwertige valide Forderungen gegen den Kunden entstehen - was beim Vermittlermodell grundsätzlich der Fall sein sollte - ist diese Voraussetzung m.E. erfüllt.

  2. Leistung (Arbeit) und Gegenleistung (Bezahlung) dürfen im Regelfall maximal 30 Tage auseinander liegen. Am besten ist maximal monatliche Vorkasse - dann muss der Freelancer nur noch seinerseits in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang die entsprechende Arbeit erbringen. Verlässt sich der Freelancer umgekehrt auf eine "zeitnahe" Zahlungszusage (z.B. 14 Tage nach der Arbeit), die dann aber von der insolventen Gesellschaft nicht erfüllt wird, liegt kein Bargeschäft mehr vor und der Freelancer hat wiederum nur eine Insolvenzforderung.

  3. Es darf keine vorsätzliche Benachteiligung anderer Gläubiger vorliegen. Diese Voraussetzung ist stark einzelfallbezogen und schwer verallgemeinert zu beantworten.

Wenn diese Voraussetzungen sichergestellt sind, kann der Insolvenzverwalter das im Rahmen des Bargeschäfts Gezahlte später nicht mehr zurückfordern. Bestreitet der Insolvenzverwalter allerdings später, dass es ein Bargeschäft war, dann muss im Streitfall (z.B. in einem Gerichtsverfahren) der Freelancer beweisen, dass die oben genannten Voraussetzungen erfüllt waren, damit er das erhaltene Geld behalten kann. Insoweit verbleiben auch beim Bargeschäft gewisse Risiken.“