Bei Easysoft können alle 85 Mitarbeiter im Home Office arbeiten. Nicht nur, dass der Spezialist für Personalentwicklungs- und Ausbildungssoftware Laptop und Zugang zu den Firmendaten für jeden organisiert. Die drei Geschäftsführer setzen neben Vertrauensarbeitszeit auch auf den Vertrauensarbeitsplatz. "Jeder soll dort arbeiten, wo er die Firmenziele am besten erreichen kann", formuliert Andreas Nau das Credo der Softwareschmiede. "Wir appellieren an die Ehrlichkeit unserer Mitarbeiter", so der Geschäftsführer weiter, denn nicht jeder ist so diszipliniert und lässt sich zu Hause nicht von Abwasch, Wäschewaschen und Kindern ablenken.
De facto gehen 90 Prozent der Easysoft-Mitarbeiter ins Büro. Zwar nutzt jeder gelegentlich die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, aber die Kommunikation untereinander ist den Mitarbeitern wichtig, um anstehende Aufgaben schnell zu lösen und um sich persönlich auszutauschen. Die Geschäftsführung macht es ihren Mitarbeitern allerdings auch nicht leicht: höhenverstellbare Schreibtische, Kommunikationsinseln, Slackline oder Ruheraum - kaum einer wird in den eigenen vier Wänden einen besseren Arbeitsplatz vorfinden.
Personalexperte und Unternehmensberater Jörg Knoblauch war noch nie ein Anhänger des Home Office: "Wer jeden Tag von zu Hause aus arbeitet, dem fehlt der Teamgeist und zudem der kreative Austausch mit den Kollegen". Rückendeckung bekommt er aus dem Silicon Valley, das Knoblauch regelmäßig besucht. Allein im vergangenen Jahr begleiteten ihn 150 Unternehmer auf seinen drei Reisen. Dort haben Apple, Amazon und Co Hierarchien abgebaut und Projektarbeit etabliert.
Gleichzeitig lernen die jungen Menschen bereits an den Unis vernetzt zu denken und kooperativ zu arbeiten. Dazu kommen einladende Arbeitsbedingungen: Teilweise werden sie mit Firmenbussen zu Hause abgeholt, um bereits während der Fahrt arbeiten zu können statt unsinnig im Stau zu stehen. Manche Arbeitsplätze gleichen einem unaufgeräumten Jugendzimmer und im Firmengebäude kann selbstverständlich eingekauft, Wäsche gewaschen oder Sport getrieben werden. "Arbeit und Freizeit wird dort nicht getrennt, sondern verbunden", erzählt Knoblauch. Angesichts dieser Arbeitsatmosphäre haben viele Mitarbeiter kaum Interesse, von zu Hause zu arbeiten, so sein Eindruck, falls das Home Office nicht ohnehin wie bei Yahoo oder IBM von oben verboten ist.
"Die Arbeit von zu Hause erfordert viel Disziplin", weiß Sven Damberger. Deshalb achtet der Geschäftsführer von Mobile Video Communication (MVC) genau auf die Ergebnisse seiner Mitarbeiter und stellt auch Spielregeln auf. So dürfen die Kollegen vom Servicedesk tagsüber nicht im Home Office arbeiten. Und pro Woche mehr als zwei Tage zu Hause bleiben, ist nicht drin. Das nutzen allerdings auch nur 40 Prozent seiner Mitarbeiter aus: "Manche sparen sich zwei Stunden Anfahrt nach Frankfurt,andere können zu Hause tatsächlich konzentrierter arbeiten", begründet er, warum das Unternehmen seinen Mitarbeitern so großen Freiraum bietet. Allerdings müsse die Anbindung an die Firma gewährleistet bleiben.
Dann gibt es besondere Situationen, wie bei Alexander Fischer. Der MVC-Teamleiter Cloud war für fünf bis sechs Wochen außer Gefecht gesetzt - eigentlich. Wegen einer Erkrankung des Sprunggelenks konnte er kaum gehen, geschweige ins Büro kommen. "Krankschreiben oder Home Office", sagt der 30-jährige Systemelektroniker und war die Zeit zu Hause erreichbar. Als Spezialist für Videotechnologie sind alle Mitarbeiter so ausgerüstet, dass sie von überall aus arbeiten können.
Für Fischer und seine drei Kollegen in der Münchener Niederlassung ist Online-Kommunikation völlig normal. Gerade wenn er ungestört und konzentriert arbeiten will, bleibt er meist zu Hause, etwa wenn es um Installationen bei einem der 500 Kunden geht. "Das ist für mich weniger anstrengend", erzählt der Techniker, "und für die Kunden effektiver." Grundsätzlich schätzt er allerdings den direkten Austausch mit seinen Kollegen, auch den privaten während der Mittagspause. Deshalb fährt er dreimal pro Woche eine Dreiviertelstunde von Dachau in die Landeshauptstadt.
Sechs Easysoft-Mitarbeiter arbeiten jeden Tag im Home Office, weil der Weg in den Metzinger Firmensitz viel zu weit wäre. Wöchentlich sehen sich die Kollegen in der virtuellen Teamsitzung. Das Videobild sorgt für größere Nähe. Zudem kommen alle Kollegen viermal im Jahr zum jeweils zweitägigen Gesamtmeeting zusammen. "Uns ist wichtig, dass alle unmittelbar eingebunden und Teil des Teams sind", so Nau. Auch Sven Damberger erlaubt eine Ausnahme von seiner Zwei-Tage-Regel. Vor einigen Jahren kündigte seine Buchhalterin, um nach Hamburg zu ziehen. Nachdem die Nachfolge nicht wie gedacht funktionierte, rief er in Hamburg die gegenwärtig einzige Vollzeit-Home-Arbeiterin an. Der fehlte nach einigen Wochen der Kontakt.
Seitdem ist sie per permanenter Videokonferenz mit ihrem Team verbunden - und wenn es zu laut wird, schaltet sie den Ton aus. "Ich glaube, das ist ein Sonderfall", merkt Jörg Knoblauch kritisch an, "aber wenn das Ergebnis stimmt, haben Unternehmen und Mitarbeiterin alles richtig gemacht." Er gibt Geschäftsführern drei Tipps. Zum einen, Home Office gibt es nur als Prämie, wenn das Ergebnis stimmt und der Mitarbeiter dies wünscht. Zum zweiten, es muss klare Regeln geben von der telefonischen Erreichbarkeit bis zu Zielvorgaben. Und zum dritten, nicht mehr als einen Tag pro Woche.
- Wie wird Arbeiten im Home Office effizient?
Unify gibt einige praktische Tipps, mit denen Mitarbeiter auch ihr Home Office möglichst produktiv gestalten können. - Grenzen setzen - auch zu Hause
Im eigenen Heim lauern zahlreiche Ablenkungen: Nicht abgespültes Geschirr, der Kühlschrank, Radio oder Fernseher üben ungeahnte Anziehungskräfte aus und stören die produktive Arbeit. - Ein festgelegter Arbeitsbereich, ...
... der vom übrigen Wohnraum abgetrennt ist, verhilft auch zu klaren Grenzen im Kopf. Die Gefahr der Ablenkung wird geringer. - Einen Fensterplatz buchen
Stress bremst die Produktivität. Ein Blick aus dem Fenster bietet Abwechslung, noch mehr wenn er direkt ins Grüne geht. Außerdem ist es für Bildschirmarbeiter sinnvoll, regelmäßig in die Ferne zu sehen, zumindest einige Meter hinter den Monitor. - Ein Fensterplatz ...
... verringert die Belastung der Augen und damit auch den Arbeitsstress. Tipp für alle, die keinen Platz am Fenster haben: Auch Zimmerpflanzen oder ein Zimmerbrunnen sorgen für entspannte Atmosphäre. - Mit Farben spielen
Farbe ist ein wichtiger Faktor für jeden Büroraum, egal ob in der Firma oder zu Hause. Farben beeinflussen die Stimmung wesentlich. - Neutrale Farben wirken beruhigend, ...
... während manche Orange- und Gelbtöne sogar das Hungergefühl fördern. Besonders zu empfehlen für eine produktive Arbeitsumgebung sind Zitronentöne, Pastellblau oder Cremefarben. - Auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten
Mitarbeiter können nur produktiv sein, wenn sie gesund sind und einen komfortablen Arbeitsplatz haben. - Das Büro zuhause ...
... soll auch nach ergonomischen Vorgaben eingerichtet werden, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Hier sind ebenfalls die Arbeitgeber gefragt: Sie sollten unbedingt dafür sorgen, dass alle ihre Mitarbeiter die nötigen Informationen zur Ergonomie am Arbeitsplatz bekommen. - Für Flexibilität sorgen
Auch wenn das Home Office seinen festen Platz in der Wohnung haben sollte: Stuhl und Schreibtisch festzuschrauben, hilft auch nicht weiter. - Dagegen fördert es die Kreativität ...
... gelegentlich die Position und damit den Blickwinkel auf die aktuelle Arbeit zu wechseln. Es ist ebenfalls hilfreich, Dinge neu sortieren zu können oder die Arbeit anders anzuordnen - dafür sollte auch im Home Office Platz sein.