Process Mining meets RPA

In vier Schritten zur Prozessautomatisierung

18.02.2019
Von 


Bastian Nominacher ist Vordenker bei Process Mining und Big Data-Analyse-Verfahren. Als Co-CEO und Mitgründer des Technologie-Startups Celonis hat er Process Mining als neue Disziplin mitbegründet und entwickelt sie weiter. Dabei hilft ihm der enge Kontakt zu Kunden – Konzernen wie Siemens, Bayer, RWE, Vodafone oder mittelständischen Unternehmen – genauso wie die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Sein Wissen teilt er im Rahmen der Start-up-Beratung der TU München.
Effizienz durch Automatisierung: Das erwarten Firmen von Robotic Process Automation. Dabei packen nur wenige das Problem an der Wurzel – Process Mining hilft.

Wirtschaft und Industrie unterliegen heute einem stetigen Wandel. Um mit diesem mithalten zu können, braucht es digitale Strategien, die Unternehmen zu mehr Flexibilität verhelfen. Neben der Digitalisierung von Prozessen müssen diese in zunehmendem Maße auch automatisiert werden. Robotic Process Automation (RPA) erfreut sich bei Unternehmen immer größerer Beliebtheit, doch nicht alle setzen die Technologie effizient ein. Dabei bedarf es gerade einmal vier Schritten, um das volle Potenzial von RPA zu entfalten – und der Unterstützung der Big-Data-Software Process Mining.

Kollege Roboter auf dem Vormarsch: 2019 sollen bereits 72 Prozent der Unternehmen RPA im Einsatz haben.
Kollege Roboter auf dem Vormarsch: 2019 sollen bereits 72 Prozent der Unternehmen RPA im Einsatz haben.
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Mensch vs. Maschine: Was RPA-Roboter können

Robotic Process Automation verbreitet sich rasant: Geht man nach einer Studie der Information Services Group (ISG), sollen 2019 bereits 72 Prozent der Unternehmen RPA im Einsatz haben. Kein Wunder, denn die intelligente Prozessautomatisierung führt richtig implementiert dazu, dass manuelle und wiederkehrende Tätigkeiten automatisiert und bis zu zehnmal schneller ausgeführt werden. Die dafür entwickelten Software-Roboter sind so konfiguriert, dass sie bei der Abwicklung von Prozessen exakt die gleichen Schritte durchlaufen wie menschliche Benutzer. Sie laufen auf dem Software-Frontend und interagieren mit der Benutzeroberfläche von Drittanwendungen. Der Vorteil: Die virtuellen Roboter richten sich stets nach dem vorgegebenen Workflow, wiederholen Aufgaben punktgenau und sind hochskalierbar.

Gerade für etablierte Unternehmen mit einer ausgereiften IT-Umgebung sind RPA-Projekte attraktiver als andere Automatisierungslösungen. Die virtuellen Roboter lassen sich in bestehende Infrastrukturen implementieren, ohne dass vorher Änderungen am System vorgenommen werden müssen. Das führt zu einem schnellen ROI – wie hoch dieser ausfällt, hängt allerdings davon ab, welche Unternehmensprozesse automatisiert werden und ob diese vorab von unnötigen Schleifen oder Abweichungen bereinigt wurden.

Kein RPA-Projekt sollte ausgerollt werden, bevor nicht bekannt ist, wie die Ist-Prozesse im Unternehmen ablaufen und welches Automatisierungspotenzial sie bieten. Unternehmen laufen sonst Gefahr, zusätzliche Prozessprobleme zu verursachen und mehr Aufwand als ROI zu haben. Process Mining liefert vorab Transparenz und bildet damit einen idealen Begleiter für RPA-Projekte – in der Vorbereitungsphase wie beim Performance-Monitoring.

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RPA – nicht ohne Process Mining

RPA automatisiert und beschleunigt Prozesse, setzt aber nicht bei der Fehlerbehebung an. Wird also ein fehlerhafter Prozess automatisiert, läuft er dadurch zwar oft schneller, nicht aber effizienter ab. Vor jeder RPA-Implementierung ist es deshalb ganz entscheidend, sich erst einmal einen Überblick über die tatsächlich ablaufenden Prozesse zu verschaffen, deren End-to-End-Verlauf mit möglichen Abweichungen zu kennen und Maßnahmen zu ergreifen, um Prozesse vorab zu verschlanken.

Process Mining unterstützt Unternehmen in der Vorbereitungsphase von RPA-Initiativen: Zum einen zeigt die Technologie grundsätzlich auf, welche bestehenden Prozesse bzw. Legacy-Systeme überhaupt durch Software-Roboter automatisiert werden können. Zum anderen gibt sie Empfehlungen ab, welche Prozesse sich für die Automatisierung am besten eignen und den größten ROI versprechen. Unternehmensprozesse werden so nicht einfach „blind“ einer RPA-Initiative unterzogen, sondern vorab auf Ineffizienzen und Schwachstellen überprüft und entsprechend optimiert.

So kann bereits im Vorfeld vermieden werden, dass eine RPA-Implementierung fehlerhaft verläuft oder grobe Ineffizienzen nach sich zieht. Process Mining nutzt für die Analyse von Unternehmensprozessen die Datenmenge, die in den IT-Systemen anfällt und rekonstruiert auf deren Basis Abläufe so, wie sie tatsächlich ablaufen. Durch den Echtzeit-Einblick in die Ist-Prozesse wissen Entscheider so genau, wo es Handlungsbedarf gibt und wie die größtmögliche Produktivität konkret erreicht werden kann.

Beim weltweiten Telekommunikationsanbieter Vodafone zum Beispiel weisen bestimmte Prozesse im Einkauf längere Durchlaufzeiten auf als andere. Mit Process Mining wurde den Entscheidern im Einkauf schnell klar, warum: Bei vielen Aufträgen kam es zu mehrfachen Abweichungen vom Standardprozess, noch bevor die Bestellung überhaupt an den Lieferanten freigegeben wurde. Gleichzeitig wurden viele der Transaktionen, die sich aufgrund ihres wiederkehrenden Charakters für eine Automatisierung angeboten hätten, immer noch manuell bearbeitet. Infolge der Prozessanalyse und –optimierung mit Process Mining unterzog Vodafone ausgewählte Prozesse einer RPA-Initiative. Das Ergebnis: Vodafone konnte seine Time-to-Market um 20 Prozent verkürzen.

In vier Schritten zum RPA-Erfolg

Der Einsatz bei Vodafone gilt exemplarisch für die kombinierte Implementierung von Process Mining und RPA in Unternehmen jeder Art und Branche. Unabhängig von der jeweiligen Situation oder Struktur eines Unternehmens lassen sich vier essenzielle Schritte definieren, die verlässlich zum Erfolg jeder RPA-Initiative führen:

1. Die eigenen Prozesse verstehen

Bei RPA-Initiativen verhält es sich wie zu Beginn jeder Strategieentwicklung: An erster Stelle muss die Frage nach dem Status Quo stehen. Erst, wenn diese beantwortet ist, können Optimierungspotenziale erkannt und umgesetzt werden. Process Mining ermöglicht eine anfängliche Bestandsaufnahme: Die Software rekonstruiert und visualisiert die Ist-Prozesse eines Unternehmens, bevor diese automatisiert werden. Zahlten Unternehmen für Beratungsleistungen im Rahmen von RPA-Initiativen in der Vergangenheit oft mehrere Hunderttausend Euro, können sie mit Process Mining 70 Prozent dieser Kosten einsparen.

2. Prozesse optimieren und standardisieren

So unterschiedlich die Abteilungen in Unternehmen sind, so verschieden sind auch die Prozesse, die in ihnen abgewickelt werden. Da die Programmierung von Software-Robotern teuer ist, sollte vorab abgewogen werden, bei welchen Prozessen sich eine Automatisierung am meisten lohnt und den größten ROI verspricht. Grundsätzlich bieten sich für eine Automatisierung die Prozessvarianten an, die am häufigsten auftreten. Prozesse sollten vorab also dahingehend harmonisiert werden, dass hohe Volumina pro Variante erzeugt werden.

3. Robotic Process Automation implementieren

In diesem Schritt geht es um die reine Implementierung von RPA: Dabei werden die Regeln für Roboter erstellt und die Workflow-Ausführung programmiert. Traditionelle Workflow-Automatisierung arbeitet mit strukturierten Daten und setzt auf Methoden zur Datenintegration und schweres Scripting. Bei RPA geht es um die Automatisierung von Aufgaben, die im Zusammenspiel mit unstrukturierten Daten sind – stets mit dem Ziel, die Roboter auf der gleichen Ebene wie Endanwender arbeiten zu lassen. RPA-Roboter werden nicht über codebasierte Anweisungen programmiert, sondern mit Demonstrationsschritten konfiguriert und sind dadurch flexibler als codebasierte Software.

4. Prozessmonitoring und Compliance

Process Mining kommt nicht nur vor, sondern auch nach der RPA-Implementierung zum Einsatz – und ist ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich für das Monitoring der Prozessperformance und –compliance zuständig. Werden die programmierten Prozesse wie geplant ausgeführt und erzielen die Software-Roboter die gewünschten Ergebnisse? Diese Art von Prozess-Compliance-Messung und Prozess-Benchmarking ist ein effektiver Weg, um Unternehmensinvestitionen noch gezielter einzusetzen und so letztlich für einen höheren Return on Investment zu sorgen. (mb)