Glaubt man IBMs Propagandisten für das Quanten-Computing, so stehen wir an der Schwelle zum Jahrzehnt des quantenzentrischen Supercomputings. Ihre Zuversicht untermauerten die Verfechter des Quanten-Computings auf dem diesjährigen IBM Quantum Summit in New York mit mehreren Neuheiten, beziehungsweise Durchbrüchen in Sachen Quantencomputer:
Zwei neue Quantenprozessoren (QPUs),
IBM Quantum System Two als Plattform für modulare Quantencomputer,
Eine neue Generation des Software-Stacks zur Quantenprogrammierung,
GenAI erlaubt die automatisierte Quantenprogrammierung.
Vor diesem Hintergrund erweiterte IBM seine Quantum Development Roadmap nun bis zum Jahr 2033 und veröffentlichte zusätzlich eine Innovation Roadmap. Betrachtet man sich diese Roadmaps genauer, so befindet sich IBM nach eigenen Angaben genau im Zeitplan und hat mit den jetzt vorgestellten Neuheiten, die für 2023 avisierten Ziele erreicht.
Heron und Condor
Mit Condor hat IBM jetzt ebenfalls nach Atom Computing einen Quantenprozessor mit mehr als 1.000 Qubits, um genau zu sein 1.121 Qubits, im Portfolio. Im Vergleich zu dem vor einem Jahr vorgestellten Osprey (433 Qubits) sind das mehr als doppelt so viele Qubits.
In der Praxis dürfte Condor allerdings eher akademische Bedeutung haben, demonstriert er doch, wie viele Qubits sich in eine QPU packen lassen und welche Fertigungsprozesse hierzu erforderlich sind. Zudem zeigt er neue Wege auf, wie sich die Ansteuerung der Qubits verbessern lässt.
Heron in der Cloud
Wichtiger für den Alltag dürfte dagegen die neue QPU Heron sein, die IBM den Nutzern nach eigenen Angaben ab sofort über die Cloud zur Verfügung stellt. Auf den ersten Blick scheint Heron mit seinen 133 Qubits kein großer Fortschritt gegenüber der 2021 vorgestellten Quanten-CPU Eagle mit 127 Qubits zu sein.
Bessere Fehlerkorrektur
Doch die Verbesserung von Heron steckt im Detail: Es soll bis zu fünfmal länger fehlerfrei rechnen können als Vorgänger Eagle. Somit hätte er die niedrigste Fehlerrate aller bislang von IBM vorgestellten Quantenprozessoren.
Damit wäre Heron in der Lage, deutlich komplexere Algorithmen zu berechnen als Eagle. Denkbar ist etwa ein Einsatz als wissenschaftliches Tool zur Erforschung von Problemen in der Chemie, Physik und Materialforschung, die über die klassische "brute force" Simulation der Quantenmechanik hinausgehen.
IBM Quantum System Two
Gleichzeitig ist Heron die erste QPU, die IBM in dem modularen Quantencomputer Quantum System Twoeinsetzt. Einen ersten Rechner mit drei Heron-Prozessoren und entsprechender Steuerelektronik nahm die Company jetzt in ihrem Forschungslabor in Yorktown Heights, New York, in Betrieb.
Quantenzentriertes Supercomputing
Laut IBM ist das System die Grundlage für die nächste Generation der Quantencomputer. Es kombiniert skalierbare kryogeneInfrastruktur und klassische Runtime-Server mit modularer Qubit-Steuerelektronik. Das neue System ist ein Baustein für IBMs Vision des quantenzentrierten Supercomputings. Diese Architektur kombiniert Quantenkommunikation und -berechnung, unterstützt durch klassische Rechenressourcen, und nutzt eine Middleware-Schicht, um Quanten- und klassische Workflows zu integrieren.
Neue Developer-Tools
Dreh- und Angelpunkt bei der sinnvollen und effizienten Nutzung von Quantencomputern bleibt aber die Software. Hier will IBM im Februar 2024 mit Qiskit 1.0 eine neue Generation ihres Software-Stacks zur Verfügung stellen. Eine wesentliche Neuerung dabei ist die Einführung sogenannter Qiskit Patterns.
Qiskit Patterns
Mit Qiskit Patterns sollen Quantum-Entwickler auf einfachere Weise Code erstellen können. Sie basieren laut IBM auf einer Sammlung von Tools, die es ermöglichen, klassische Probleme einfach abzubilden und sie mit Qiskit in Quantenschaltungen zu optimieren. Diese Schaltungen können dann mit Qiskit Runtime ausgeführt und die Ergebnisse nachbearbeitet werden.
Mit Qiskit Patterns in Kombination mit Quantum Serverless können Benutzer Workflows so erstellen, bereitstellen und ausführen, bei denen klassische und Quantenberechnungen in verschiedenen Umgebungen wie Cloud- oder On-Premise-Szenarien integriert werden.
Mit GenAI schneller zum Quantencode
Eine weitere Vereinfachung der Programmierung verspricht IBM durch die Nutzung von GenAI. Hierzu will die Company die hauseigene KI-Plattform watsonx nutzen. Auf diese Weise will man die Entwicklung von Quantencode für Qiskit automatisieren.
Hierzu gibt es den generativen KI-Code-Assistent namens Qiskit Code Assistant. Die Grundlage bildet dabei ein LLM. Dieses wurde von IBM erstellt und basiert auf einem Code-Datensatz von etwa 110 Programmiersprachen namens IBM Granite 20B Code. Dieses Granite-Modell ist das Basismodell, das mit Qiskit-Code und Beispielen erweitert und feinabgestimmt wurde, um das neue Modell IBM Granite 20B Code Qiskit zu erstellen.