"Vor gerade einmal drei Jahren war Industrie 4.0 für die große Mehrheit der Unternehmen noch Zukunftsmusik", konstatierte Bitkom-Präsidiumsmitglied Michael Kleinemeier auf der diesjährigen CeBIT in Hannover. Seitdem habe das Thema jedoch rasant an Bedeutung gewonnen. "Industrie 4.0 wird im produzierenden Gewerbe zum Standard und die IT-Anbieter sind ein wesentlicher Treiber."
Mehr als vier von zehn IT-Unternehmen (43 Prozent) bieten bereits Dienstleistungen und Produkte für Industrie 4.0 an, berichtete der IT-Verband unter Berufung auf eine eigene Umfrage. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) plane derartige Angebote beziehungsweise könne sich vorstellen, dies zu tun. Damit hätten die IT-Unternehmen ihre Aktivitäten im Bereich Industrie 4.0 innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt, hieß es. Bei einer Befragung im Jahr 2014 gab nicht einmal ein Viertel der Anbieter an, bereits Industrie-4.0-Anwendungen im Portfolio zu haben. Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage wurden im Auftrag des Bitkom mehr als 300 ITK-Anbieter befragt.
Die Erwartungen hinsichtlich Industrie 4.0 sind groß. Die Verknüpfung von klassischer Produktion mit IT-Technik und dem Internet könne einer Bitkom-Studie zufolge in Deutschland in sechs volkswirtschaftlich zentralen Branchen - darunter Maschinen- und Anlagenbau, KFZ-Hersteller, Elektrotechnik und chemische Industrie - bis zum Jahr 2025 für Produktivitätssteigerungen in Höhe von insgesamt bis zu 78,5 Milliarden Euro sorgen. "Alles wird vernetzt", sagte Kleinemeier, "von der Hausmaschine bis zur Produktionsanlage."
Anwenderindustrie fährt mit angezogener Handbremse
Während die ITK-Anbieter mit ihren Industrie-4.0-Lösungen in den Startlöchern stehen, gehen die Anwenderunternehmen das Thema offenbar etwas langsamer an. Viele Fertigungsunternehmen hätten die Anwendungsbereiche von Industrie 4.0 noch nicht erkannt, sagen vier von zehn der im Rahmen der Studie befragten Anbieter. Fast jeder Zweite (49 Prozent) monierte zudem, dass viele Mittelständler den Begriff Industrie 4.0 nach wie vor nicht kennen würden. Aus Sicht von knapp zwei Dritteln (65 Prozent) der Befragten gingen viele Fertigungsunternehmen die Umsetzung von Industrie 4.0 zu zögerlich an.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Demzufolge würden vor allem technische Hürden die Nutzung von Industrie 4.0 bei den Kunden bremsen. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass unterschiedliche Standards derzeit noch ein Hemmnis für Industrie 4.0 seien. 37 Prozent sehen Schwierigkeiten beim Einbinden des vorhandenen Maschinenbestands in den Werkhallen. "Gemeinsame und branchenübergreifende Standards sind essenziell für den Erfolg von Industrie 4.0. Maschinen und Produkte müssen ebenso einfach miteinander kommunizieren können wie Smartphones", stellte Kleinemeier fest und forderte Politik und Industrie auf, dafür schnell Lösungen zu finden.
Die Politik ist gefragt
Kleinemeier appellierte an alle Beteiligten, sich von den Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen. "Die Herausforderungen sind riesig, aber auch die Chancen sind riesig." Es hätte dramatische Folgen, wenn Deutschland diese Chancen vergeben würde. Schließlich werde kein Wettbewerbsland auf uns warten, sagte der Manager, der auf der Gehaltsliste von SAP steht.
- Ein Gesetz für alle
EU-weit gelten die gleichen Datenschutzregeln. Das bedeutet auch eine gestiegene Verantwortung und Haftung für alle, die persönliche Daten verarbeiten. - "Recht auf Vergessen"
Wollen Nutzer ihre Daten nicht weiter verarbeitet sehen, werden diese gelöscht - vorausgesetzt, es spricht aus juristischer Sicht nichts dagegen. - "Opt-in" statt "Opt-out"
Sollen persönliche Daten verabeitet werden, müssen Nutzer aktiv zustimmen (und nicht aktiv widersprechen wie bisher). - Recht auf Transparenz
Nutzer haben ein Recht auf Transparenz - sie dürfen erfahren, welche Daten über sie gesammelt und wie diese verarbeitet werden. - Zugang und Portabilität
Der Zugang zu den bei Dritten über einen selbst gespeicherten Daten soll einfacher möglich sein. Zudem ist die Dartenportabilität zu gewährleisten - also sicherzustellen, dass persönliche Informationen leichter von einem Dienstanbieter zu einem anderen übertragen werden können. - Schnellere Meldung
Tritt ein Datenverlust auf, müssen Unternehmen und Organisationen im Regelfall binnen 24 Stunden, mindestens aber so schnell wie möglich ihrer behördlichen Meldepflicht nachkommen. - Weniger Behördenchaos
Unternehmen müssen sich nur noch mit einer einzigen Aufsichtsbehörde auseinandersetzen - und zwar dort, wo sie ihren Hauptsitz haben. - Grenzübergreifend
Privatanwender dürfen jeden Fall von Datenmissbrauch an ihre nationale Aufsichtsbehörde melden - selbst dann, wenn die betroffenen Daten im Ausland verarbeitet wurden. - Erweiterter Geltungsbereich
Die EU-Richtlinie gilt auch für Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, sobald sie Waren oder Dienstleistungen in der EU anbieten oder auch nur Online-Marktforschung unter EU-Bürgern betreiben. - Höhere Bußgelder
Verstößt ein Unternehmen gegen die Datenschutzbestimmungen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. - Bürokratieabbau
Administrative Umstände wie Meldepflichten für Unternehmen, die persönliche Daten verarbeiten, entfallen. - Erst ab 16
Die rechtswirksame Anmeldung bei Internetnetservices wie Facebook oder Instagr.am soll Jugendlichen im Regelfall erst ab 16 Jahren möglich sein - weil sie erst ab diesem Lebensalter eine gültige Einwilligung in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten geben können. Nationale Gesetze sollen laut Datenschutzverordnung hier aber Ausnahmen möglich machen. - Stärkung der nationalen Aufsichtsbehörden
Nationale Datenschutzbehörden werden in ihren Kompetenzen gestärkt, so dass sie die neuen EU-Regeln besser umsetzen können. Unter anderem dürfen sie einzelnen Unternehmen verbieten, Daten zu verarbeiten. können bestimmte Datenflüsse stoppen und Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die bis zu zwei Prozent der jeweiligen weltweiten Jahreseinkünfte betragen. Darüber hinaus dürfen sie Gerichtsverfahren in Datenschutzfragen anstrengen. <br /><br />(Quelle: Forrester Research)
Um ihnen den Weg zu künftigen Geschäften zu ebnen, rufen die Vertreter der IT-Branche nach Unterstützung durch die Politik. Industrie 4.0 benötige einen passenden rechtlichen Rahmen, forderte Kleinemeier und mahnte aus seiner Sicht notwendige Anpassungen beim AGB- und Datenschutzrecht an. Außerdem brauche es Reformen im Bildungssystem. Schließlich würde Industrie 4.0 die Art und Weise der künftigen Arbeit massiv verändern.
"Deutschland hat beim Thema Industrie 4.0 als Industrienation immer eine hervorragende Ausgangsposition, wir müssen sie nutzen", so Kleinemeier. Um Deutschland als Vorreiter der Digitalisierung von Produkte und Produktionsprozessen zu stärken hat der Lobbyverband Bitkom im Wahljahr 2017 ein Positionspapier veröffentlicht. Es sei wichtig, dass die Politik den Strukturwandel über 2017 hinaus konstruktiv begleite, heißt es darin. Die Politik müsse sich um ein Hochleistungs-Industrial-Internet kümmern, Pilotprojekte fördern sowie auch gut ausgestattete Forschungsprogramme auflegen. Auf der Wunschliste stehen ferner eine bessere Unterstützung für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sowie der Ausbau von Finanzierungsmöglichkeiten für Startups.