Mit "Industrie 4.0" versuchen die Schöpfer des Begriffs eine Marke zu etablieren, die nachhaltige (deutsche) Ingenieursarbeit und schnelllebige IT-Trends vereint. Das dahinter liegende technische Konzept will physikalischer Produkten, Maschinen und Anlagen mit virtuellen, aus Unmengen von Daten errichteten Welten verschmelzen.
Datenquellen sind in diesem Konstrukt intelligente embedded Systems (eingebettete Systeme mit Prozessor und Betriebssystem) sowie Sensoren, die mit zentralen Steuerungs- und Datenverarbeitungseinheiten vernetzt sind.
Typische in der Forschung und Theorie genannte Anwendungsfelder für Industrie 4.0 sind:
• Fertigung individueller Produkte nach den Prinzipien und zu Kosten der Serienfertigung (Losgröße 1),
• Vernetzte Liefer- und Wertschöpfungsketten in der Produktion,
• Vorausschauende Wartung von Maschinen ("Predictive Maintenance"), sowie
• neue, Service-basierende Geschäftsmodelle
Marktforscher von IDC haben nun 211 Praktiker aus dem verarbeitenden Gewerbe zum Thema befragt. Dabei zeigt sich, dass die Ziele der Verantwortlichen viel bodenständiger sind, als die der Forscher und Vorreiter. Zudem unterscheiden sich die Anforderungen der befragten Manager je nachdem, ob sie Maschinen, Geräte und Anlagen fertigen, oder ob sie sie betreiben.
Die Betreiber von Produktionsanlagen haben - wenig verwunderlich - vor allem die Effizienz und Kosten im Blick. Künftige intelligente Fertigungsstraßen sollen Kosten senken (46 Prozent), Prozesse automatisieren (34 Prozent), Kapazitäten erhöhen (32 Prozent) und Energie sparen. Sie wollen also vornehmlich das vorhandene Inventar verbessern und denken weniger an neue Geschäftsmodelle.
Die Hersteller von Produkten, Maschinen und Anlagen haben stärker künftige Entwicklungen im Blick. Sie benötigen die Komponenten einer Industrie 4.0, um die Komplexität ihrer Produkte bewältigen zu können (42 Prozent), schneller auf veränderte Anforderungen zu reagieren (38 Prozent) und Entwicklungszeiten zu verkürzen (30 Prozent). Ihr Augenmerk ist erkennbar stärker auf Innovationen und neue Geschäftsmöglichkeiten ausgerichtet (die Umfrageergebnisse sind in der folgenden Bilderstrecke zu sehen).
- Was Anlagenbauer und -betreiber unterscheidet
Die Betreiber von Industrie-4.0-Anlagen (Produktion) legen Wert auf Effizienz und Kosten. Die Hersteller der Maschinen, Geräte und Anlagen (Engineering) wollen vornehmlich die entstehende Komplexität im Griff behalten. - Industrie 4.0 - ein unbekanntes Konzept
Die meisten Fach- und Führungskräfte aus dem verarbeitenden Gewerbe kennen laut IDC-Erhebung nicht einmal den Begriff "Industrie 4.0". Die Analysten sind sich indes sicher, dass das Gros der leitenden Angestellten, die sich mit Fragen der Unternehmensstrategie beschäftigen, sich sehr wohl mit dem Konzept auseinandersetzt. - Wie bedeutend ist Industrie 4.0?
Diejenige, die sich bereits eine Meinung zum Thema gebildet haben, erwarten, dass Industrie 4.0 entweder Teilbereiche oder komplette Wertschöpfungsketten in der Fertigung verändern wird. - Stand der Installationen
Viele Installationen in den Fertigungsstraßen sind bereits mit dem Internet verknüpft. Eine Öffnung der Produktionssysteme hat laut IDC bereits begonnen. Aus der Erhebung geht jedoch nicht hervor, was genau vernetzt wird. - Sorge um Datenschutz und Sicherheit
Die Vernetzung macht die Industrieanlagen anfälliger für Diebstahl geistigen Eigentums und für Eingriffe in die Abläufe. Das gilt naturgemäß insbesondere für mit der Außenwelt vernetzte Anlagen. - Die Industrie 4.0 kommt bald
Die meisten rechnen binnen zwei bis zehn Jahren mit der vollumfänglichen Einführung von vernetzten und intelligenten Fertigungssystemen. Das ist, so meinen die Marktforscher von IDC, sehr optimistisch. - Was die Industrie 4.0 bremst
Der Optimismus der Anwender ist auch deshalb erstaunlich, weil sie zugleich viele ungelöste Fragen haben, die unter anderem die Sicherheit und die Finanzierung betreffen. - Geld für Industrie 4.0
Den meisten Befragten stehen Gelder für Investitionen zur Verfügung. Über die Höhe des Budgets macht die Erhebung keine Angaben. - Wo Anwender einkaufen
Die Betreiber von Anlagen beziehen Produkte und Dienste für intelligente Fertigungsinstallationen vor allem von Anlagen- und IT-Hersteller. Die Maschinenbauer wenden sich vor allem an Sensorikanbieter.
Die Unterschiede zwischen den Befragungsgruppen sind schlüssig und keineswegs überraschend. Sie zeigen aber auch, dass die Vorhaben in der Industrie 4.0 differenziert betrachtet werden müssen.