Ex-Autonomy-Chef Mike Lynch angeklagt

HPE fordert Schadensersatz in Milliardenhöhe

14.02.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Das Autonomy-Management soll Zahlen geschönt haben, um das Unternehmen teurer verkaufen zu können. HPE fordert deshalb vier Milliarden Dollar Schadensersatz.
HPE lässt nicht locker - Ex-Autonomy-Chef Mike Lynch soll vier Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
HPE lässt nicht locker - Ex-Autonomy-Chef Mike Lynch soll vier Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
Foto: Tomas Bazant - shutterstock.com

Das Desaster rund um den Kauf des britischen Softwareherstellers Autonomy lässt die Verantwortlichen von Hewlett Packard Enterprise (HPE) nicht ruhen. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals The Register fordert der IT-Anbieter vier Milliarden Dollar Schadensersatz vom ehemaligen Autonomy-Chef Mike Lynch sowie dessen Ex-Finanzchef Sushovan Hussain.

Im August 2011 hatte das damals noch vereinte Unternehmen Hewlett-Packard angekündigt, das britische Softwarehaus Autonomy für rund elf Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. Schon zum Zeitpunkt des Deals wurde der Kaufpreis von vielen Marktbeobachtern als absurd hoch kritisiert.

HPE will Satisfaktion für Autonomy-Desaster

Das Unglück nahm seinen Lauf. Im Mai 2012 verließ Lynch das Unternehmen. Im November des gleichen Jahres riss die Akquisition ein tiefes Loch in die Bilanz von HP. Der IT-Konzern musste insgesamt rund 8,8 Milliarden Dollar auf Autonomy abschreiben. Die HP-Verantwortlichen sprachen von Unstimmigkeiten in den Bilanzen der Briten und warfen Lynch vor, die Zahlen absichtlich schön gerechnet zu haben, um den Preis der Software-Company in die Höhe zu treiben. Der Gründer wies die Anschuldigungen zurück und warf HP im Gegenzug Missmanagement vor.

Klagen ziehen sich seit 2015

Das wollte das damalige HP-Management rund um CEO Meg Whitman nicht auf sich sitzen lassen und kündigte an, gerichtlich gegen Lynch vorzugehen und Schadensersatz einzufordern. Im Frühjahr 2015 reichte HP in den USA offiziell Klage ein - auf 5,1 Milliarden Dollar Schadensersatz gegen Lynch und Hussain. Ein jahrelanger Gerichtsmarathon begann.

Nun könnte es tatsächlich eng werden für den ehemaligen Autonomy-Boss. Lynch sitzt seit Mitte Mai 2023 in San Francisco unter Hausarrest fest. Ein britisches Gericht hatte Anfang 2022 verfügt, dass der Manager an die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden dürfe. Alle Versuche von Lynch, die Überstellung an die US-Behörden zu verhindern, scheiterten. Ex-Autonomy-CFO Hussain verbüßt nach seiner rechtskräftigen Verurteilung im August 2020 bereits eine fünfjährige Haftstrafe in den USA.

Währenddessen geht auch in England das Zivilverfahren gegen Lynch und Hussain weiter, wie The Register berichtet. Der High Court in London sei bereits zu dem Schluss gekommen, dass Lynch und Hussain im Vorfeld der Übernahme über einen Zeitraum von mindestens zehn Steuerquartalen einen umfassenden Betrug begangen hätten. Beide Manager hätten demzufolge die angeblichen Software-Einnahmen von Autonomy künstlich aufgebläht, um ihr Unternehmen als wertvolleres Übernahmeobjekt darzustellen.

Durcheinander - wer hat was wann gewusst?

Wie viel Schadensersatz HPE letztlich erhalten wird, bleibt abzuwarten. Der IT-Konzern hat seine Forderungen bereits auf vier Milliarden Dollar reduziert. Auch die Richter ließen bereits durchblicken, dass sich der US-Anbieter wohl mit einem deutlich geringeren Betrag als ursprünglich gefordert zufriedengeben müsse. Das Vermögen von Lynch wird auf etwa eine Milliarde britische Pfund geschätzt - im Wesentlichen basierend auf den Investitionen seiner Firma Invoke Capital in den von ihm mitgegründeten Security-Anbieter Darktrace.

Damaliger HP-Chairman: Ray Lane wollte Übernahme von Autonomy verhindern

Viel dürfte davon abhängen, ob das Gericht zu dem Schluss kommt, dass HP von der Transaktion Abstand genommen hätte, wenn es den wahren Wert von Autonomy gekannt hätte. Léo Apotheker, der damalige Chef von HP, den das Übernahme-Fiasko letztlich den Job kostete, hat in der Vergangenheit immer wieder beteuert, er hätte dem HP-Vorstand empfohlen, das Geschäft abzublasen, wenn er Unstimmigkeiten in den Büchern des Unternehmens entdeckt hätte.

Allerdings scheint auch auf HP-Seite im Zuge des Deals nicht alles so funktioniert zu haben, wie es eigentlich sollte. The Register berichtet, dass die frühere Finanzchefin von HP während des Prozesses zugegeben habe, einen Due-Diligence-Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG über Autonomy nicht gelesen zu haben, bevor die Übernahme zustande kam.