Wird Mike Lynch ausgeliefert?

HPE will Satisfaktion für Autonomy-Desaster

31.01.2022
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit falschen Angaben soll Autonomy-Gründer Mike Lynch sein Unternehmen vor zehn Jahren viel zu teuer an HPE verkauft haben. Jetzt soll die US-Justiz übernehmen.

Es wird eng für Mike Lynch. Die Richter am High Court in London haben am 28. Januar 2022 entschieden, dass der Gründer des britischen Softwareunternehmens Autonomy an die USA ausgeliefert werden soll. Kurz darauf genehmigte die britische Innenministerin Priti Patel die Auslieferung.

Geht es nach HPE, so soll Ex-Autonomy-Chef Mike Lynch hinter Gitter für seinen Betrug.
Geht es nach HPE, so soll Ex-Autonomy-Chef Mike Lynch hinter Gitter für seinen Betrug.
Foto: Fer Gregory - shutterstock.com

Lynch soll sich in den Vereinigten Staaten wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Die Vorwürfe reichen Jahre zurück. Im August 2011 hatte das damals noch vereinte Unternehmen Hewlett-Packard angekündigt, das britische Softwarehaus Autonomy für rund elf Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. Eingefädelt hatte den Deal der damals neu amtierende HP-Chef Léo Apotheker, der jedoch schon im Jahr darauf wieder seinen Hut nehmen musste.

Das Desaster rund um die Autonomy-Übernahme dürfte den Rausschmiss Apothekers verursacht haben. Schon zum Zeitpunkt des Deals wurde der Kaufpreis von vielen Marktbeobachtern als absurd hoch kritisiert.

Hat Autonomy seine Bilanzen frisiert?

Das Unglück nahm seinen Lauf. Im Mai 2012 verließ Lynch das Unternehmen. Im November des gleichen Jahres riss die Akquisition ein tiefes Loch in die Bilanz von HP. Der IT-Konzern musste insgesamt rund 8,8 Milliarden Dollar auf Autonomy abschreiben. Die HP-Verantwortlichen sprachen von Unstimmigkeiten in den Bilanzen der Briten und warfen Lynch vor, die Zahlen absichtlich schön gerechnet zu haben, um den Preis der Software-Company in die Höhe zu treiben. Der Gründer wies die Anschuldigungen zurück und warf HP Missmanagement vor, das zu dem Riesenverlust geführt hätte.

Die damalige HP-Chefin Meg Whitman zog vor Gericht und forderte über fünf Milliarden Dollar Schadensersatz.
Die damalige HP-Chefin Meg Whitman zog vor Gericht und forderte über fünf Milliarden Dollar Schadensersatz.
Foto: Hewlett-Packard

Meg Whitman, damals die Nachfolgerin von Apotheker, gab allerdings nicht klein bei. Die US-amerikanische Börsenaufsicht und das Justizministerium in Washington wurden eingeschaltet. Das HP-Management kündigte an, gerichtlich gegen Lynch vorzugehen und Schadensersatz einzufordern. Im Frühjahr 2015 reichte HP in den USA offiziell Klage ein, auf 5,1 Milliarden Dollar Schadensersatz gegen Lynch und Sushovan Hussain, den Ex-Finanzchef von Autonomy. Ein jahrelanger Gerichtsmarathon begann.

Lynch: "Das ist nicht das Ende"

Ob mit der Entscheidung des britischen High Court, Lynch an die USA auszuliefern, ein baldiges Finale des Verfahrens zu erwarten ist, darf bezweifelt werden. Lynchs Anwälte kündigten an, der Manager werde gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Lynch streite die gegen ihn in den USA erhobenen Vorwürfe entschieden ab und werde weiter dafür kämpfen, seine Unschuld zu beweisen, hieß es seitens der Anwälte. "Er ist ein britischer Staatsbürger, der ein britisches Unternehmen in Großbritannien geführt hat, das den britischen Gesetzen und Vorschriften unterliegt, und dort sollte die Angelegenheit auch geklärt werden", so die Anwälte. "Dies ist nicht das Ende des Kampfes."

The Royal Courts Of Justice in London - hinter diesen Mauern dürfte sich Schicksal von Mike Lynch entscheiden.
The Royal Courts Of Justice in London - hinter diesen Mauern dürfte sich Schicksal von Mike Lynch entscheiden.
Foto: Willy Barton - shutterstock.com

Lynch verweist auch auf die Testate von Deloitte. Die Wirtschaftsprüfer hatten die Bilanzen seines Unternehmens von 2009 bis 2011 geprüft und für korrekt befunden. Doch auch Deloitte kam nicht ungeschoren davon. Im September 2020 wurde das Unternehmen wegen schwerer Fehler im Rahmen seiner Prüfungstätigkeit von einem britischen Gericht zu einer Strafe von 15 Millionen Pfund verurteilt.

Autonomys Finanzchef sitzt schon ein

Bevor der Ex-Autonomy-Chef der US-Justiz ausgeliefert wird, könnte sich das Verfahren noch lange hinziehen. Lynch kann zunächst das Berufungsgericht, den Court of Appeal, anrufen und dann im nächsten Schritt das höchste britische Gericht, den Supreme Court. Es ist davon auszugehen, dass der britische Manager alle Möglichkeiten ausschöpfen wird. Denn in den USA dürfte Lynch mit großer Wahrscheinlichkeit hinter Gittern landen.

Sein ehemaliger Finanzchef Hussain wurde im August 2020 vor einem US-amerikanischen Berufungsgericht rechtskräftig zu fünf Jahren Haft und einer Strafe von zehn Millionen Dollar verurteilt. Die Anklage hatte zwölf Jahre gefordert, die Anwälte Hussains ein Jahr Haft vorgeschlagen. Geeinigt hat man sich in etwa in der Mitte. Hussain sitzt derzeit seine Strafe in einem US-Gefängnis ab.