OpenText und Micro Focus

Hochzeit kostet 2.000 Jobs

01.02.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
OpenText hat die Übernahme von Micro Focus abgeschlossen und muss das Unternehmen nun integrieren und wieder auf den Erfolgspfad zurückführen. Dazu sollen erst einmal acht Prozent der Stellen gestrichen werden.
Opentext wird nach der Übernahme von Micro Focus in seinem Softwaresortiment erst einmal Ordnung schaffen müssen.
Opentext wird nach der Übernahme von Micro Focus in seinem Softwaresortiment erst einmal Ordnung schaffen müssen.
Foto: ezhenaphoto - shutterstock.com

OpenText hat die im August vergangenen Jahres angekündigte Akquisition von Micro Focus abgeschlossen. "Ich möchte die Kunden, Partner und Mitarbeiter von Micro Focus bei OpenText willkommen heißen", begrüßte Mark J. Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, die Neuankömmlinge. 5,8 Milliarden Dollar lassen sich die Kanadier die Akquisition kosten, dabei sind Barmittel und Verbindlichkeiten von Micro Focus bereits eingerechnet. Mit den Produkten und Mitarbeitern von Micro Focus könne man Unternehmen jeder Größe dabei unterstützen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen, sagte Barrenechea.

Das werden allerdings nicht alle Mitarbeiter miterleben. Die OpenText-Verantwortlichen kündigten an, dass in dem kombinierten Unternehmen acht Prozent der Stellen abgebaut werden sollen. OpenText beschäftigt rund 14.800 Mitarbeitende, durch die Micro-Focus-Übernahme kommen weitere 11.000 hinzu. Von den über 25.000 Stellen sollen nun 2.000 wegfallen. OpenText beziffert die erwarteten Kosteneinsparungen auf 400 Millionen Dollar.

"Wir verfolgen einen strukturierten und disziplinierten Ansatz im Zusammenhang mit Mergers und Acquisitions", sagte Barrenechea. In den vergangenen sechs Monaten habe man einen Integrationsplan erarbeitet. "Wir sind bereit und freuen uns darauf, den Markt für Informationsmanagement zu gewinnen, starke Kundenergebnisse zu erzielen und das Unternehmenswachstum und den Cashflow zu steigern."

Mark J. Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, will bei Akquisitionen einen strukturierten und disziplinierten Ansatz verfolgen.
Mark J. Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, will bei Akquisitionen einen strukturierten und disziplinierten Ansatz verfolgen.
Foto: OpenText

OpenText, das 1991 gegründet wurde und im kanadischen Waterloo beheimatet ist, hat seine Wurzeln im Enterprise Content Management (ECM). In den vergangenen Jahren hat der Anbieter sein Portfolio kontinuierlich erweitert. Heute fasst OpenText unter dem Oberbegriff Information Management verschiedene Cloud-Suiten zusammen. Neben einer Content-Cloud gibt es Cloud-Lösungen für Business Networks, das Experience Management, Security und für Developer. Ergänzt wird das ganze durch Tools für AI und Analytics sowie Process Automation.

Unübersichtlicher Software-Dschungel bei Opentext

Das Produktportfolio der Kanadier ist allerdings ziemlich unübersichtlich. Insgesamt umfasst die Liste der Softwareprodukte von OpenText über 120 Produkte. Mit der Akquisition kommen etliche weitere dazu, so dass der Druck auf das Management steigen wird, das Portfolio zu bereinigen und für die Kunden klarer darzustellen. Es dürfte zudem Überschneidungen im Angebot geben, beispielsweise im Bereich AI und Analytics.

Micro Focus, 1976 im britischen Newbury gegründet, bietet in erster Linie Lösungen und Dienstleistungen rund um die Modernisierung veralteter und heterogener Softwareumgebungen an. Auch die Briten haben in ihrer Firmengeschichte viele Unternehmen zugekauft. 2009 übernahm Micro Focus Borland, 2014 folgte die Attachmate Group mit den Töchtern Novell und SUSE. 2016 akquirierte Micro Focus Serena Software für 540 Millionen Dollar sowie für 2,5 Milliarden Dollar den Großteil des Softwarebereichs von Hewlett Packard Enterprise (HPE).

Interview mit dem CEO von Micro Focus

Mit der zuletzt genannten Akquisition haben sich die Micro-Focus-Verantwortlichen allerdings verhoben. Die Integration geriet komplex und brachte den Konzern in Schieflage. 2018 büßte der Anbieter nach eine Gewinnwarnung über 50 Prozent seines Börsenwerts ein. In den Folgejahren schrumpften die Umsätze - von fast 3,4 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2019 auf knapp 2,9 Milliarden Dollar im Finanzjahr 2021, das mit dem Oktober 2021 endete. Unter dem Strich verbuchten die Briten einen Verlust von 435 Millionen Dollar. Dazu kam ein gewaltiger Schuldenberg den Micro Focus vor sich herschob - laut Finanzbericht für das Fiskaljahr 2021 fast 4,2 Milliarden Dollar. Da dürfte es den Aktionären nicht schwer gefallen sein, im vergangenen Jahr dem Übernahmeangebot von OpenText zuzustimmen.

Opentext muss aufräumen

Vor OpenText, das im Fiskaljahr 2022 (Ende 30. Juni 2022) seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um gut drei Prozent auf knapp 3,5 Milliarden Dollar steigern konnte, dürfte also jede Menge Arbeit liegen. Barrenechea gibt sich dennoch zuversichtlich: "Mit dieser Übernahme verstärkt OpenText seine Mission, Unternehmen dabei zu helfen, ihre Prozesse abzusichern, tiefere Einblicke und Erkenntnisse aus ihren Daten zu erhalten und eine zunehmend hybride und komplexere digitale Struktur besser zu verwalten."

Der Manager stellt seinen Kunden eine neue Generation von Tools in Aussicht, die Cybersecurity, Digital Operations Management, Applications Modernization & Delivery und AI & Analytics umfassen sollen. "Diese neue Generation von Informationsmanagement-Software wird Unternehmen dabei helfen, ihre digitale Transformation voranzutreiben, ihr Wachstum zu sichern und gleichzeitig Kosten zu senken," so sein Versprechen.