Hausmesse Discover 2018

HP Enterprise gibt Gas im Edge Computing

20.06.2018
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Hewlett-Packard Enterprise (HPE) hat angekündigt, mehrere Milliarden Dollar in die Entwicklung sogenannter Edge-Systeme zu investieren. Damit unterstreicht der Konzern seinen Anspruch, ein führender Anbieter von End-to-End-Computing-Infrastrukturen zu sein, die auch das Internet der Dinge miteinschließen.

CEO Antonio Neri sagte auf der Hausmesse Discover in Las Vegas, HPE wolle über die kommenden vier Jahre hinweg eine Computing-Architektur schaffen, die das Rechenzentrum, das Edge-Netzwerk und die Cloud umspanne. Neri, der das Amt im Februar 2018 von Meg Whitman übernommen hatte, kündigte Investitionen von vier Milliarden Dollar an, um die Entwicklung von "Intelligent-Edge-Produkten", Dienstleistungen und weiteren Initiativen voranzutreiben.

Wie in jedem Jahr fanden auch 2018 viele HPE-Kunden den Weg zur Hausmesse Discover in Las Vegas.
Wie in jedem Jahr fanden auch 2018 viele HPE-Kunden den Weg zur Hausmesse Discover in Las Vegas.
Foto: HP Enterprise

Dem Edge Network Computing gehöre die Zukunft, weil Unternehmen künftig aus Performance-Gründen dezentrale Architekturen favorisierten, die Teile der Datenerfassung und Analyse ins Netz verlagerten. Nur so könnten sie von der Menge der Daten, die durch das Internet of Things (IoT) und mobile Endgeräte erzeugt würden, optimal profitieren, sagte Neri. Mit der Investition werde sich der ganze Konzern verändern: Themen wie Connectivity, IT-Sicherheit, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) stünden jetzt im Mittelpunkt aller Bemühungen.

Der CEO zitierte die Analysten von Gartner, die prophezeit hatten, dass bis zum Jahr 2022 rund 75 Prozent der Enterprise-Daten "at the Edge" entstehen würden - also dezentral an zahlreichen Knoten im Netzwerk. "Wir leben in einer Zeit, in der Daten weit verteilt sind", sagte Neri, auch Multi-Cloud-Umgebungen würden immer selbstverständlicher. Daher müssten sich Unternehmen "Edge-centric, Cloud-fähig und datengesteuert" aufstellen. Eine "Edge-to-Cloud-Architektur" sei dafür die zentrale Voraussetzung.

Eine wichtige Rolle wird in Sachen Edge-Architektur die HPE-Tochter Aruba Networks spielen. HPE hatte den WiFi-Spezialisten 2015 für drei Milliarden Dollar übernommen, um in den Bereichen Wireless-Management-Software, integrierte Sicherheit, Analysetools und anderen Technologien voranzukommen. Das Connecitivity- und Networking-Know-how ist für die schöne neue Edge-Welt überaus gefragt.

Edge Computing ist das nächste große Ding

Der HPE-Boss steht mit seiner Auffassung, dass Edge Computing wichtiger wird, nicht allein. "Wir werden hier ein starkes Wachstum sehen", bestätigte Crawford Del Prete, Executive Vice President Officer bei IDC, auf der Discover-Konferenz. "Massendaten, die im Internet hin- und herbewegt werden müssen, lassen sich heute nicht schnell genug verarbeiten", sagte er. Vor allem für Zukunftstrends wie das autonome Fahren gelte es Systeme zu entwickeln, die Objekte in Sekundenbruchteilen erkennen können.

Autonomes Fahren ist aus Sicht von HPE ohne Edge Computing kaum vorstellbar. Zu viele Informationen müssen dem Fahrzeug ad hoc zur Verfügung stehen, als dass eine zentrale Cloud-Infrastruktur ausreichen würde.
Autonomes Fahren ist aus Sicht von HPE ohne Edge Computing kaum vorstellbar. Zu viele Informationen müssen dem Fahrzeug ad hoc zur Verfügung stehen, als dass eine zentrale Cloud-Infrastruktur ausreichen würde.
Foto: HP Enterprise

Laut IDC ist HPE gut positioniert, da das Unternehmen unter den RZ-Ausrüstern eine erste Adresse sei. Im Enterprise-Server-Markt habe HPE im ersten Quartal des Jahres 3,3 Milliarden Dollar eingenommen und so einen Marktanteil von 19,9 Prozent erzielt. Nur Dell EMC lag mit 3,6 Milliarden Dollar Umsatz und 21,5 Prozent Marktanteil vor HPE, wobei der Rivale vor allem im mittleren und unteren Marktsegment auftrumpfte. Die Stärke im High-end-Server-Markt sowie das breite Storage-Portfolio mache HPE zu einem der führenden Anbieter von Data Center-Technologien und schaffe günstige Startbedingungen, wenn es nun um Edge-Netzwerke, Hybrid-Cloud-Architekturen und mobile Lösungen gehe.

Die offene Flanke im Public-Cloud-Angebot will HPE durch die Einbindung von Microsofts Azure-Cloud sowie die Dienste von Amazon Web Services (AWS) schließen. Konkret kündigte der Konzern auf der Discover einen Hybrid-Cloud-Service an, der die eigene, im Pay-per-Use-Moell angebotenen On-premise-Produkte unter dem Label GreenLake mit den Public-Cloud-Offerten integrieren soll.

Ende 2017 hatte der Konzern eine Reihe von vorpaketierten Lösungen unter der Marke GreenLake gebündelt und mit einem verbrauchsabhängigen Lizenzmodell vermarktet. Green Lake Big Data etwa bietet einen vorintegrierten Hadoop-Data-Lake, der auf der neuesten HPE-Hardware getestet und lauffähig ist und unter anderem Software von Hortonworks oder Cloudera nutzt. Ähnliche vorgeschnürte Pakete auf der Basis von eigenen und Third-Party-Produkten gibt es für die Bereiche Backup (Commvault), Datenbank (EDB Postgres), SAP HANA (vorkonfigurierte Appliance) und auch Edge Computing.

Der jetzt angekündigte "HPE GreenLake Hybrid Cloud Service" soll Unternehmen unterstützen, Workloads in diesen Umgebungen, aber auch in der Public Cloud flexibel zu verwalten. Laut Ana Pinczuk, Senior Vice President und General Manager von HPE Pointnext, geht es für Unternehmen künftig generell darum, ihre IT serviceorientiert zu betreiben. "Wir gehen deshalb zu Verbrauchsmodellen über, die unseren Kunden Flexibilität bieten. Das gibt uns einen Einstieg in eine viel längerfristige Beziehung mit einem Kunden".

"HPE weiß, dass die Workloads künftig nicht mehr an einem Ort liegen werden", kommentiert IDC-Analyst Rob Brothers. Ohne eine Strategie, die Kunden auch in der Public Cloud zu unterstützen, brauche man als Infrastruktur-Anbieter nicht mehr antreten. Das Know-how für das Hybrid-Cloud-Angebot hatte HPE im Wesentlichen durch zwei Übernahmen gewonnen: So wurden in den vergangenen Monaten RedPixie aus London, ein auf Microsoft Azure spezialisierter Cloud-Berater und Anwendungsentwickler, und Cloud Technology Partners (CTP) aus Boston, ein Experte für AWS-Migrationen, übernommen.

Wie der Hersteller verspricht, lassen sich mit HPE GreenLake Hybrid Cloud entsprechende Umgebungen designen, implementieren, managen und optimieren. Dazu verwendet der Anbieter ein Toolset mit vielfältigen Automatisierungsfunktionen, das auf "HPE OneSphere" und diversen Software-defined-Technologien aufsetzt.

Die im Konzern zuständige Einheit Pointnext IT Services beschäftigt weltweit 25.000 Mitarbeiter. Es handelt sich um den ehemaligen Geschäftsbereich Technical Services, der umbenannt wurde. Kernprodukt dieses Geschäftsbereichs ist der Service "GreenLake Flex Capacity", der Anwendern für Produkte wie ProLiant-Server, die converged Infrastructure "SimpliVity" oder Speichersysteme der Storage-Tochter 3PAR die Möglichkeit einer verbrauchsabhängigen Bezahlung einräumt.

Wie auf der Discover deutlich wurde, gibt HPE auch in anderen Bereichen Gas. So arbeitet das Unternehmen fieberhaft daran, alle Lösungen für das Infrastruktur-Management zu automatisieren und zu vereinfachen. Beispielsweise soll die Predictive-Analytics-Plattform "InfoSight", die HPE mit der Übernahme von Nimble Storage erworben hatte, über das gesamte Produktportfolio ausgerollt werden, damit die Systeme intelligente Selbstheilungs-Funktionen erhalten und insgesamt effizienter laufen. Auch die vor einem Jahr eingeführte "EdgeLine Service Platform", ein Software-Layer, auf dem HPE und seine Partner Anwendungen für die Verwaltung von Daten aus zahlreichen Quellen schreiben können, soll intelligenter werden.

Darüber hinaus arbeitet HPE seit einiger Zeit daran, seine Systeme zu automatisieren und intelligenter zu gestalten. Zum Beispiel sagte das Unternehmen im vergangenen November, dass es eine KI-basierte Empfehlungsmaschine zur InfoSight Predictive Analytics-Plattform für Flash-Speicher hinzufügt und damit einen weiteren Schritt in Richtung des so genannten autonomen Rechenzentrums macht, in dem die Systeme sich selbst modifizieren, um effizienter zu arbeiten.