Unternehmensentscheider aus der Region DACH sind sich durchaus darüber im Klaren, dass die Digitalisierung nicht abgeschlossen ist, sondern gerade erst richtig angefangen hat. In der Studie „Digital Value“von Horváth & Partners äußern die befragten Manager auf C-Level-Ebene hohe Erwartungen, was die Vorteile des fortschreitenden digitalen Wandels angeht. An erster Stelle der Wunschliste stehen dabei Umsatzsteigerungen: 60 Prozent der Studienteilnehmer erhoffen sich ein relevantes Plus im Jahresabschluss.
Ein sportliches, aber realistisches Ziel, wenn man bedenkt, welche neuen Möglichkeiten sich durch digitale Trends ergeben. Nicht nur in Bezug auf Produkte und Services, sondern zum Beispiel auch durch die Kooperation mit anderen Unternehmen und Branchen in neuen, digitalgetriebenen Geschäftsfeldern. In diese Richtung denken jedoch erstaunlich wenig Unternehmenslenker. Nur drei von zehn Befragten glauben daran, im Zuge der weiteren digitalen Transformation ihre Geschäftsfelder ausweiten zu können, zum Beispiel durch neue Produkte und Erlösmodelle.
Die Digitale Transformation hat noch nicht begonnen
Nun könnte man denken, die Digitalisierung sei inzwischen ein so alter Hut, dass Produktportfolio und Geschäftsmodelle längst digital transformiert wurden. Schließlich beherrscht das Trendthema Digitalisierung nun schon seit Jahren Wirtschaft und Medien. Doch die Studie wiederlegt diese These klar: Sechs von zehn Unternehmen geben an, dass sich ihr Geschäftsmodell durch die Digitalisierung bisher nicht nennenswert verändert hat. Lediglich 37 Prozent der Firmen haben das Produktportfolio bereits angepasst, nur jeweils 43 Prozent haben neue Kundensegmente oder ein neues Erlösmodell etabliert. Die Zielmärkte haben sich nur bei 42 Prozent relevant verändert.
Auch das World Economic Forum (WEF) stellt in der hiesigen Wirtschaft einen Mangel an digitalem Veränderungswillen fest. Demnach erreicht Deutschland in Bezug auf die Bereitschaft von Unternehmen zur digitalen Transformation mit 74 Indexpunkten im internationalen Vergleich lediglich den zehnten Platz. Dies ist umso fahrlässiger vor dem Hintergrund, dass die Innovationsfähigkeit des „Erfinderlandes“ Deutschland mit Platz eins im internationalen Ranking bewertet wird.
Es scheint so, als ob hiesige Manager das eigene Innovationspotenzial unterschätzen und die Messlatte irrtümlich oder auch bewusst zu hoch hängen, um sich vor der Verantwortung für Innovation zu drücken. Nach dem Motto „Neue Geschäftsmodelle? Das ist etwas für die Zuckerbergs, Bezosse und Musks dieser Welt. Wir haben für sowas nicht genug Geld und kreative Köpfe, und außerdem funktioniert unsere Branche ganz anders“.
Kurzfristige Effizienz vor langfristig wertvoller Innovation
Zurück zu den Zukunftserwartungen. Da drängt sich die Frage auf: Wie sollen die erhofften Umsatzsteigerungen realisiert werden, wenn nicht durch die Weiterentwicklung von Produkten und Geschäftsmodellen? Die Antwort der meisten Manager ist: durch höhere Produktivität. Wenn meine Mitarbeiter beispielsweise durch automatisierte Prozesse ein höheres Auftragsvolumen bewältigen, müsste sich das in höheren Umsätzen niederschlagen. Dass dies jedoch nur dann der Fall ist, wenn es ausreichend Potenzial für mehr Aufträge, Bestellungen oder ähnliches gibt, wird dabei häufig erst einmal ausgeblendet.
Eine bessere Geschäftsbilanz wollen 53 Prozent der Manager außerdem durch Kostenreduktion erzielen. So bleibt mehr Gewinn beziehungsweise mehr Kapital für Investitionen. Mit der weiteren Digitalisierung werden also vor allem Effizienzziele verbunden. Daneben erhofft sich jeder Zweite zumindest noch Möglichkeiten, den Service zu optimieren und sich dadurch positiv vom Wettbewerb abzugrenzen (49 Prozent) oder digitale Vertriebswege auszubauen (43 Prozent). Diese Ziele greifen jedoch zu kurz. Es geht vielmehr darum, die ständige Veränderung und Weiterentwicklung der Digitalisierung über das gesamte Unternehmen hinweg als “the new normal“ zu etablieren.