Weiter erfolgreich im 5G-Geschäft

Huawei widerspricht Gerüchten über EU-Rückzug

15.12.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Neue Jobs, steigende 5G-Marktanteile und neue Cloud-Standorte – Huawei sieht keine Gründe für einen Rückzug aus Europa.
Einen Rückzug aus Europa erwägt Huawei nach eigenen Angaben nicht - im Gegenteil, man stelle in Europa neue Leute ein.
Einen Rückzug aus Europa erwägt Huawei nach eigenen Angaben nicht - im Gegenteil, man stelle in Europa neue Leute ein.
Foto: askarim - shutterstock.com

Huawei zieht sich aus Europa zurück, darüber berichteten zahlreiche Medien, wie wir auch, nach einer Meldung des Politikmagazins Politico. Als Belege für die These führte Politico damals etwa die Entwicklung des Konzerns in Großbritannien oder die angebliche Schließung des Brüssler Büros an. Zudem sei Huawei aus zahlreichen europäischen Mobilfunknetzen verbannt worden.

Die Verwirrung um Huawei Brüssel

Eine Darstellung, der man bei Huawei widerspricht. So sei es mitnichten der Fall, dass man das Brüssler Büro schließe und damit nicht mehr am Sitz der EU präsent sei. Laut Huawei hat sich lediglich die Berichtslinie geändert - ein Vorgang, der in allen großen Konzernen mit Matrixstrukturen ständig vorkomme. Die Gerüchte um die angebliche Schließung des Brüssler Büros erklärt sich der Konzern damit, dass es wohl Verwirrungen um ein internes Papier gab. Dort sei die Rede davon gewesen, dass das Brüssler Büro als Hub mit direktem Berichtsweg an die Zentrale in Shenzhen aufgelöst werde. Dafür berichte das Büro aber in Zukunft an die Europazentrale in Düsseldorf und bleibe vor Ort weiterhin aktiv.

Neue Jobs statt Rückzug

Auch ansonsten könne von einem Rückzug aus Europa keine Rede sein. So habe man erst im Oktober 2022 mit Unterstützung der irischen Regierung in Irlanddie Huawei Cloud gestartet. Ein Projekt, in das der Konzern 150 Millionen Euro investiert. Zudem sollen in diesem Zusammenhang in Irland rund 200 neue Jobs entstehen. Insgesamt beschäftige das Unternehmen derzeit über 13.000 Mitarbeiter in Europa und habe allein auf LinkedIn über 400 offene Stellen ausgeschrieben. Ein Schritt, den man wohl kaum mache, wenn man einen Rückzug aus Europa plane.

Für Verwirrung sorgte vor allem die Kommunikation des Konzerns im Zusammenhang mit dem Brüssler Büro.
Für Verwirrung sorgte vor allem die Kommunikation des Konzerns im Zusammenhang mit dem Brüssler Büro.
Foto: Lodapon Wantaarawaiva - shutterstock.com

Zumal man auch im Mobilfunk - auch beim Aufbau der 5G-Netze - entgegen anders lautenden Berichten in Europa weiterhin gut im Geschäft sei. So habe sich beispielsweise Portugal im November dazu entschieden, beim weiteren Ausbau seines 5G-Netzes auf Mobilfunkantennen von Huawei zu setzen. Aber auch in anderen europäischen Mobilfunk-Märkten ist Huawei - entgegen allen politischen Boykottaufrufen - weiterhin gut im Geschäft. So setzten etwa in Österreich Magenta und Liwest, so der österreichische Standard im August 2022, weiterhin auf Huawei-Equipment. Auch in der Schweiz ist Huawei weiterhin ein wichtiger Lieferant von 5G-Technologie. sowohl Sunrise, Salt als auch Swisscom nutzen Komponenten des chinesischen Herstellers.

Huawei und 5G

Und hierzulande geht die dänische Beratungsfirma Strand Consult in dem Report "The Market for 5G RAN in Europe: Share of Chinese and Non-Chinese Vendors in 31 European Countries" - aus dem Light Reading zitiert - davon aus, dass Huawei-Equipment in 59 Prozent der 5G-Netze verbaut ist. Für die Vorgängertechnologie LTE/4G gibt Strand Consult einen Wert von 57 Prozent an. Doch nicht nur die deutschsprachigen Länder setzen in Europa auf Huawei beim Netzausbau. So sind die Chinesen etwas in Italien mit 51 Prozent gut im Geschäft und kommen in den Niederlanden auf einen Anteil von 72 Prozent, wobei KPN in Sachen RAN (Radio Access Network, also die Basisstationen mit ihren Funkantennen) laut Strand ausschließlich auf Huawei setzt. Stark auf die China-Karte setzt auch Rumänien mit 76 Prozent und in Ungarn stammt 53 Prozent des RAN-Equipments aus dem Reich der Mitte.

Dass Huawei nach wie vor so weit in den 5G-Netzen verbreitet ist, hat einen einfachen Grund. Die meisten Mobilfunkanbieter fahren eine sogenannte Multi-Vendor-Strategie. Und in Sachen RAN haben die Telcos, wenn es um etablierte Player geht, nicht viel Auswahl: So bestimmen vor allem Nokia, Ericsson und Huawei den Markt, mit Abstand gefolgt von ZTE. Dabei setzen die Netzbetreiber nicht nur aus finanziellen Gründen auf einen Hersteller, sondern auch, um einen single point of failure zu vermeiden. Sie wollen schlicht verhindern, dass ihr Mobilfunknetz komplett ausfällt, falls einmal etwas schief läuft mit einem Software-Update eines Herstellers.

Die OpenRAN-Pleite der USA

Während Huawei beim 5G-ausbau im RAN-Bereich (Basisstationen mit Funkantennen) in Europa gut im Geschäft ist, kommt Huawei-Equipment in den Core-Netzen kaum zum Einsatz.
Während Huawei beim 5G-ausbau im RAN-Bereich (Basisstationen mit Funkantennen) in Europa gut im Geschäft ist, kommt Huawei-Equipment in den Core-Netzen kaum zum Einsatz.
Foto: mokjc - shutterstock.com

Genau diese Bemühungen, ihren Kunden ein möglichst ausfallsicheres und zuverlässiges Mobilfunknetz zu offerieren, halten die Netzbetreiber laut dem Strand-Report "Debunking 25 Myths of OpenRAN" davon ab, die vor allem von US-Herstellern propagierte OpenRAN-Technologie einzusetzen. Zumal die OpenRAN-Propagandisten es laut Strand bislang versäumt haben, den Mobilfunkbetreibern aufzuzeigen, welchen Vorteil die Technik gegenüber einem klassischen RAN wirklich bietet. Und mit klassischer RAN-Technologie, wie sie Huawei, Nokia und Ericsson liefern, laufen weltweit 182 kommerzielle 5G-Netze.

Unter dem Strich, so zitiert die International Teletimes die dänische Strand Consult, "ist 5G eine wirtschaftliche Katastrophe". Deren Folgen spüren bereits die ersten OpenRAN-Anbieter. So musste etwa der OpenRAN-Pionier Parallel Wireless fast 80 Prozent seiner Belegschaft entlassen, um auf den sehr langsam wachsenden Markt zu reagieren. Marktbeobachter gehen davon aus, dass 2025 weniger als ein Prozent aller 5G-Basisstationen weltweit mit OpenRAN-Technik laufen. Bis 2030 könnte sich dann der Anteil auf bescheidene 3 Prozent erhöhen.

US-Wirtschaftskrieg gegen Huawei?

In diesem Misserfolg von OpenRAN sehen einige Marktbeobachter denn auch den eigentlich Grund für die amerikanische Hetzjagd auf Huawei. Den USA, so ihr Vorwurf, gehe es weniger um die Sicherheit, sondern vielmehr um die wirtschaftlichen Interessen der eigenen Industrie. Schließlich dominieren US-Anbieter das OpenRAN-Geschäft. Zudem setzt die Technik hardwareseitig primär auf Intels x86-Chips auf. Ferner kommen die vielbeschworenen OpenRAN-Services primär aus US-Clouds von Google, Amazon und Microsoft.

Während die US-Anbieter noch um die Akzeptanz von OpenRAN kämpfen, zündet Huawei bereits eine weitere 5G-Stufe. Mit 5.5G soll die nächste Entwicklungsstufe der Mobilfunktechnik folgen und die Weichen in Richtung Ultrabreitband-Netze gestellt werden. Im Gespräch sind Bandbreiten von bis zu 10 Gbit/s.