Laut einer globalen Studie von McKinsey zum Thema "State of AI 2020" haben bereits 50 Prozent der befragten Unternehmen in mindestens einer Geschäftsfunktion erfolgreich KI-Systeme implementieren können. Allerdings berichten nur die wenigsten, diese Mehrwerte auch nachhaltig integrieren zu können. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von fehlenden Kompetenzen bis hin zu einer unzureichenden Strategie. Ein Schwachpunkt wird dabei jedoch oftmals übersehen: Die Vorstände selbst.
Das Thema KI kann nicht einfach an ein Team oder "die IT" delegiert werden, sondern beeinflusst die Arbeit aller Unternehmensbereiche und erfordert damit auch das Engagement und Verständnis des gesamten Vorstandes. Jede Führungsposition ist durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz betroffen und muss sich und die eigenen Verantwortlichkeiten diesen Veränderungen entsprechend anpassen. Fehlt dieses, kommt der Einsatz von KI oftmals nicht über vereinzelte Proof-of-Concept-Projekte hinaus.
KI-Transformation ist anders
Auch andere technologische Entwicklungen wie Mobile, Digitalisierung oder Big Data haben einen entscheidenden Einfluss auf die Firmen gehabt. Die Einführung einer künstlichen Intelligenz unterscheidet sich jedoch in mehreren Faktoren:
Künstliche Intellligenz ist der wohl größte technologische Wandel, den die Wirtschaft je erlebt hat. Sie betrifft alle Sektoren und alle Funktionen. Über die Technologie hinaus verschieben sich die Wertepools in den Branchen, und einige Unternehmen kämpfen bereits um die lokale oder globale Vorherrschaft: Ant Financial im Bankwesen, Netflix im Medienbereich, Uber/Didi/Yandex und andere in der Mobilität, Ping An im Versicherungswesen, um nur einige prominente Beispiele zu nennen. Entsprechend betrifft KI nicht bloß einen Teil eines Unternehmens, sondern weitet sich auf sämtliche Bereiche und Funktionen aus. Dies bedarf einer einheitlichen, übergreifenden Abstimmung und Kommunikation und kann nicht von isolierten Teams durchgeführt werden.
Bei KI handelt es sich nicht um eine Plug-and-Play-Lösung. Sie lässt sich nicht einfach kaufen und sofort umfänglich einsetzen. Vielmehr muss sie in einem kontinuierlichen Prozess weiterentwickelt, angepasst und mit für das Unternehmen und die Unternehmensziele relevanten Daten trainiert werden.
Für die effektive Entwicklung und Skalierung von KI-Lösungen im Unternehmen müssen verschiedene Geschäftsbereiche über die Lebenszeit von Prozessen, Produkten und Services hinweg eng zusammenarbeiten, da die KI-relevanten Daten nicht unabhängig voneinander funktionieren und die "Daten die Software schreiben" - nicht umgekehrt.
Und schließlich können völlig neue Risiken entstehen, wenn es Ihnen gelingt, KI zu implementieren. KI agiert in einem noch nie dagewesenen Tempo und Umfang. Verzerrte oder fehlerhafte Dateneingaben und -verarbeitung sowie ethische, Compliance- und sicherheitsrelevante Schwachstellen können zu negativen Konsequenzen führen, die sich schwerwiegend in Umsatz, Reputation oder Unternehmenswert niederschlagen.
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Wie sich Vorstandsrollen mit und durch KI verändern
Aufgrund der genannten Tatsachen, liegt es nahe, dass die Verantwortung für die KI-Transformation Aufgabe des gesamten Vorstands ist. Entsprechend ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich jedes Vorstandsmitglied ein grundlegendes Wissen über diese Technologie aneignet.Darüber hinaus muss aber auch jedes Vorstandsmitglied verstehen, wie sich seine eigene Rolle durch KI verändert und welche besonderen Herausforderungen dadurch entstehen. Exemplarisch ergeben sich folgende Änderungen der wesentlichen Vorstandsrollen:
CEO
CEOs brauchen ein klares Verständnis von Künstlicher Intellligenz, um relevante Entscheidungen treffen zu können. Einerseits sind sie für die Entwicklung einer übergreifenden Strategie verantwortlich. Dazu müssen sie neue Geschäftsoptionen und Bedrohungen identifizieren können, die sich durch den Einsatz von KI ergeben. Stellvertretend für alle Stakeholder müssen sie sich der ethischen Herausforderungen im Klaren sein. Dazu müssen sie Daten interpretieren und verstehen können, welche Chancen und mögliche Konsequenzen sich daraus ableiten lassen.
Erst dann sind sie in der Lage, verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen in die Wege zu leiten. Darüber hinaus bedarf es organisatorischer Veränderungen - auch dafür ist Fachwissen auf Seiten des CEOs notwendig. Als Vorbild ist hier Volkmar Denner, von 2012 bis Ende 2021 Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, zu nennen. Er hat nicht nur KI-Fähigkeiten als wesentliche Weiterbildung der Mitarbeiter eingeführt, sondern sich auch selbst in KI weitergebildet - bis hin zu den mathematischen Grundlagen.
CFO
Zum einen bietet Künstliche Intelligenz natürlich die Möglichkeit, in der Finanzabteilung vielfältige, zeitintensive Routineaufgaben wie Transaktionen, Auswertungen, Ausleseprozesse und Finanzanalysen zu automatisieren. Der CFO spielt jedoch auch eine wichtige Rolle bei der Finanzplanung von KI-Initiativen. Dies erfordert andere Kriterien als traditionelle IT-Investitionen.
In Anbetracht der rasanten Entwicklung und der inhärenten Ungewissheit in Bezug auf die Ergebnisse erinnert der Ansatz zur Budgetierung von KI-Initiativen eher an die Finanzierung von Innovationen. Außerdem sind die CFOs oftmals auch für das Risikomanagement zuständig. Hier kann KI helfen. So ist sie beispielsweise ein Instrument zur Erkennung von Ausreißern, die auf finanzielle oder Compliance-Risiken hinweisen. KI-Systeme können jedoch auch zu völlig neuen Risiken führen. CFOs müssen diese verstehen, überwachen und versuchen zu beherrschen.
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CIO
Auch wenn KI nicht die alleinige Aufgabe der CIOs sein sollte, so spielen sie eine ganz zentrale Rolle bei einer KI-Transformation. Sie sind typischerweise verantwortlich für Daten, Data Governance und die IT-Infrastruktur - also dem Fundament eines jeden KI-Projekts. Der Erfolg von KI- und Machine Learning-Algorithmen ist abhängig von der Menge, der Qualität sowie der schnellen Verfügbarkeit und Integration von Daten.
Deshalb ist eine Datenstrategie,die diese Faktoren gewährleistet, unabdinglich. Das heißt, dass CIOs eng mit Nutzern und deren Datenpools zusammenarbeiten, um effektive, unternehmensweite Datenpipelines und KI-Architekturen aufbauen und Prozesse zur Datenbeschaffung und -verarbeitung einrichten zu können. Um den größtmöglichen Mehrwert aus KI-Projekten zu gewinnen, müssen diese in höchstem Maße skalierbar sein, denn je schneller das System trainiert wird, desto erfolgreicher die Implementierung. Des Weiteren müssen CIOs - oder im Speziellen die CSOs - KI-relevante Cyberbedrohungen kennen und für die Sicherheit der KI-Architektur sorgen.
CTO
Kommt KI in der Produkt- und Serviceentwicklung zum Einsatz, so sehen sich CTOs oftmals unvorhergesehenen Herausforderungen gegenüber. Produkte, die von einer KI entwickelt und/oder optimiert wurden, handeln und reagieren ebenso KI-basiert. Das heißt: Fehlerhafte oder gänzlich falsche Verhaltensweisen können oftmals nur schwer im Voraus antizipiert werden.
Demnach müssen CTOs die unterschiedlichen technischen Charakteristika von KI- und ML-Algorithmen und entsprechende Eventualitäten kennen und darauf aufbauend entsprechende Guidelines definieren. Diese sollten Sicherheitsanforderungen und Risikoprofile für die jeweiligen Produkte beinhalten, bei denen KI zum Einsatz kommt. (bw)