Zukunft gestalten oder Mangel verwalten? - so lautet derzeit die Gretchenfrage für viele IT-Verantwortlichen. Gerade in der jetzigen Krisensituation, in der in vielen Betrieben die Weichen neu gestellt werden, müssten sich IT-Abteilungen entscheiden, wie sie sich positionieren wollen. Das schreiben die Berater von Campana & Schott in einer aktuellen Studie (PDF-Link). Die IT-Organisation könne zur Gestalterin des digitalen Wandels werden - wenn sie sich entsprechend zeige und auch vom Business so wahrgenommen werde. Oder sie beschränke sich auf Standardaufgaben und lasse sich marginalisieren. Damit bringe sie ihr Unternehmen allerdings um viele wertvolle Impulse.
Die aktuelle wirtschaftliche Lage mit Problemen wie steigenden Energiepreisen, unterbrochenen Lieferketten und fehlenden Fachkräften erfordere Flexibilität und Innovationsstärke von den Betrieben. Die IT könne in einer solch angespannten Situation eine entscheidende Rolle spielen, so die Technologie- und Managementberatung. Digitale Geschäftsmodelle, eine möglichst vollständige Kundenzentrierung und kurze Marktreaktionszeiten - all das seien Handlungsfelder, die von der IT beeinflusst würden.
Die Marktforscher von Techconsult haben im Auftrag von Campana & Schott rund 200 IT-Führungskräfte aus deutschen Unternehmen befragt. Sie sollten herausfinden, mit welchen Herausforderungen die Betriebe momentan ringen und welche Lösungsansätze sie verfolgen, um Innovationen voranzutreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass es in etlichen Betrieben noch viel Luft nach oben gibt.
IT und Business müssen noch zueinander finden
In 44,5 Prozent der Unternehmen haben IT-Abteilung und Business noch immer nicht zusammengefunden, um zukunftsweisende Projekte auf die Schiene zu setzen und voranzutreiben. Zwar habe die IT auch in diesen Firmen den Auftrag, Digitalisierungsvorhaben anzuschieben. Doch viel Potenzial verpuffe dabei ungenutzt, weil die Fachabteilungen mit ihrem Business- und Prozess-Know-how nicht in die IT-Vorhaben eingebunden seien.
Erschwerend hinzu kommt aus Sicht der Berater, dass viele IT-Organisationen mit dem Betrieb und Support für bestehende Lösungen und Systeme vollauf beschäftigt seien. Campana & Schott stellt folgende Faustregel auf: Benötigt ein IT-Team mehr als 70 Prozent seiner Zeit für die Systemadministration und dafür, den Betrieb am Laufen zu halten, kommen Digitalisierung und Innovationsprojekte zu kurz.
Immerhin gelingt es schon vielen Firmen, den rein operativen Aufwand klein zu halten. Laut Umfragen braucht ein gutes Viertel dafür rund 40 Prozent seiner Zeit, ein weiteres Drittel muss etwa 60 Prozent des zur Verfügung stehenden Zeitkontos für den Systembetrieb einplanen. Hier bleibt noch genügend Zeit, um Innovationen aufzugreifen, Modellprojekte anzustoßen und neue Technologien einzuführen, so die Einschätzung der Berater.
Doch fast drei von zehn der befragten Unternehmen seien aufgrund der Belastung durch den Alltagsbetrieb überhaupt nicht in der Lage, zukunftsgerichtete Projekte voranzutreiben. Hinzu komme, dass die Personaldecke vieler IT-Abteilungen zu dünn sei. Mehr als ein Drittel aller befragten Betriebe klagt über eine sehr wenige (14 Prozent) oder wenige Fachkräfte (23 Prozent). Gerade einmal ein Fünftel erklärte, keine Personalengpässe zu haben.
Der Studie zufolge haben vor allem Großunternehmen Probleme, die richtige Balance zwischen Innovation und Betrieb zu finden. Ein gutes Drittel verbringt der Befragung zufolge mehr als 70 Prozent der Zeit mit operativen Aufgaben. Knapp ein Fünftel muss sogar mehr als 90 Prozent seiner IT-Zeit für den klassischen Systembetrieb und -Support opfern. Das liege vor allem daran, dass in den Konzernen die IT mit vielen unterschiedlichen Systemen, Anwendungen und einem Infrastrukturdschungel zu kämpfen habe.
Feedback bleibt ungenutzt
Die Berater warnen davor, sich von vermeintlich gut funktionierenden und transparenten IT-Prozessen täuschen zu lassen. Laut Umfrage sind sieben von zehn befragten IT-Verantwortlichen zufrieden mit ihren Abläufen, doch diese Einschätzung beruhe oft auf einer reinen Innensicht und sei trügerisch. Um wirklich beurteilen zu können, wie gut die eigenen Prozesse funktionieren und was sich bei Projekten verbessern lässt, sei es nötig, sich auch mit der Außensicht zu beschäftigen und das Feedback von Kunden beziehungsweise Mitarbeitern der Fachbereiche einzuholen.
Doch auf Kundenbefragungen oder das Auswerten von Ticketing-Systemen setzt nicht einmal die Hälfte der Befragten. Gravierende Defizite gibt es vielerorts auch bei der Bewertung von Projektergebnissen: Gerade einmal 37 Prozent der befragten Unternehmen versuchen herauszufinden, was ihre Vorhaben tatsächlich an Verbesserungen gebracht haben.
Der IT fehlt es am Standing
Will sich die IT als Gestalterin positionieren, muss sich also einiges ändern. Zu oft wird sie laut Studie nicht gehört, weil sie im Tagesgeschäft versinkt. Noch schwerer wiege, dass es vielen IT-Verantwortlichen am richtigen Standing und an Mitgestaltungsrechten in Sachen Strategie mangelt. Laut Campana & Schott sind zudem viele IT-Chefs im eigenen Unternehmen zu wenig vernetzt.
Die Konsequenz: Es fehlt das Feedback aus dem Business, um dessen Zukunft konstruktiv vorausdenken zu können. So werden Digitalisierungsprojekte oft erst spät oder zögerlich umgesetzt. Manche Unternehmen führen auch recht schnell digitale Plattformen ein, scheitern dann aber am Management und der Governance. Ist das Business nicht mit im Boot, versanden die Projekte, weil es an Commitment und Akzeptanz fehlt.
"Wann, wenn nicht jetzt, ist der optimale Zeitpunkt, die Transformation zu nutzen, um als Treiberin den Erfolg und die Unternehmenszukunft maßgeblich mitzugestalten?", lautet die rhetorische Frage der Studienautoren. Doch dafür müssten IT- und Fachabteilungen enger zusammenarbeiten, lautet das Fazit der Studie. Das technische Know-how aus der IT und die Fachkompetenz aus den Abteilungen bildeten den Rahmen für die Digitalisierung und damit die Grundlage für den künftigen Erfolg. Ohne einen Schulterschluss könne die Transformation von Unternehmen und Geschäftsmodellen kaum gelingen.
Ausmisten und automatisieren
"Eine IT als reine Erfüllungsgehilfin sollte sich niemand mehr leisten", sagt Eric Schott, Gründer und Geschäftsführer des Beratungshauses. Die Studie zeige ganz klar, dass die IT sich ihrer strategischen Bedeutung bewusstwerden müsse. "Die Unternehmen müssen in den IT-Abteilungen jetzt schnell die Routineaufgaben ausmisten oder automatisieren. Nur dann bekommen sie den Freiraum, um die Innovationen für den Wettbewerb von morgen voranzubringen."
Um sich von Routinen zu befreien und die Personalsituation zu entspannen, rät Schott den IT-Abteilungen, stärker auf Cloud-Lösungen zu setzen und durch "Citizen Development", also die technologische Befähigung der Fachabteilungen, ihre Belastung zu verringern. "Damit verschaffen sie sich den dringend notwendigen Freiraum, um geschäftskritische Innovationen für die Zukunft umzusetzen."
Über eine stärkere Vernetzung mit dem Business erhalte die IT mehr Einsicht in strategische Fragen und Geschäftsprozesse, rät Schott den Unternehmen. Das Business wiederum lerne, welche Möglichkeiten die IT und die Digitalisierung bieten, um besser und schneller zu agieren. Nur mit dem Fachwissen aller Abteilungen könne sich ein Unternehmen zukunftssicher aufstellen.