Nicht mehr als einen Tag im Homeoffice

Heimarbeiter müssen sich disziplinieren können

27.09.2018
Von 
Jens Gieseler arbeitet als freier Journalist in Tübingen.
Sowohl Mitarbeiter als auch Arbeitgeber sehen mehr Vor- als Nachteile in der Einführung einer Home-Office-Regelung. Unternehmensvertreter warnen allerdings davor, sich ohne klare Regeln auf dieses Experiment einzulassen.

Bei Easysoft können alle 85 Mitarbeiter im Home Office arbeiten. Nicht nur, dass der Spezialist für Personalentwicklungs- und Ausbildungssoftware Laptop und Zugang zu den Firmendaten für jeden organisiert. Die drei Geschäftsführer setzen neben Vertrauensarbeitszeit auch auf den Vertrauensarbeitsplatz. "Jeder soll dort arbeiten, wo er die Firmenziele am besten erreichen kann", formuliert Andreas Nau das Credo der Softwareschmiede. "Wir appellieren an die Ehrlichkeit unserer Mitarbeiter", so der Geschäftsführer weiter, denn nicht jeder ist so diszipliniert und lässt sich zu Hause nicht von Abwasch, Wäschewaschen und Kindern ablenken.

Wer regelmäßig im Home Office arbeitet, muss eine entsprechende Disziplin an den Tag legen.
Wer regelmäßig im Home Office arbeitet, muss eine entsprechende Disziplin an den Tag legen.
Foto: Halfpoint - shutterstock.com

De facto gehen 90 Prozent der Easysoft-Mitarbeiter ins Büro. Zwar nutzt jeder gelegentlich die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, aber die Kommunikation untereinander ist den Mitarbeitern wichtig, um anstehende Aufgaben schnell zu lösen und um sich persönlich auszutauschen. Die Geschäftsführung macht es ihren Mitarbeitern allerdings auch nicht leicht: höhenverstellbare Schreibtische, Kommunikationsinseln, Slackline oder Ruheraum - kaum einer wird in den eigenen vier Wänden einen besseren Arbeitsplatz vorfinden.

Personalexperte und Unternehmensberater Jörg Knoblauch war noch nie ein Anhänger des Home Office: "Wer jeden Tag von zu Hause aus arbeitet, dem fehlt der Teamgeist und zudem der kreative Austausch mit den Kollegen". Rückendeckung bekommt er aus dem Silicon Valley, das Knoblauch regelmäßig besucht. Allein im vergangenen Jahr begleiteten ihn 150 Unternehmer auf seinen drei Reisen. Dort haben Apple, Amazon und Co Hierarchien abgebaut und Projektarbeit etabliert.

Jörg Knoblauch, Unternehmensberater: „Wer jeden Tag von zu Hause aus arbeitet, dem fehlt der Teamgeist und der kreative Austausch mit den Kollegen.“
Jörg Knoblauch, Unternehmensberater: „Wer jeden Tag von zu Hause aus arbeitet, dem fehlt der Teamgeist und der kreative Austausch mit den Kollegen.“
Foto: Campus Verlag

Gleichzeitig lernen die jungen Menschen bereits an den Unis vernetzt zu denken und kooperativ zu arbeiten. Dazu kommen einladende Arbeitsbedingungen: Teilweise werden sie mit Firmenbussen zu Hause abgeholt, um bereits während der Fahrt arbeiten zu können statt unsinnig im Stau zu stehen. Manche Arbeitsplätze gleichen einem unaufgeräumten Jugendzimmer und im Firmengebäude kann selbstverständlich eingekauft, Wäsche gewaschen oder Sport getrieben werden. "Arbeit und Freizeit wird dort nicht getrennt, sondern verbunden", erzählt Knoblauch. Angesichts dieser Arbeitsatmosphäre haben viele Mitarbeiter kaum Interesse, von zu Hause zu arbeiten, so sein Eindruck, falls das Home Office nicht ohnehin wie bei Yahoo oder IBM von oben verboten ist.

"Die Arbeit von zu Hause erfordert viel Disziplin", weiß Sven Damberger. Deshalb achtet der Geschäftsführer von Mobile Video Communication (MVC) genau auf die Ergebnisse seiner Mitarbeiter und stellt auch Spielregeln auf. So dürfen die Kollegen vom Servicedesk tagsüber nicht im Home Office arbeiten. Und pro Woche mehr als zwei Tage zu Hause bleiben, ist nicht drin. Das nutzen allerdings auch nur 40 Prozent seiner Mitarbeiter aus: "Manche sparen sich zwei Stunden Anfahrt nach Frankfurt,andere können zu Hause tatsächlich konzentrierter arbeiten", begründet er, warum das Unternehmen seinen Mitarbeitern so großen Freiraum bietet. Allerdings müsse die Anbindung an die Firma gewährleistet bleiben.

Sven Damberger, MVC: „Die Arbeit von zu Hause erfordert viel Disziplin.“
Sven Damberger, MVC: „Die Arbeit von zu Hause erfordert viel Disziplin.“
Foto: MVC Mobile VideoCommunication GmbH

Dann gibt es besondere Situationen, wie bei Alexander Fischer. Der MVC-Teamleiter Cloud war für fünf bis sechs Wochen außer Gefecht gesetzt - eigentlich. Wegen einer Erkrankung des Sprunggelenks konnte er kaum gehen, geschweige ins Büro kommen. "Krankschreiben oder Home Office", sagt der 30-jährige Systemelektroniker und war die Zeit zu Hause erreichbar. Als Spezialist für Videotechnologie sind alle Mitarbeiter so ausgerüstet, dass sie von überall aus arbeiten können.

Für Fischer und seine drei Kollegen in der Münchener Niederlassung ist Online-Kommunikation völlig normal. Gerade wenn er ungestört und konzentriert arbeiten will, bleibt er meist zu Hause, etwa wenn es um Installationen bei einem der 500 Kunden geht. "Das ist für mich weniger anstrengend", erzählt der Techniker, "und für die Kunden effektiver." Grundsätzlich schätzt er allerdings den direkten Austausch mit seinen Kollegen, auch den privaten während der Mittagspause. Deshalb fährt er dreimal pro Woche eine Dreiviertelstunde von Dachau in die Landeshauptstadt.

Andreas Nau, Easysoft: „Wir appellieren beim Thema Home Office an die Ehrlichkeit unserer Mitarbeiter.“
Andreas Nau, Easysoft: „Wir appellieren beim Thema Home Office an die Ehrlichkeit unserer Mitarbeiter.“

Sechs Easysoft-Mitarbeiter arbeiten jeden Tag im Home Office, weil der Weg in den Metzinger Firmensitz viel zu weit wäre. Wöchentlich sehen sich die Kollegen in der virtuellen Teamsitzung. Das Videobild sorgt für größere Nähe. Zudem kommen alle Kollegen viermal im Jahr zum jeweils zweitägigen Gesamtmeeting zusammen. "Uns ist wichtig, dass alle unmittelbar eingebunden und Teil des Teams sind", so Nau. Auch Sven Damberger erlaubt eine Ausnahme von seiner Zwei-Tage-Regel. Vor einigen Jahren kündigte seine Buchhalterin, um nach Hamburg zu ziehen. Nachdem die Nachfolge nicht wie gedacht funktionierte, rief er in Hamburg die gegenwärtig einzige Vollzeit-Home-Arbeiterin an. Der fehlte nach einigen Wochen der Kontakt.

Seitdem ist sie per permanenter Videokonferenz mit ihrem Team verbunden - und wenn es zu laut wird, schaltet sie den Ton aus. "Ich glaube, das ist ein Sonderfall", merkt Jörg Knoblauch kritisch an, "aber wenn das Ergebnis stimmt, haben Unternehmen und Mitarbeiterin alles richtig gemacht." Er gibt Geschäftsführern drei Tipps. Zum einen, Home Office gibt es nur als Prämie, wenn das Ergebnis stimmt und der Mitarbeiter dies wünscht. Zum zweiten, es muss klare Regeln geben von der telefonischen Erreichbarkeit bis zu Zielvorgaben. Und zum dritten, nicht mehr als einen Tag pro Woche.