2023 kommt der erste Quanten-Supercomputer

IBM bringt mit Osprey einen 433-Qubit-Prozessor

10.11.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Auf dem Quantum Summit 2022 hat IBM mit Osprey die nächste Generation seiner Quantenprozessoren vorgestellt. Und mit Bosch konnte IBM einen weiteren prominenten deutschen Partner für sein Quantum Network gewinnen.
Osprey ist mit 433 Qubits der bislang größte Quantenprozessor von IBM.
Osprey ist mit 433 Qubits der bislang größte Quantenprozessor von IBM.
Foto: IBM

Mit Osprey hat IBM seinen bislang größten Quantenprozessor vorgestellt. Mit 433 Qubits konnte die Anzahl der Qubits gegenüber der 2021 vorgestellten Eagle-QPU (Quantum Processing Unit) mehr als verdreifacht werden. Auf dem Weg ins Zeitalter des Quanten-Computing ist Opsrey aber nur ein weiterer Zwischenschritt. Schon 2023 soll mit Condor die erste QPU mit mehr als 1.000 Qubits folgen - sie soll mit 1.121 Qubits rechnen. Und mit Heron soll dann der erste skalierbare Quantenprozessor zur Verfügung stehen. So sieht es zumindest IBMs Roadmap für das Quanten-Computing vor. Ein Zeitplan, den das Unternehmen bislang einhalten konnte.

Das Potenzial von Osprey

Laut IBM hat Osprey das Potenzial, komplexe Quantenschaltungen auszuführen, die weit über das hinaus gehen, zu dem jeder klassische Computer jemals in der Lage wäre. Zur Veranschaulichung: Die Anzahl der klassischen Bits, die erforderlich wären, um einen Status auf dem IBM Osprey-Prozessor darzustellen, überschreitet die Gesamtzahl der Atome im bekannten Universum. Aber Rechenleistung allein ist beim Quantum Computing nur die halbe Miete. Ebenso entscheidend ist es, das Quantenrauschen zu reduzieren, das beim Rechnen für Fehler sorgt. Hierzu verfügt Osprey über integrierte Filter zur Rauschunterdrückung und Verbesserung der Stabilität.

Um das Rauschen weiter in den Griff zu bekommen, hat IBM ein Beta-Update für Qiskit Runtime veröffentlicht. Diese bietet jetzt die Möglichkeit, mit einer einfachen Option in der API die Geschwindigkeit zu verringern, um die Fehleranzahl zu reduzieren. Durch die Abstrahierung der Komplexität dieser Features im Software-Layer wird es für Benutzer einfacher, Quanten-Computing in ihre Workflows zu integrieren und die Entwicklung von Quantenanwendungen zu beschleunigen. Dass die kommerzielle Nutzung von Quantencomputern keine Zukunftsmusik mehr ist, zeigt ein Blick in IBMs Access Plans zum Quantum Computing: Für 1,60 Dollar pro Rechensekunde kann dort im Rahmen eines Pay-As-You-Go-Konzepts QPU-Rechenzeit gebucht werden - allerdings auf einem älteren Falcon-Prozessor mit 27 Qubit.

Bosch setzt auf Quanten-Computing

Am Forschungscampus Renningen forscht Bosch im Bereich Quantencomputing. Ziel ist es, durch Materialsimulationen mittels Quantencomputing innerhalb der nächsten zehn Jahre Edelmetalle und Seltene Erden in CO2-neutralen Antrieben zu ersetzen – im Elektromotor genauso wie in der Brennstoffzelle.
Am Forschungscampus Renningen forscht Bosch im Bereich Quantencomputing. Ziel ist es, durch Materialsimulationen mittels Quantencomputing innerhalb der nächsten zehn Jahre Edelmetalle und Seltene Erden in CO2-neutralen Antrieben zu ersetzen – im Elektromotor genauso wie in der Brennstoffzelle.
Foto: Bosch

Dass Quanten-Computing kein rein akademisches Thema mehr ist, zeigt auch ein Blick auf die Mitgliederliste des IBM Quantum Network. Immer mehr namhafte Player wie Mercedes-Benz, EON, BP, ExxonMobil, Boeing, Samsung, Sony etc. sind auf der Liste zu finden. Kürzlich kamen mit Bosch, Vodafone, der Crédit Mutuel Alliance Fédérale sowie HSBC weitere Schwergewichte an Bord. Bosch, der weltgrößte Automobilzulieferer,will gemeinsam mit IBM Anwendungsfälle im Bereich der Materialwissenschaft für Brennstoffzellen, elektrische Antriebe und fortgeschrittene Sensormaterialien erforschen und erproben. Ziel ist es, durch Materialsimulationen mittels Quanten-Ccomputing innerhalb der nächsten zehn Jahre Edelmetalle und Seltene Erden in CO2-neutralen Antrieben zu ersetzen – im Elektromotor genauso wie in der Brennstoffzelle. Bis 2025 will Bosch zehn Milliarden Euro in Digitalisierung und Vernetzung investieren. Für die französische Bank Crédit wiederum stehen Anwendung im Bereich Finanzdienstleistungen im Vordergrund.

Und Vodafone will für den Telekommunikationsbereich quantensichere Verschlüsselungsverfahren entwickeln. IBM bietet in diesem Kontext Technologie und Services an, von der Bereitstellung des z16 Systems mit quantensicherer Technologie (IBM Quantum Safe) bis hin zur Entwicklung von Algorithmen in Verbindung mit dem NIST (National Institute of Standards and Technology) für die Standardisierung bis 2024. NIST will hierzu noch in diesem Jahr vier Algorithmen standardisieren.

2023 kommen erste Quanten-Supercomputer

IBMs Quanten-Computing-Roadmap.
IBMs Quanten-Computing-Roadmap.
Foto: IBM

Wie notwendig neue, quantensichere Security-Lösungen sind, zeigt ein erneuter Blick auf die IBM Roadmap. Dort wird 2023 zu einem wichtigen Wendepunkt deklariert: Zu diesem Zeitpunkt soll mit der Realisierung eines quantenzentrierten Supercomputers begonnen werden. Darunter versteht IBM eine modulare Rechenarchitektur, die eine Skalierung ermöglicht, indem sie zur Erhöhung der Rechenkapazität Quantenkommunikation und -berechnung kombiniert. Gleichzeitig wird eine hybride Cloud-Middleware eingesetzt, um Quanten- und klassische Arbeitsabläufe nahtlos zu integrieren.

IBM Quantum System Two

Erste Entwürfe für dasquantenzentrierte Supercomputing hat das Unternehmen bereits vorgestellt: Das IBM Quantum System Two, das 2023 auf den Markt kommen soll. Beim IBM Quantum System Two handelt es sich um ein modulares, erweiterbares System, das als Herzstück eines quantenzentrierten Supercomputers betrachtet wird. In Sachen Hardware kommt hierzu im nächstenJahr der 133-Qubit-Prozessor IBM Quantum Heron auf den Markt, der auf einerabstimmbaren Kopplerarchitektur basiert. So soll Heron in der Lage sein, Rechenleistung modular zu kombinieren und klassische Kommunikationswege einzubinden, um Arbeitsabläufe zu beschleunigen. Auf diese Weise sollen die Vorteile von Circuit Knitting und Quantum Serverless Features genutzt werden. Allerdings reicht es nicht, nur modular zu denken - das Ganze muss gleichzeitig kosteneffizient skalieren. Hierzu entwickelt IBM einen 4K-Cryo-CMOS-Qubit-Controller. Mit ihm können die Qubits innerhalb der gekühlten Umgebung - nahe dem absoluten Nullpunkt - gesteuert werden. Und das mit einem Chip, der nur die Größe eines Fingernagels haben soll.

Was die Software betrifft, soll es bald möglich sein, Berechnungen auf parallelen Quantenprozessorenauszuführen, die perklassischer Echtzeitkommunikation untereinander verbunden sind. Hierzu wird die Threaded-Runtimes-Erweiterung genutzt. Durch die dynamische Kopplung von Rechenleistung soll es für die User möglich sein, Quantenaufgaben in 18 Stunden zu lösen, für die sie ohne diese Fortschritte 180 Jahre benötigen würden. 2024 folgt dann mit Flamingo eine QPU, bei der drei Prozessoren zu einer Recheneinheit mit 1.386 Qubits verbunden werden können - mit Latenzzeiten um die 1ms.