Das Fenster in der Wohnung einer Mieterin klemmt. Über eine App informiert sie die Hausverwaltung, die beauftragt über das Mieterportal einen Handwerker und auch den Termin vereinbaren beide Seiten digital. Anschließend wird die Rechnungsstellung ebenfalls über das Portal abgewickelt. Wer die zeitraubenden Telefonate mit selten erreichbaren Hausverwaltungen sowie vielbeschäftigten Handwerkern kennt, für den klingt dieser Service wie ein modernes Märchen. Die Städtische Wohnungsgesellschaft München, kurz GWG München, bietet ihren rund 70.000 Bewohnerinnen und Bewohnern der mehr als 30.000 Wohnungen seit Januar dieses Jahres ein Mieterportal sowie eine mobile App an.
360 Grad Immobilienmanagement
Die GWG München setzt auf digitale Dienstleistungen und will das Management ihrer Bestandsimmobilien vereinfachen. Das Mieterportal, als App und Webanwendung verfügbar, ist ein Teil des größeren Projekts "360 Grad Immobilienmanagement". Sebastian Drewes verantwortet als Bereichsleiter IT, Prozesse und Personal das Projekt. "Ziel ist es, ein digitales Ecosystem auf Basis einer möglichst homogene IT-Landschaft mittels SAP und Microsoft Technologien zu schaffen, die ein hohes Sicherheitsniveau und einen signifikanten Beitrag zur Wertschöpfung garantiert" , erklärt der CIO.
Das Projekt umfasst zehn Teile, das Mieterportal ist eines davon. Dorthin wenden sich Mieter mit persönlichen Anliegen, melden Schäden in ihren Wohnungen oder können auch die hinterlegten Mietverträge einsehen. Angebunden sind auch die Handwerksbetriebe, mit denen die GWG München zusammenarbeitet.
Mieter-App mit Mehrwert
Die konsequente digitale Umsetzung schafft mehr Transparenz und hilft dabei, dass alle Beteiligten sich dort immer über den aktuellen Stand ihres Anliegens informieren können. "Eine App schafft nur einen Mehrwert, wenn die Prozesse dahinter ebenfalls digitalisiert sind", sagt Drewes. Wichtig für ein so umfassendes Projekt sei aber auch, so der Wirtschaftsinformatiker, dass sich ein eigenes Projektteam ganz auf diese Aufgabe konzentrieren kann.
Neben dem 30-köpfigen internen Team, das sich aus acht Abteilungen zusammensetzt, ergänzen vier externe Berater eines Dienstleisters die Arbeitsgruppe. Kick-off des Projekts war Ende 2019 und bis Anfang 2023 sollen alle zehn Teilprojekte abgeschlossen sein. Das Budget für das gesamte Projekt beträgt eine Million Euro.
Die Jury vom CIO des Jahres 2022 lobt das Projekt, weil digitale Serviceprozesse Mieter, Vermieter sowie Handwerker zusammenbringt; auch andere Wohnungswirtschaftsunternehmen könnten von der Idee profitieren. Das belohnen die Juroren mit einem Platz unter den Finalisten in der Kategorie Public Sector.
Mit einem Ohr am Business
Drewes ist zuversichtlich, dass auch die anderen Teilprojekte wie eine mobile Objektüberwachung, Bewertung von Bestandsimmobilien oder die Digitalisierung des Wartungs-Managements das Unternehmen weiter voranbringen. Der CIO empfiehlt, immer ein offenes Ohr für die Belange des Business sowie der Mitarbeiter zu haben. Für den 46-Jährigen, der auch einen MBA-Abschluss an der TU München erworben hat, ist es wichtig, immer einen Schritt voraus zu sein, um die Zukunft aus Sicht der IT und des Unternehmens im Blick zu haben.
Manchmal helfen auch gravierende Ereignisse weiter: "Corona schaffte für die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft eine riesige Chance", so Drewes. Und wenn sich der CIO einmal entspannen möchte, hört er "Heroes" von David Bowie und hat schnell wieder die Zukunft im Blick.
Seine Lessons Learned sind:
• Digitalisierung und große Projekte lassen sich nicht neben dem Tagesgeschäft umsetzen.
• Um Projekte nachhaltig umzusetzen, ist es wichtig, IT-Know-how in den Fachbereichen aufzubauen und Key-User zu etablieren.
• Eine App schafft nur Mehrwert, wenn die Prozesse dahinter ebenfalls digitalisiert sind. (kf)