Über ein Drittel der seit Beginn der Corona-Pandemie im Home-Office Arbeitenden werfen sich legale Drogen wie Melatonin, Hanfprodukte, Pflanzenextrakte etc. ein, um das eigene Wellbeing zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Wohlfühlreport Homeoffice 2022". Im Zuge der Studie befragte Statista Q im Auftrag des Münchner Cloud-Kommunikationsanbieters NFON AG jeweils rund 1.000 Personen in Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich, Polen und Portugal. Rund 18 Prozent nahmen entsprechende Präparate ein, um die Konzentration zu steigern und zirka 13 Prozent brauchten entsprechende Mittel um wieder runterzukommen, sprich sich zu erholen.
Hanf und Melatonin stehen hoch im Kurs
Schlüsselt man die Ergebnisse nach einzelnen Ländern auf, dann zeigen sich in sechs Staaten ähnliche Ergebnisse. Allerdings gab in Italien fast die Hälfte an, nicht verschreibungspflichtige Präparate zur Steigerung des Wohlbefindens eingenommen zu haben, während es in Österreich lediglich rund 22 Prozent waren.
Insgesamt hat sich die Einnahme von legalen Hanfprodukten (zum Beispiel CBD-Öl) seit Beginn der Pandemie nahezu verdoppelt (vor Pandemie rund 25 Prozent, seit Beginn der Pandemie knapp 43 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Einnahme von Melatonin. Sie stieg von 38 auf 62 Prozent.
Führt New Work auf die Therapie-Couch?
Der Ulmer Professor für Molekulare Psychologie, Christian Montag, der die Studie als Experte für den Einfluss digitaler Technologien begleitete. Kommt zu folgendem Schluss: "Die Ergebnisse zeichnen ein teils besorgniserregendes Bild hinter den verschlossenen Türen im Home-Office. In der Psychologie wissen wir, dass eine neue Arbeitsumgebung, aber auch neue Arbeitsumstände für Belastungen sorgen können. Der 'Wohlfühlreport Homeoffice 2022' zeigt, dass wir uns einer neuen Realität stellen müssen: Die Sorgsamkeit um das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Home-Office muss im Fokus stehen. Das Home-Office wandelt sich zum New Home, es braucht ständige Aufmerksamkeit und Pflege, damit das Modell New Work in Europa nicht zur Therapie auf die Couch muss."
Home-Office auf der Toilette
In der Tat sind die Ergebnisse der Studie zum Teil besorgniserregend, wenn man etwa betrachtet, wo im Home-Office gearbeitet wird. So gaben 1,2 Prozent der Teilnehme an, dauerhaft auf der Toilette/dem Gäste-WC, dem Badezimmer oder dem Balkon zu arbeiten. Und etwas über 12 Prozent haben ihr Home-Office ins Schlafzimmer verlegt.
Lediglich knapp 32 Prozent verfügen über ein Arbeitszimmer, während fast 36 Prozent aus dem Wohnzimmer arbeiten. In allen acht Ländern lag der Durchschnitt des Raumes für das Home-Office bei immerhin 20,32 Quadratmetern. Mit 15,35 Quadratmetern haben die Briten den wenigsten Platz im Home-Office, die Italiener können sich auf 23,81 Quadratmetern ausbreiten.
Das Home-Office-Paradoxon
Mit dem Wandel zur Bereitschaft von Unternehmen, die Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten zu lassen, zeichnet sich mit der Studie ein teils widersprüchliches Bild vom Verhältnis von Arbeit und Freizeit ab. So erscheinen auf den ersten Blick die Ergebnisse zu den Fragen, was sich während der Pandemie im Home-Office geändert hat, widersprüchlich. 28 Prozent der in den europäischen Ländern Befragten gaben an, dass die Menge der zu bewältigenden Aufgaben (Arbeitspensum) zugenommen hat und bei einem Viertel hat sich die Arbeitszeit erhöht. Gleichzeitig erklärten 36 Prozent, dass sie eine bessere Work-Life-Balance und mehr Zeit für Familie und Freunde hätten. So bekundeten jeweils fast 30 Prozent, dass sie mehr Zeit für Sport aufwenden und sich gesünder ernähren.
Stress im Home-Office
Dem gegenüber steht das Thema Stress im Home-Office. Von den Studienteilnehmern gaben 37 Prozent an, sich unterschiedlich stark gestresst gefühlt zu haben. Dabei werden als Stressfaktoren unter anderem die notwendige Selbstverpflegung (8,7 Prozent), eine schlechte Internet-Verbindung (17,2 Prozent) sowie die ständige Erreichbarkeit (19,7 Prozent) genannt. Zudem ist etwa der fehlende Austausch mit Kollegen für mehr als ein Drittel ein Stressfaktor und für über Prozent eine fehlende Abgrenzung von Privatem und Beruflichem. Interessant ist ferner, dass jeder fünfte Befragte im Home-Office unter Technostress leidet - dies schließt zum Beispiel technische Mängel wie defekte Router, unpassende Ausstattung, Akkuprobleme und mehr ein.
"Immer mehr Leute scheinen bereit zu sein, auf dem Zahnfleisch zu gehen, anstatt sich mal rauszuziehen", kommentiert Professor Montag die Studienergebnisse, "Urlaub oder Erholungsphasen sind eine gesellschaftliche Errungenschaft, ein Konstrukt von Schutzräumen in denen man sich auskurieren oder den Akku aufladen sollte."