Und täglich grüßt das Murmeltier: Im Herbst 2013 polterte IG-Metall-Chef Wetzel mit seiner Forderung, gesetzlich einen allgemeines E-Mail-Verbot nach 20 Uhr durchzusetzen. Im April schwappten Konzepte und Ideen nach Deutschland, die die Diskussion um den E-Mail-Verzicht in den Abendstunden verbieten sollen. Und pünktlich zur Ferienzeit prahlten einige "gewerkschaftliche Vordenker und IT-Verantwortliche damit, dass sie "erfolgreich" E-Mails im Urlaub der Mitarbeiter gelöscht hätten. Doch es gibt noch immer keine ganzheitlichen Lösungen, die flächendeckend umgesetzt wurden, die die Interessen der Menschen und die Notwendigkeit der arbeitsweltlichen Realität vereinen. Der Ruf nach "Unerreichbarkeit" des Einzelnen muss verhallen. Es gibt kein Recht auf Unerreichbarkeit, sondern auf Selbstbestimmung.
Die gute Nachricht zuerst: Die Forderung von Gewerkschaftsbossen, beruflichen E-Mail- und SMS-Verkehr nach Feierabend gesetzlich zu unterbinden, wird nicht erfolgreich sein. Warum? Weil der überwiegende Teil der Gesellschaft nicht in "Neuland", sondern in Deutschland lebt. Ein funktionierendes industrielles und wirtschaftliches Kommunikationsgebaren kann nicht per Gesetz, per Dekret oder Beschluss indoktriniert werden. Ferner geht es nicht um die Betrachtung eines einzelnen Kommunikationskanals, sondern um die Unmittelbarkeit des privaten und öffentlichen Selbst.
Worum geht es?
Immer häufiger fordern überforderte Organe, Institutionen oder Bewohner von "Neuland" Verbote und gesetzliche Regelungen, die SMS- und E-Mail-Verkehr nach "Feierabend" sowie an Wochenenden unterbinden sollen. Nach Ansicht dieser beschränkenden Regulierer darf die "zunehmende Digitalisierung" nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer rund um die Uhr erreichbar seien. Die saturierten Funktionäre und die von idealisierten Vorstellungen beseelten "Neuländer" verlangen nach Gesetzen, die den "unzumutbaren" Zustand heilen.
Die Forderungen sind nicht nur fragwürdig und standortschädigend, sondern vielmehr auch der zentrale Schwachsinnspunkt in der Debatte um die Frage, wie Unternehmen und deren Mitarbeiter Kommunikationsinstrumente und Kommunikationskanäle nachhaltig nutzen sollen. Sowohl Gewerkschaften als auch Regierungen und Unternehmen sollten gewahr werden, dass heute und zukünftig Rezepte und Konzepte, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, im 20. Jahrhundert weiterentwickelt wurden und wohlstandsstiftend waren, im 21. Jahrhundert nicht mehr funktionieren, Wegweisendes geleistet werden kann. Was benötigt wird, sind Lösungen und nachhaltige Konzepte. Und dies für alle gängigen und aufkommenden Formen der Kommunikation.
Was benötigt wird
Selbstredend: Für viele Menschen entscheidet die Arbeit über das Lebensglück. Heute gilt - jedenfalls in unserem Wirtschaftskreis - eher die Auffassung, dass nicht Arbeit unzufrieden macht, sondern Arbeitslosigkeit. Arbeit kann Instrument der Selbstverwirklichung, Selbstwahrnehmung und des wirtschaftlichen Umfelds sein. Aber nur dann, wenn die Rahmenparameter stimmen.
Wir benötigen Modelle, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer in vielen Berufen tatsächlich ermöglichen. Familienfreundliche, flexiblere Arbeitszeiten werden Voraussetzung und sind geeignete Rahmenparameter, die auf der einen Seite etablierte Werte erhalten, auf der anderen Seite jedoch einen wettbewerbskonformen Fortschritt ermöglichen. Anstatt sich mit einer Frauenquote zu beschäftigen, müsste die EU-Kommission eine Diskussion darüber anstoßen, wie Europa im 21. Jahrhundert auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig bleibt und welche Rahmenparameter notwendig sind. Statt sich über die sinkenden Geburtenraten auszulassen, sollte die Bundesregierung Gesetze schaffen, die für unterschiedliche Qualifikationsprofile und Lebenssituationen mobile, ortsungebundene und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze ermöglichen.
Anstatt mit Verboten und Gesetzen zu poltern, die die Art und Weise der Kommunikation regeln, sollten Gewerkschaften Konzepte erarbeiten, die auf Transparenz und Offenheit in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzielen. Es reicht nicht, einzelne Kommunikationsmittel zu diskriminieren oder an den Pranger zu stellen. Es besteht Bedarf für eine ganzheitliche Betrachtung der Art und Weise wie in Unternehmen kommuniziert wird.
Verständnisse von Hierarchie, Unternehmensorganisation und Kommunikation in einem Unternehmen wie vor 20 oder 30 Jahren sind heute nicht mehr zielführend. Das werden - und müssen - immer mehr Entscheider in Unternehmen, aber auch Arbeitgebervertreter sowie Gewerkschaften, schnell lernen. Der Druck auf Deutschland - also die Gesellschaft -, die deutsche Wirtschaft und Unternehmen wird zu groß, als dass wir uns hier noch lange Zeit lassen können. Einerseits steigt der kultur- und wirtschaftsimperialistische Druck aus der nordamerikanischen Sphäre. Andererseits ist der Feuerschweif des asiatischen Drachens in der deutschen Gesellschaft - bis hin in mittelständische Unternehmen - zu spüren. Auch deshalb brauchen wir Regeln, die die wirtschaftliche Kraft Deutschlands nachhaltig festigen. Gesetzliche Einschnitte der Kommunikation oder artverwandte entartete Konzepte schaden dem Wohlstand aller und des Einzelnen.