Technologieverliebt

Haben Cloud-Profis ein Bias-Problem?

Kommentar  07.07.2023
Von 

David Linthicum ist ein US-amerikanischer Technologieexperte und Buchautor. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören unter anderem Cloud Computing, SOA, Enterprise Application Integration und Enterprise Architecture.

Viele Cloud-Entscheider bevorzugen eine ganz bestimmte Technologie – auf Kosten des Business. Höchste Zeit, objektiver zu werden.
Cloud-Experten mit technologischem Tunnelblick tun ihrem Unternehmen meist keinen Gefallen.
Cloud-Experten mit technologischem Tunnelblick tun ihrem Unternehmen meist keinen Gefallen.
Foto: Lu A Prescott - shutterstock.com

Wenn Sie regelmäßig mit Cloud-Computing-Experten und -Entscheidern zu tun haben, wissen Sie: Die scheinen auf den ersten Blick oft vernünftig. Bei intensiverer Auseinandersetzung lassen manche allerdings Bias erkennen - Technologie-Bias. Ich spreche von den Cloud-Profis, die eine bestimmte Public-Cloud- oder KI-Instanz einer anderen vorziehen. Aus rein persönlichen, beziehungsweise Nicht-Business-Gründen, versteht sich.

Das Szenario ist dabei immer ähnlich: Bevor die Kernanforderungen von Plattformen oder Systemen diskutiert werden, steht bereits zur Debatte wie eine bestimmte Technologie eingesetzt werden soll. Begegnet man diesem Umstand mit einer Frage wie: "Woher wissen Sie jetzt schon, dass das die Ziellösung sein soll?" erntet man entweder eine Ladung Frust - oder wird geflissentlich wegignoriert.

Bias frisst Cloud-Expertise?

Solche Fronten bilden sich typischerweise, wenn einzelne Teammitglieder zu viel Zeit auf Anbieterkonferenzen verbringen, wo ihnen vermittelt wird, wie "hervorragend" eine bestimmte Technologie, ein Anbieter oder gar eine Architektur funktioniert. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das soll nicht heißen, dass spezifische Tech-Stacks der falsche Weg sind. Das Problem besteht vielmehr darin, sich nicht mehr von den Anforderungen zur Lösung vorzuarbeiten, sondern umgekehrt.

Meist folgt auch kein unmittelbarer Nachteil, wenn die Wahl dann auf eine suboptimale Lösung fällt, weil ja erst einmal alles funktioniert. Also wird Erfolg erklärt und der Entscheider widmet sich anderen Dingen - wodurch er in seiner technologischen Voreingenommenheit noch zusätzlich bestärkt wird. Ein höchst dysfunktionaler Prozess, der die zu technischen Schulden führt und somit langsam aber sicher in den Fail.

Dabei steht nicht zur Debatte, dass Cloud-Profis sich kaufen lassen oder ähnliches - vielmehr besteht die Sorge darin, dass andere, möglicherweise sinnvollere, technologische Optionen bei einem einseitigen Fokus unter den Tisch fallen - etwa beim Thema On-Premises vs. Cloud. Das ist auch ein Weiterbildungsproblem: Viele Cloud-Architekten erweitern ihr Wissen nicht und konzentrieren sich lediglich auf ein einziges Lösungsmuster.

Die erste Maßnahme, um diese Entwicklung zu stoppen: Cloud-Profis müssen den eigenen Bias erkennen, sich mit ihm auseinandersetzen und ihren technologischen Horizont öffnen. Jede Technologie bringt Vor- und Nachteile mit sich - nichts ist universell einsetzbar. Sollten Sie also feststellen, dass Sie immer wieder dieselbe Technologie einsetzen, ist das ein erstes Anzeichen dafür, dass Sie Tech-Bias-gefährdet sind. Versuchen Sie sich selbst strengere Anforderungen und Auswahlprozesse aufzuerlegen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.