Eingriffe gibt es überall
Überaus erhellend ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung, die die Amerikanisch-Britische Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells bereits im Mai 2012 vorstellte, also etwa ein Jahr vor dem Auffliegen der PRISM-Affäre. Der Titel: "Eine globale Realität: Regierungsamtlicher Zugriff auf Daten in der Cloud." Die Anwälte untersuchten rechtliche Rahmenbedingungen und Realitäten in zehn Ländern, unter ihnen die USA, Deutschland und Frankreich. Natürlich fanden sich dabei diverse Unterschiede, darüber hinaus vermittelt die Untersuchung aber eine recht einheitliche Botschaft, die an Klarheit wenig zu Wünschen übrig lässt.
Zitat: "Es gibt sehr viele falsche Vorstellungen darüber, was Gesetze im eigenen Land und in anderen Ländern erlauben. Diese Missverständnisse schüren das Gerücht, der Zugriff von Behörden auf Daten in der Cloud sei in einigen Ländern grundsätzlich wahrscheinlicher als in anderen, und Firmen könnten sich davor schützen, indem sie Service Provider nutzen, die nur in sogenannten sicheren Ländern operieren....Nach unseren Erkenntnissen ist das aber nicht möglich. Die Frage, ob staatliche Stellen auf Daten zugreifen können, hängt nicht direkt davon ab, in welchem Land der betreffende Serviceprovider beziehungsweise seine Infrastruktur zu Hause sind. Die Fähigkeit von Regierungen, auf Cloud-Daten zuzugreifen, überwindet Grenzen. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Regierung der USA mehr Zugriff auf solche Daten hat als die Regierungen anderer Länder."
Unter diese Länder fällt auch Deutschland, mit dessen Situation sich die Hogan Lovells-Autoren intensiv beschäftigt haben. Prinzipiell gibt es auch in Deutschland mehrere Wege, auf denen Behörden Einblick in Cloud-Dateien nehmen können. Der erste ist der des Audits, also zur Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen. Zweitens können staatliche Stellen Metadaten anfordern, also Telefonnummern, Adressen und Geburtsdaten, mit der Begründung, diese Infors seien Notwendig, um Verbrechen aufzuklären oder generell Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.
Es geht auch ohne richterliche Anordnung
Eine Mitteilung an die Betroffenen ist zwar theoretisch vorgesehen, kann aber aus verschiedenen Gründen unterbleiben, einer davon ist die Gefahr eines terroristischen Angriffs. Insgesamt verschafft das sogenannte G 10-Gesetz von 1968, das die Verletzung des Post- und Fernmelde- beziehungsweise Telekommunikationsgeheimnisses durch staatliche Stellen in besonderen Fällen erlaubt, den Behörden große Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbestände, die in Deutschland gelagert sind. Eine richterliche Anordnung ist dazu nicht unbedingt notwendig.
Dass es Vereinbarungen über die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst und amerikanischen Geheimdiensten gibt, hat die Bundesregierung mittlerweile offiziell bestätigt. Details sind geheim....Wenn aber deutsche Stellen ohne Kenntnis der Unternehmen, um deren Daten es geht, Einblick nehmen können, und andere deutsche Stellen mit US-Geheimdiensten kooperieren, dann folgt daraus, dass auch in Deutschland in der Cloud gelagerte Daten nicht völlig sicher sein können vor dem Zugriff von wem auch immer.
Priorisieren und verschlüsseln
Stellt sich die Frage, ob sich Firmen in Deutschland gar nicht vor dem Datenklau schützen können? Sie können zumindest die Risiken senken, und zwar mit einer abgestuften Vorgehensweise. Erstens sollten sie, analog zu Backup- and Recovery, Daten priorisieren. Jedes Unternehmen arbeitet mit vielen Informationen, bei denen es unkritisch ist, wenn Dritte mitlesen und die deshalb auch gefahrlos in die Cloud verlagert werden können.
Zweitens ist es sinnvoll, potentiellen Spionen das Leben so schwer wie möglich zu machen, zum Beispiel indem übermittelte Daten verschlüsselt werden. Drittens schließlich ist es (vermutlich) sinnvoll, als Cloud Provider nicht ausgerechnet Größen wie Amazon, Google oder Microsoft zu wählen. 100-Prozentige Sicherheit bietet das zwar aus den genannten Gründen nicht, aber es erschwert amerikanischen Schnüfflern die Arbeit. Denn die Großen werden von der US-Regierung offensichtlich als erstes dazu genötigt, grundsätzliche Vereinbarungen über die Weitergabe von Daten einzugehen und sich von diesen Partner sogar technisch beim Ausspähen unterstützen zu lassen. Das zeigt die offenbar recht weitreichende Zusammenarbeit von Microsoft mit den US-Geheimdiensten.
Und wie lautete doch die Begründung des Unternehmens für die Unterstützung? Man kooperiere mit den Behörden nur in den Fällen, in denen das gesetzlich vorgeschrieben sei. Wen das beruhigt, der hat nichts begriffen.